„Und wieder eine Sache abgeschlossen"
Mit diesen Gedanken legte der König seine Schreibfeder zur Seite und lehnte sich in seinen ledernen Stuhl zurück.Das schwache Licht einer Kerze, funkelte in einem Paar blauer Augen, welche von den ersten Spuren des Alters untermalt wurden. Wobei sich darüber streiten ließ was zuerst kam, denn über den Ohren des Königs waren bereits seit einiger Zeit mehr graue, als schwarze Haare zu sehen. Jedoch schien er dadurch keineswegs alt und gebrechlich. Vielmehr fügte es seinem muskulösen Körperbau nun eine gewisse Reife hinzu. Verhüllt wurde jene stattliche Figur von einer schwarzen Lederhose, welche an den Seiten geschnürt war und einem ebenfalls schwarzem Leinenhemd. Als er seine Hände auf seinem Schoß faltete und sich einen Überblick verschaffte, schimmerte eine silberne Stickerei entlang der Ärmel im Kerzenlicht.
Vor ihm lagen noch viele Dokumente und Bücher auf dem, für die Verhältnisse ungewöhnlich simplen Holztisch.
Es war keine Seltenheit mehr,dass sich Amartheus bis in die späten Stunden der Nacht in die Palastbibliothek zurückzog um dort seinen Pflichten als König nachzu gehen.
Seien es nun Verträge die es abzusegnen galt oder diplomatische Vereinbarung die es zu bestimmen gab, er hatte immer etwas zu schreiben und dennoch fand er auch Zeit persönliche Briefe an Freunde des Reiches zu verfassen, denn davon hatte das Vereinte Königreich zu genüge.
Seit seiner Gründung und Abspaltung vom Reich der Menschen vor einigen Dekaden gab es bis auf einen Feldzug eines menschlichen Adelshauses keine nennenswerten Feindseligkeiten.
Es herrschte Frieden.
Ein Frieden, der in solch einem Reich nicht immer ganz einfach war, denn das Vereinte Königreich war das erste seiner Art. Ein Reich das alle Völker willkommen hieß und sich nicht einer Gattung verschrieb. Eine Idee die in der Realität sehr oft zu Problemen führte.
Wie zum Beispiel dem Aufstand der Zwerge an der Nordgrenze, die Jagd auf Felsbeißer machten, denen der König vor einigen Monaten Zuflucht versprach. Feindseligkeiten zwischen den Völkern hatten im Königreich nichts verloren und somit wurden die Felsbeißer ganz offiziell und zum ersten mal in der Geschichte der bekannten Welt zu einem Volk mit gleichen Rechten wie Menschen, Elfen und Zwerge erklärt.
Selbst jener inzwischen veraltete Begriff, gleichem Recht wie Menschen, Elfen und Zwerge, hätte man schon längst ändern sollen, dachte sich der König.
Amartheus ersetzte die abgebrannte, schwarze Kerze am Tisch zu seiner Linken durch eine Neue. Zwar würde das weiße Licht des Vollmonds, welches durch die großen Fenster der Bibliothek schien genügen, doch war es inzwischen zu einer Gewohnheit geworden im schimmernden Kerzenlicht zu arbeiten. Er warf einen kurzen Blick aus dem Fenster.
Da sich der Palast auf einer kleinen Erhöhung befand konnte man von dort ausperfekt über die Stadt Simania sehen. Der Fluss Beream funkelte wie flüssig gewordenes Silber im Schein des Mondes, welches sich zwischen den Häusern der Stadt seinen Weg suchte. Ein Anflug vonStolz überkam den König bei jenem atemberaubenden Anblick. Er konnte sich wirklich glücklich schätzen.
Sein Volk vertraute ihm, es gab keine Bedrohungen für seine Leute und er war neben seiner Pflicht als König auch noch Vater einer wunderbaren Tochter, die zu einer schönen, intelligenten Dame heranwachsen würde.
Doch genug Zeit in Gedanken verbracht, dachte sich der stolze Herrscher. Er griff wieder zu seiner Schreibfeder und widmete sich einem leeren Pergament. Wie immer begann er mit dem Briefkopf:
Simania, Erster Tenebis des 752. ...
Ein lautes Glockenläuten durchbrach die Stille der Nacht. Der König erkannte seinen Ursprung sofort. Es waren die Alarmglocken der Palastwache. Nur wenige Augenblicke danach erklangen weitere Glocken von anderen Orten der Stadt, doch dies würde bedeuten...
Die Tür zur Bibliothek wurde geöffnet und zwei Leibwächter eilten sogleich zu ihrem Herrscher. Sie trugen eine silberne Rüstung mit schwarzen Verzierungen und einem Fahlmirgreifen als Wappen auf der Brust und dem Schild. Einer der Wachen holte das Schwert seiner Majestät hervor und übergab es seinem Besitzer sogleich, der Andere, das Schwert bereits gezogen, erstatte Bericht.
„Jemand ist in den Palast eingedrungen. Eure Leibgarde trifft sich mit Euch im Thronsaal, mein König."
Amartheus gab der Wache ein Nicken und befestigte noch sein Schwert an seinem Gurtzeug.
Die drei bewaffneten Männer machten sich in Formation, das hieß einer ging vor und der andere gab dem König Schutz vor Verfolgern, auf den Weg durch die halb ausgeleuchteten Gänge des Palastes.
Noch immer läuteten die Glocken der Wachposten durch die ganze Stadt.
Wer würde es wagen den Palast des Königreichs anzugreifen und vor allem, wie hatte es besagter Angreifer geschafft durch jeden Wachposten in der Stadt zu gelangen? War es ein Vertrauter? Jemand den die Wachen nicht verdächtigen würden? Selbst wenn, wie viele Angreifer konnten auf jene Weise schon in den Palast eindringen?
Des Königs Gedanken wurden unterbrochen, als plötzlich aus mehreren Richtungen Kampfgeräusche gefolgt von Schmerzschreien zu hören waren. Viel zu vielen Schreien, wie Amartheus feststellen musste, da dies meist den Ende eines Zweikampfs verkündete und dies bedeuten würde, dass hier gerade nahezu jeden Augenblick eine Seele ermordet wurde.
Sie kamen zum Hauptkorridor des Flügels. Von hier spaltete sich der Weg. Eine große Treppe führte hinauf zu dem Thronsaal und mehrere Gänge führten in andere Bereiche des Palastes.
Kurz vor der Treppe hielt der König inne und blieb stehen.
„Eure Hoheit, was habt ihr?", Wollte die führende Leibgarde wissen, hielt den Blick dabei jedoch nach vorne gerichtet um nicht überrascht zu werden.
Amartheus blickte in jenen Flur, der zu den königlichen Privatgemächern hinauf führte. Ihm war als hätte er etwas gesehen. Er trat einenSchritt in jene Richtung und sein Verdacht bestätigte sich. Am Bodenlag eine seiner Wachen.
Er musste wissen wer dafür verantwortlich war und mit diesen Gedanken eilte er zu der leblosen Rüstung am Boden. Blut verteilte sich bereits in Form einer großen Pfütze, doch wo kam es her? Die Rüstung schien unversehrt. Einer der Soldaten nahm dem König die Aufgabe ab und drehte den Leichnam etwas und die Ursache seines Todes wurde sogleich klar. Er wurde von hinten erdolcht. Genau unterhalb des Helms in den Nacken gab es einen sauberen Schnitt, doch etwas war ungewöhnlich. Trotz des vielen Blutes konnte man deutlich eine starke Schwellung um die Wunder herumausmachen.
Gift!
„Attentäter.", stellte der König beunruhigt fest. Gerade in diesem Fall, wäre es umso wichtiger gewesen sich im Thronsaal mit so vielen Männern wie möglich zusammeln um es den Angreifern so schwer wie möglich zu machen an ihn heran zu kommen, doch die ermordete Wache lag in jenem Flur, welcher direkt zu seinem Schlafgemach führte, zu seiner Frau undTochter.
Und erneut, Kampfgeräusche fast augenblicklich gefolgt von einem Aufschrei, direkt aus dem Gang vor ihm. Es war ihm einerlei, welches Verhalten nun angemessen gewesen wäre. Jemand versucht sich an seiner Familie zu vergreifen und da würde er nicht tatenlos zusehen. Mit jenen Gedanken stürmte der König gefolgt von kurz protestierenden Leibwächtern los.
Immer mehr blutüberströmte Rüstungen kreuzten ihren Weg, doch handelte es sich jedes mal um Palastwachen. Es dauerte nicht lange und sie erreichten eine kleinen Raum an dessen Ende sich eine kleine Treppebefand, welche anschließend direkt zu den Gemächern führte. Vor dieser Treppe jedoch fiel gerade eben ein Soldat zu Boden. Dahinter stand eine Person eingehüllt in schwarzem Stoff mit einer Kapuze tief ins Gesicht gezogen.
Amartheus und seine Wachen blieben einige Meter vor der Gestalt stehen und hielten sich bereit. Das Gesicht unter der Kapuze erhob sich etwas und silber, leuchtende Augen waren darunter zu erkennen. Sie kreuzten den Blick des Königsund fast im selben Augenblick stürmte der Attentäter mit beachtlichem Tempo auf ihn zu.
Einer der Leibwachen stellte sich dazwischen und holte mit seinem Schwert aus. Der Angreifer umging den Schwerthieb einfach mit einer sonderbaren Leichtfüßigkeit und ehe sich der Soldat versah wurde ihm ein Dolch in den Hals gebohrt. Nach Luft ringend fiel er auf die Knie, doch schon im selben Moment setzte der Attentäter seinen Weg fort.
Nun versuchte auch die zweite Leibwache sein Glück. Dieser wollte den ersten Angriff abwarten und darauf reagieren. Er hielt seinen Schild schützend vor sich und verharrte in jener Position. Der in schwarz gehüllte Angreifer machte einen Satz und landete zielgenau auf der oberen Hälfte des Schildes, woraufhin dieser nach Hinten kippte. Bevor der Leibwächter wusste wie ihm geschah sprang der Attentäter auch schon wieder ab und befand sich nun direkt über seinem vermeintlichen Ziel.
Beeindrucken, ja, aber nicht von Vorteil dachte sich Amartheus kurz. In der Luft hatte der Angreifer einen vorherbestimmten Weg den er auch nicht mehr ändern konnte ehe er wieder am Boden landete, somit wurde er zu einem leichten Ziel.
Der König nutzte die Gelegenheit und setzte zum Gegenangriff an. Dem Attentäter blieb nichts anderes übrig als zu parieren, doch selbst dabei wurde er zur Seite und auf den Boden geschleudert. Jenen Sturz konnte er aber sogleich mit einer Rolle ausbessern und nur einen Augenblick darauf drehte sich die schwarze Gestalt und im Zuge dieser Bewegung flogen funkelnde Wurfmesser auf den König zu. Gerade noch rechtzeitig konnte die Leibwache den Angriff mit seinen Schild parieren, vermutlich aber auch nur, da sie ohnehin gerade vor hatte sich zwischen den König und dem Gegner zu stellen.
Er ist zuschnell, musste sich Amartheus eingestehen. Bei dieser Geschicklichkeit würde er im besten Fall ein oder zwei Attacken abwehren können, bevor ihn der Attentäter schlicht weg erdolchen würde. In der Defensive würden sie selbst zu zweit somit nicht standhalten. Es galt den Kampfverlauf selbst zu bestimmen.
"Taruda", befahl der König seinem Komplizen und plötzlich sprinteten beide in einem Bogen von einander los.
Die Leibwache hatte einen kleinen Vorsprung und würde von rechts auf den Attentäter zu kommen und Amartheus direkt danach von links. Die verhüllte Gestalt schien einen Moment zu überlegen. Sein Blick wechselte zwischen den beiden hin und her. Sein Ziel war ganz klar der König, doch der Gardist würde als erstes angreifen. Er entschied sich scheinbar abzuwarten und richtete seinen Blick der Leibgarde zu. Zwei Dolche machten sich bereit um einen Angriff abzuwehren.
Der Wachmann stürmte auf den Attentäter zu und hob mit seinem Schwert aus, doch kurz bevor er ihn erreicht hatte warf er sich mit einer Rolle an den Attentäter vorbei. Just in dem Moment als der Meuchelmörder wusste wie ihm geschah und er sich zum König umdrehte war es bereits zu spät. Amartheus Schwert durchbohrte den schwarzen Stoff des Angreifers und mit einem Mal verschwand das Leuchten in den Augen und der Mann sank zu Boden.
Mit einem kurzem Nicken vergewisserte sich der König, dass es seinem Gefährten gut ging und die Beiden setzten ihren Weg zu den Gemächern fort. Amartheus Herz pochte wie verrücktals sie eine steinerne Wendeltreppe hinauf rannten. Tausende von Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Dies waren keine gewöhnlichen Attentäter. Der Auftraggeber musste somit ein Vermögen versprochen haben, was die Suche nach dem Verantwortlichen schon mal einschränken würde, aber wer hatte es auf ihn und seine Familie abgesehen? Seit wann hatte das Königreich solch mächtige Feinde?
Wie ein Stein der ein Fenster zerschmetterte durchbrach ein Schreien all seine Gedanken und mit einem mal war jeder klare Gedanke verloren, wichen einem hoffnungslosem Flehen, dem Flehen dass sich seine Befürchtungen nicht bewahrheiten würden.
Als sie die Treppe hinter sich ließen bemerkten sie sogleich die offen stehende Tür zum Schlafgemach und bereits von dort aus konnte man eine in azurblauen Roben gekleidete Gestalt am Boden erkennen.
Ohne dabei zu achten was um ihn herumgeschah rannte der König in das Zimmer und warf sich vor seiner Geliebten zu Boden. Er nahm ihren bereits leblosen, aber noch warmen Körper in den Arm. Ihre starren Augen waren voller Entsetzen und Furcht und ein überwältigender Schock überkam Amartheus. Er traute sich fast nicht seiner Angst auf den Grund zu gehen, doch als er seinen Kopf hob erblickte er unter einem zerbrochenem Fenster den Leichnam seiner kleinen Tochter.
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Legenden aus Verdain
FantasyDas Vereinte Königreich versucht als erstes seiner Art alle Völker und Rassen unter einem Banner zu einen. Nach einem tragischen Attentat auf die Königsfamilie scheint der Frieden jedoch bedroht und plötzlich wird das gesamte Reich zu einem Pulverfa...