Wie alles begann

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Ein riesiger, braun gefiedeter Adler kam auf sie zugeflogen. Seine Flügel waren ausgespannt, als er am dunklen Himmel entlang flog. Seine Gestalt war furchterregend und laute Schreie seinerseits durchschnitten die Nacht. Nicht nur seine Größe war furchteinflößend , sondern auch der Blick, der sie durchbohrte, als würde ihn jedes Detail an dem Mädchen interessieren, flößte ihr vollstes Respekt ein. Doch es sollte gesagt sein, das hinter dem aufrechten und stolzen Blick, Wärme lag, die ihr nur allzu bekannt vorkam. Es war noch ziemlich dunkel und die Sterne, die den Himmel bedeckten, zeigten ihr, dass es zur Morgendämmerung noch dauern würde. Nur wenige Straßenlaternen beleuchteten die Straße, doch es huschte keine Menschenseele mehr vorbei. Nicht eine. So fühlte sie sich wohl. So war es perfekt.
Elegant landete der Adler auf dem pulvrigen Schnee und senkte respektvoll den Kopf. Eine kalte Brise ließ die Blätter in den Bäumen über ihnen rascheln. Aurelia musste bei dem Anblick schmunzeln, denn sie wusste genau das sich hinter dem edlen, beinahe böse scheinenden Adler ein liebevoller, junger Mann namens Artyr verbarg. Artyr, ein junger Mann aus Parim, war so etwas wie der Mann für alles. Er war Soldat, kümmerte sich um die Bewohner und pflegte den Halbstern so gut wie er nur konnte.

,,Prinzessin, es wird Zeit. König Marcus und Königin Diana warten schon auf Sie!'' Das Mädchen nickte und stieg auf den monströsen Adler. In der nebligen Luft angekommen schien die Welt so anders. So leer. Nur grelle Lichter durchleuchteten den dichten Nebel, der sonst nur von dem Mondlicht beleuchtet wurde.

Unter ihnen veränderte sich die Welt. Oder eher, verschwand die Welt. Unter ihnen befand sich nichts, rein garnichts- bis auf die unendliche Leere. Aurelia brauchte das Beschreiben, um sich etwas einzuprägem, um etwas kennenzulernen. Doch diese unheimliche Leere war unbeschreiblich und das störte sie. Bald war sie verschwunden und ein riesiges Schloss ragte in der Ferne hervor und durchschnitt die Wolken. Das Schloss war wunderschön uns sehr edel gestaltet mit seinen unzähligen spitzen Türmen, die das eigentliche Schloss umringten, wie eine Schutzmauer. Der Adler flog immer näher auf den Boden zu und landete schließlich. Vor ihnen erstreckte sich ein Meer aus einem satten grün. Es war ein Tal, das ringsum von blumenbedeckten Bergen umgeben war. Der Himmel war von einem reinen, kristallklaren Blau, und die Luft war warm und still.

,,Es hat sich nichts verändert.'', flüsterte sie und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sie drehte sich zu dem Adler und schaute ihn mit ihren großen haselnussbraunen Augen hoffnungsvoll an.

,,Willst du nicht mitkommen, Artyr?'', fragte sie ihn erwartungsvoll.

,,Nein, Prinzessin. Ich muss Parim verteidigen, wir wurden vor wenigen Tagen angegriffen. Von Trollen, sie sind durch den Tunnel gekommen.'', antwortete er und senkte den Kopf mit seinem spitzen Schnabel zu Boden.

,,Wie konnte das passieren?'' Sie war erschüttert von der Nachricht, dass Parim angegriffen worden war. Es herrschte schließlich Frieden.

,,Wir wissen es nicht. Sie haben sich wohl kaum verlaufen. Trolle gehorchen immer ihren Anführern, sie tun nichts eigenständig. Diesen Angriff wird ihr Anführer bestimmt haben."
"Fragt sich nur wieso.", murmelte er.

,,Wurde jemand verletzt?"

''Nein, aber sie haben viel zerstört.'' Artyrs Blick war angespannt, es schien ihn etwas zu bedrücken.

Aurelia nickte und ging schließlich über das Tal hinaus in Richtung Schloss. Einmal drehte sie sich noch um, und sah nicht mehr den Adler, der vor kurzer Zeit noch vor ihr stand, sondern den Artyr, wie sie ihn kannte. Und zwar in menschlicher Gestalt. Er war stämmig und hatte kurze, dunkelbraune Haare.

Sie dachte an Artus' Worte. Wir wurden angegriffen. Von Trollen, sie sind durch den Tunnel gekommen.

Lied der LichterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt