Kapitel 12

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Während den nächsten Tagen wirkte Manu wie ein völlig anderer Mensch. Beim Essen saß er zwar immer noch lieber alleine und auch sonst war er vor anderen Leuten sehr zurückhaltend, aber sobald wir auf dem Zimmer alleine waren, wirkte er wie ausgewechselt, machte Witze, zeigte mir seine liebsten Videospiele und überredete mich dazu, zumindest online ein bisschen mit ihm zu zocken, was wirklich Spaß machte. Und im Gegenzug sah er sich mit mir ein paar Videos meiner Lieblingsyoutuber an.

Das Wochenende war wirklich schön, doch wie immer ging es viel zu schnell vorbei. Inzwischen hatten wir in jedem Fach mit dem Unterricht begonnen und ich gewöhnte mich langsam aber sicher daran, einen normalen Stundenplan zu haben. Es war zwar seltsam und neu, aber auch spannend und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich so besser lernen konnte.

Während den Schulstunden redeten Manu und ich nach wie vor wenig, doch in den Pausen saßen wir meistens irgendwo nebeneinander und beobachteten die jüngeren Schüler beim Spielen oder lernten gemeinsam für die nächsten Stunden. Und auch nachmittags machten wir zusammen Hausaufgaben, halfen uns gegenseitig und lernten uns nach und nach immer besser kennen. Manu wollte zwar immer noch nichts gemeinsam mit meinen anderen Freunden unternehmen, doch er freute sich für mich, da ich endlich jemanden gefunden hatte, mit dem ich meine Zeit verbringen konnte. Wenn ich etwas mit ihnen machte, verschwand Manu meistens irgendwohin aufs Gelände und kam dann oft erst mitten in der Nacht wieder zurück.

So verging die Zeit wie im Flug und schon bald standen die Herbstferien vor der Tür. Wir hatten schon unsere ersten Schulaufgaben in Mathe und Chemie hinter uns und alle freuten uns auf die freien Tage – alle außer Manu. Während ich über die Ferien in der Schule blieb, würde er sein Vater besuchen und schien darüber nicht sehr glücklich zu sein, doch egal wie oft ich versuchte, den Grund für seine fehlende Vorfreude zu erfahren, blockte er ab und wechselte so schnell wie möglich das Thema.

Ich gab es also bald auf zu fragen und hoffte, Manu würde irgendwann von sich aus mit mir darüber reden. Am letzten Schultag fieberten wir alle dem Unterrichtsschluss entgegen und nachdem uns die Lehrer entließen, beeilten sich die meisten Schüler, ihre Taschen aus den Zimmern zu holen, da eine halbe Stunde nach Unterrichtsschluss ein Bus zum Schulgelände kam, der alle Schüler, die über die Ferien nach Hause fuhren zum örtlichen Bahnhof brachte.

Nur wenige blieben wie ich in der Schule, viele schienen ihre Eltern zu vermissen, doch ich hatte es schon früh gelernt, kein Heimweh zu haben, da ich oft längere Zeit nur eines meiner Elternteile gesehen hatte. Dass wir alle drei einmal zusammen zu Hause gewesen waren, war wirklich selten vorgekommen, also reichte es mir, hin und wieder mit meinen Eltern zu telefonieren und ihnen ein wenig davon zu erzählen, wie es mir ging und was so im Internat passierte.

Obwohl ich also hierblieb, begleitete ich Manu noch mit nach draußen und verabschiedete mich mit einer kurzen Umarmung. Er hatte meine Handynummer und wusste, dass er mich immer anrufen konnte, doch ich hoffte, dass er das auch wirklich tun würde. Ich hatte das Gefühl, dass sich Manu manchmal vorkam, als würde er mich stören, obwohl er das nicht tat, weswegen ich mir Sorgen machte, dass er sich deswegen zurückhalten würde, weil er nicht nerven wollte.

Ich sah dem Bus eine Weile lang hinterher, bis er um eine Kurve fuhr und verschwunden war. Dann machte ich mich zurück auf den Weg in unser Zimmer, wo ich nicht so recht wusste, was ich mit mir selbst anfangen sollte, weswegen ich die Zeit auf Instagram und YouTube verbrachte und nichts wirklich Produktives tat, bis es endlich Abendessen gab. In der Mensa angekommen musste ich feststellen, dass aus meinem Freundeskreis nur Freddie und ich in der Schule geblieben waren. Wir setzten uns beim Abendessen also gemeinsam an einen Doppeltisch und unterhielten uns ein wenig über die vergangenen Schultage und die kommenden Ferien.

Nach dem Abendessen kehrte ich wieder ins Zimmer zurück und verbrachte den restlichen Tag auf YouTube, bevor ich Manu eine kurze Gute Nacht – Nachricht schickte und mich schlafen legte. Kurz bevor ich weg gedämmert war, riss mich das Vibrieren meines Handys noch einmal aus dem Schlaf und ein Blick auf das Display verriet mir, dass Manu mir ebenfalls eine gute Nacht gewünscht hatte, mit einem kleinen Herzchen am Ende der Nachricht. 

Kürbistumor Fanfiction - NachteuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt