35| cell.

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[zelle.]

Die halbe Nacht hatte ich mich durch die Unterlagen gewälzt und musste feststellen, dass ich schon lange nicht mehr etwas so Staubtrockenes gemacht hatte. Der einzige Lichtblick war das mein Plan, der bis gestern nur aus einem wackligen Gerüst bestand, langsam aber sicher Form annahm.

Der Brief, den André soeben ins italienische Hauptquartier des MI9 brachte, hatte ich gestern Nacht verfasst und hoffte, ich würde meine Anhörung bekommen.

Der Boss des MI9 war nach all den Jahren immer noch schlecht auf mich gesprochen, als ich bei meiner ersten Mission seine ehemalige Flamme Louise Fell umgebracht hatte und seit diesem Tag ganz weit oben auf seiner roten Liste stand. Hätte das MI9 besser recherchiert, wäre das überhaupt nicht passiert, aber das behielt ich sorgfältig für mich. In diesem Fall galt es so wenig wie möglich provozieren, um mögliche Schäden gering zu halten.

»Ihr Frühstück und 000 müsste den Brief jede Minute erhalten.«, informierte André mich und überreichte mir ein Tablett.

Schweigend nahm ich das Tablett an mich und nickte ihm kurz zu. Ob ich jetzt überhaupt etwas essen könnte, wusste ich nicht. Zu groß war die Unruhe, die mich mit Andrés Worten ergriffen hatte.

Ich stellte das Tablett wie gestern auch auf den kleinen runden Tisch auf dem winzigen Balkon und setzte mich mit Blick auf den Kanal Grande auf einen der zwei Stühle. Zögern zwang ich mich, eine Kleinigkeit zu essen. Ich brauchte unbedingt irgendetwas in meinem Kreislauf.

Als ich das Klingeln meines des Telefons vernahm, erstarrte ich in meiner Bewegung von meinem Brötchen zu beißen und hetzte dann zu dem Kabeltelefon. »Maya Swan.«, sagte ich schlicht in den Hörer und fasste mir an die Stelle, in der mein Herz heftig in meiner Brust schlug. Bitte, bitte, bitte!

»Miss Swan, Ihr Schreiben ist soeben bei uns eingetroffen. Sie werden in 30 Minuten im Büro von 000 erwartete.« Ich vernahm die ruhige Stimme von dem wichtigsten Berater von 000 am anderen Ende der Leitung.

»Ich werde da sein.«, erwiderte ich ebenso ruhig, obwohl mir gleichzeitig mein Herz bis zum Hals schlug, und eine heftige Menge Adrenalin durch meine Adern rauschte.

Nach einer kurzen Verabschiedung seinerseits legte ich auf und befahl mir, ruhig zu sein. Es war noch überhaupt gar nicht klar, wie die Anhörung ausfallen würde. Vielleicht verweigerten sie meinen Plan auch. Die Sprache war immerhin von Jayden Bourne und keinem Kleinkriminellen.

Ich schnappte mir meine enge schwarze Jeans und ein ebenfalls enges, schwarzes Langarmshirt mit tiefem Ausschnitt und legte mir einen dünnen Mantel über die Schulter. Nach einem kurzen Zögern schlüpfte ich in die schwarzen, hochhackigen Ankel Boots. Meine mittlerweile längeren Haare wippten bei jedem schnellen Schritt im Takt.

Von dem Boden sammelte ich zwei zerknüllte Blätter auf und steckte mir eine Packung Streichhölzer ein. Der Grund, warum mir Sam auch Jaydens wirklich schmutzigen Machenschaften mit bei gelegt hatte, war mir schleierhaft.

»Mitkommen!«, befahl ich André, als ich aus ich dem Zimmer trat.

Brav wie ein folgsamer Soldat dackelte er mir hinterher, ohne einen Mucks von sich zu geben. In einem angemessenen Abstand hielt er inne und beobachte wachsam, wie ich in der Menschenmasse, die uns umgab, die Blätter anzündete und für immer in dem dunkelblauen Wasser von dem Kanal untergingen. Dafür brauchte ich mich nicht umzudrehen. Ich konnte sogar von mir behaupten, in diesem Sinne Augen im Hinterkopf zu besitzen.

Um einiges erleichter drehte ich mich um und bahnte mir den Weg durch die Masse an Menschen. Eine angenehme Ruhe erfasste mich mit jedem weiteren Schritt, der mich näher ans Hauptquartier führte. Obwohl es in meinem Inneren überhaupt nicht ruhig zu ging. Ein ekliges Zittern von Schwäche schüttelte mich, als wir vor dem schlicht aussehenden Wohngebäude zum stehen kamen.

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