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„Warum waren die ersten zwei Male, wo ich dich gesehen habe in diesem einen Viertel? Du hast doch gesagt da ist es gefährlich, also warum treibst du dich da rum?", fragte ich Rio das, was ich schon die ganze Zeit von ihm wissen wollte.
Wir saßen auf einer Bank - mal wieder - auf der Aussichtsplattform der Berges. Die Sonne war inzwischen vollständig aufgegangen und wärmte uns mit ihren kräftigen Strahlen. Gleichzeitig wehte ein leichter, angenehmer Wind, der die Blätter der Bäume und Büsche zum Rascheln brachte.

„Ich war da eben unterwegs. Geschäftlich."
Er schaute auf den Boden vor uns und ich zog die Augenbrauen hoch.
Rio war also geschäftlich in einem Viertel unterwegs, das in den Händen einer Gang lag. Was sollte das denn bitte heißen?

„Außerdem wohne ich dort.", fügte er leise hinzu.
Ungläubig sah ich ihn an.
Das erklärte natürlich, warum ich dort auf ihn getroffen war.

„Du wohnst dort? Und machst vor mir dann so ein Drama, dass es so gefährlich ist wenn ich mich da blicken lasse? Es ist doch zehn mal gefährlich dort zu wohnen als einfach nur mal kurz durchzulaufen!", rief ich leicht wütend.

„Jetzt chill doch mal. Meine Familie wohnt da schon ewig. Uns hat das Haus schon gehört, als das Viertel noch längst nichts mit der Gang zu tun hatte. Außerdem kennen die einen, wenn man dort wohnt. Die tun uns nichts an, solange wir ihnen nicht im Weg stehen. Außer man gelangt aus Versehen in eine Schießerei, aber dazu muss man schon echt dumm sein. Es ist also viel gefährlicher, wenn man als Fremder ins Viertel kommt, weil außer den Anwohnern geht da niemand rein. Die könnten also denken, du bist jemand von deren Feinden."
Rio versuchte mir die Situation zu erklären und ich merkte, wie wenig ich von dem Leben verstand das außerhalb meiner Welt passierte.

„Oh ok... ja macht Sinn.", antwortete ich nur, da mir meine Naivität peinlich war.

„Du hast echt keine Ahnung von Gangs und sowas, oder?", fragte Rio belustigt.
Für ihn war es wohl unterhaltsam, wie das verwöhnte Mädchen aus den USA entdeckte, dass das Leben nicht überall so einfach und friedlich war wie bei ihr.

„Nein tut mir leid, meine Nachbarn sind soweit ich weiß keine Gang Mitglieder.", lachte ich und stellte mir dabei vor, wie die Spießer im Haus neben uns in Wahrheit mit Drogen dealten und für Geld mordeten.

„Wie ist eigentlich so die Gegend wo du wohnst?"
Rio sah mich interessiert an. Wahrscheinlich kannte er nichts anderes als das hier, wenn er in diesem heruntergekommenen Viertel lebte.

„Naja also... wir wohnen etwas außerhalb von Phoenix in einer wohlhabenderen Gegend. Überall stehen protzige Häuser mit Pools im Garten und dicken Autos in der Einfahrt. Und da mitten drin wohne ich, zusammen mit meinen Eltern."

„Das hört sich ja nicht schlecht an. Und wie ist deine Schule so?", wollte er wissen.

„Meine Schule? Schrecklich. Ich gehe auf eine Privatschule, die meisten meiner Mitschüler haben reiche Eltern und geben damit in jeder freien Sekunde an. Sie halten sich alle für was besseres, weswegen ich da auch nur zwei Freunde habe."
Meine Schule an sich war zwar ganz in Ordnung, aber die Leute dort waren einfach widerlich.

„Das tut mir leid für dich, ehrlich."
Rio legte sanft seine Hand auf meinen Oberschenkel. Die Stelle die er berührte wurde sofort warm und ich spürte wie meine Hände langsam schwitzig wurden. Es viel mir schwerer zu atmen und hätte ich nicht gesessen, hätte mein Bein angefangen zu zittern. Und das alles nur wegen einer einfachen, banalen Berührung.
Ich verstand nicht, woher das so plötzlich kam, denn bei Jacks Berührungen hatte ich nie so reagiert.

Ich starrte erst auf seine Hand, die wohl nicht vorhatte meinen Oberschenkel bald loszulassen, hob dann meinen Kopf an und sah in seine Augen. Beim Anblick seiner dunklen Augen, die jetzt jedoch durch das Licht der Sonne viel heller, fast schon wie Honig, und wärmer erschienen und direkt in meine Augen blickten musste ich schlucken.

Before DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt