Kapitel 4

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Drei tiefe Atemzüge braucht es, bis ich wieder richtig denken kann.

Es ist Athen.

"Hallo Anny.", sagt er und steckt sein Messer weg. Er verschränkt die Arme vor der Brust und mustert mich von oben bis unten.

Ich stehe angespannt da, immernoch bereit ihn zu töten. Ich sollte es tun. Er ist unaufmerksam und aus irgendeinem Grund tötet er mich nicht. Aber davon sollte ich mich nicht beirren lassen, ich sollte ihn töten.
Irgendetwas in mir hält mich davon ab.
Ich bin neugierig. Was will er?

Langsam lasse ich mein Messer sinken, halte es aber dennoch eng umschlossen.

"Was willst du von mir?", frage ich ihn immernoch ein bisschen atemlos. Mein Gehirn scheint nicht richtig zu funktionieren, denn ich stecke, entgegen meinen Grundsätzen, mein Messer weg.

Athen steht nur da und schaut mich an. Es kann kein Zufall sein, dass er hier ist.

"Ich bin dir gefolgt. Aber wenn du wissen willst, warum ich dich nicht getötet habe: Warum sollte ich?.", antwortet er mir in aller Ruhe.

Ich schiebe mir die Kapuze vom Kopf und schaue ihn entgeistert an.

"Weil es der Kodex ist?! Weil ich ein Hunter bin, weil wir gefährlich sind. Jeder Stamm, der nicht dein Stamm ist, kann euch gefährlich werden?!"

Ich schreie schon fast. Das kann doch nicht sein ernst sein! War er bei den Suner überhaupt in der Ausbildung? Vielleicht ist er gar nicht allein und er wiegt mich nur in Sicherheit.
Hektisch laufe ich aus dem Schlafzimmer in den Flur. Ich schleiche zur Eingangstür und ziehe meine Waffe. Sollten sie da draußen auf mich warten hilft mir nur die. Ich spitze die Ohren, aber es ist nichts zu hören. Leise trete ich auf die Straße und blicke mich um. Keine Menschenseele weit und breit.

Links von mir knackt es und ich ziele auf das Gebüsch. Ein weiteres knacken und ich schieße. Ein leises Gurgeln ist zu hören, dann wieder Stille.

"Herzlichen Glückwunsch, du hast gerade einen Truthahn erschossen.",ertönt es hinter mir und ich zucke zusammen.

Ich drehe mich um und Athen lehnt lässig im Türrahmen. "Ich bin allein.", sagt er nur und grinst.

Warum sollte ich ihm glauben? Ich schaue ihn nur stutzig an. Andererseits höre und sehe ich keine weiteren Personen. Er steht da in seinem Tarnanzug, mit den dicken Stiefeln und dem Maschinengewehr auf dem Rücken. Ich sehe quasi wie sein Blick vor Spott trieft.

Ich besinne mich schnell und sammle meinen geschossenen Truthahn ein. Ich sollte mich von Athen nicht ablenken lassen. Aber es lässt mich nunmal nicht kalt, dass er Gnade zeigt und mich nicht tötet. Ich verstehe ihn einfach nicht. Das Chaos in meinen Kopf will einfach keinen Sinn ergeben.

Ich richte mich wieder auf und der Truthahn baumelt nun an meinem Rucksack. Ich drehe mich wieder zu Athen. Wir stehen nur ein paar Schritte von einander entfernt.

"Warum folgst du mir?", frage ich und es ärgert mich, dass er mich so durcheinander bringt. Seine klaren blauen Augen leuchten schon fasst. Auf seinen Schultern liegt Schnee, und erst jetzt bemerke ich, dass es wieder schneit. Athen hat braune Haare und einen kantigen Kiefer. Es sieht so aus, als hätte er einen leichten Drei-Tage-Bart.

Was ist los mit mir? Ich schweife ab. Erwartungsvoll schaue ich ihn an, damit er endlich meine Frage beantwortet. Ich hoffe er ist mir gestern nicht bis zu den Huntern gefolgt.

"Ich habe dich heute früh losziehen sehen, ich wollte wissen wo du hingehst.", antwortet er nur.

Ich seufze, als ob das die Antwort auf alles wäre. Ich hebe eine Augebraue und verschränke meine Arme vor der Brust.

The Hunters - In Zeiten des Krieges Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt