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--Pov Taehyung--

Im Wirbel aus Lust und Emotionen waren sie für einen Moment verschmolzen, in welchem alles perfekt zu sein schien.
Während unheilvoll kräftig das Gewitter vor den Fenstern tobte, hatten Jungkook und Taehyung in einem gemeinsamen Kraftfeld existiert.
Niemand hatte bemerkt, dass ein Teil des Zimmers immer wieder in pulsierendes Licht getaucht worden war. Waren die eingehenden Anrufe auf Jungkooks Handy doch mit Blitzschlägen verwechselt worden.
Blitzschläge, die sich allmählich hinter den nächtlichen Wolken entfernten und nur noch diffuses Wetterleuchten von sich gaben. Das Gewitter hatte sich ebenso rasch gelegt, wie auch die Lust im stürmischen Schlafzimmer und während Taehyungs Atmung immer gleichmäßiger wurde, streckte Jungkook die Finger nach seiner Brust aus und schmiegte sich mit der Wange gegen die erhitzte Haut.
Ein Windstoß, welcher sich durch das offene Fenster verirrt hatte, jagte ihnen beiden Gänsehaut über den Körper und fürsorglich zog Taehyung die dicke Decke über sie.
„Ich danke dir.“, flüsterte Jungkook in den weichen Stoff und schloss die Augen für einen Moment.
Schon viel zu oft hatte der strenge Unternehmensführer mit Menschen geschlafen, die ihm gefielen. Viel zu oft hatte er ihnen das Persönlichste genommen und dabei einen Teil seiner Seele preisgegeben, für den er sich abgrundtief schämte.
Gut hatte er sich danach nie gefühlt. Ganz im Gegenteil. Meist war es nur noch mehr Wut gewesen, die sein Nervenkostüm weiter reizte und es ihm unmöglich machte, sich zu entspannen.
Niemals hatte sich jemand nach einigen intimen Stunden bei ihm bedankt. Zurecht.
Doch Jungkook unterschied sich in sämtlichen Bereichen so grundlegend von allen anderen und wenn Taehyung ganz ehrlich zu sich war wusste er, dass auch er sich von dem Monster unterschied, welches er noch vor Monaten gewesen war.
„Du… hast mich zu einem anderen Menschen gemacht, Jungkook. Ich sollte mich bei dir bedanken.“
Gedankenverloren beobachtete Taehyung das Schattenspiel der Regentropfen und der entfernten Skyline Seouls, welches sich in wechselnden Farbschemen an der Zimmerdecke widerspiegelte.
Mit gerunzelter Stirn lauschte er Jungkooks ruhiger Atmung und rang um Worte.
„Ich glaube wenn man sich selbst so sehr hasst, ist es einem kaum möglich jemand anderen zu lieben. Es ist wie… wie schwarzes Gift. Gemacht aus Schmerz und Idealen, denen man nachjagt. Ich habe mich selbst dabei verloren aber du… du hast mich gefunden. Du hast es geschafft, mich davon zu überzeugen, meiner Angst zu trotzen. Ich liebe dich dafür, Jungkook.“
Stoßweise traf der warme Atem des Jüngeren auf Taehyungs Haut und er war sich nicht sicher, doch es fühlte sich an wie kitzelnde Tränen, welche der zittrigen Atmung folgten. Warm sammelten sie sich auf Taehyungs Brustbogen und ließen ihn tröstend die Hände über Jungkooks nackten Rücken gleiten.
„Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen.“
Doch energisch schüttelte Jungkook den Kopf.
„Nein, ich bin nicht traurig. Es ist nur… ich frage mich warum ich? Du könntest jeden jungen Mann an deiner Seite haben. Aber ich… ich bin-“
„Du bist der Mann, den ich als einzigen an meiner Seite will, Jungkook. Du bist es, weil niemand anderes Sinn macht und weil ich weiß, dass wir uns beide unterstützen können. Vielleicht… vielleicht bleibt uns nicht viel Zeit, aber…“
Erschrocken hielt Taehyung inne, als Jungkook sich aufrichtete und irritiert in sein Gesicht sah.
„Nicht viel Zeit? Von was redest du, Tae?“
Das dunkle, feuchte Haar, hing ungewohnt lockig in Jungkooks blasse Stirn und die langen Wimpern waren behangen von glänzenden Tränen.
Mit den großen, unschuldigen Augen und den roten Wangen wirkte der junge Mann noch zerbrechlicher, noch jugendlicher als er es ohnehin bereits tat und schlagartig überlegte Taehyung es sich anders.
Die Zeit würde kommen, in der er völlig ehrlich sein konnte und selbst wenn sie nicht kommen würde, irgendwann würde Jungkook verstehen.
„Nicht viel Zeit hier im Bett, Dummerchen. Dich ruft die ganze Zeit jemand an. Ich hoffe du hast nicht noch einen weiteren Verehrer wie mich, sonst garantiere ich für gar nichts.“
Scheinbar gefährlich rang er sich zu einem schiefen Grinsen und zu seiner Überraschung, kaufte Jungkook ihm den kleinen Trick ab.
„Du bist hier das Dummerchen. Ein anderer Verehrer… Pfft.“, entgegnete Jungkook empört und klopfte mit zwei Fingern tadelnd auf Taehyungs Nase, ehe er sich aus der dicken Decke und der warmen Umarmung schälte.
Taehyung konnte die fremde Körperwärme noch auf seiner spüren, als er Jungkook dabei beobachtete, wie dieser sich eines von Taehyungs Hemden und seine Boxershorts anzog.
„Frech.“, kommentierte er den provokanten Blick, als Jungkook sich die Boxershorts überzog und sich schließlich zu seinem Handy in der klammen Hosentasche beugte.
Es waren Sekunden, in denen er sich von ihm entfernte, sobald das Licht des Bildschirmes das jugendliche Gesicht erhellte.
Derart gewaltsam, kehrte Kühle in das Zimmer zurück, dass Taehyung unter der dicken Decke zu frösteln begann und fragend die Augenbrauen hob.
Aus Jungkooks Blick ließen sich Bände lesen und gleichzeitig wies nichts darauf hin, was genau ihm die tiefen Sorgenfalten in die Stirn schrieb.
„Alles okay?“
Taehyungs vorsichtige Nachfrage wurde mit einer harschen Handbewegung beantwortet, als er das Handy an sein Ohr presste und das Zimmer verließ.
Verwundert sah der Ältere seinem Freund nach und setzte sich selbst schließlich auf.
Sofort schoss viel zu viel Blut in seinen Kopf und keuchend zwang ihn der Schwindel, sich wieder hin zu legen.
„Verdammt…“
Leise zischte er in die Stille, eh er sich erneut einen Ruck gab und sich aufsetzte.
Es kostete ihn mehr Mühe als gewöhnlich, sich am Bettgestell ins Stehen zu ziehen und sich einen trockenen Pyjama über den fröstelnden Körper zu streifen.
Das Fenster geschlossen und einige Handtücher auf dem nassen Dielenboden ausgelegt, wollte Taehyung sich gerad daran machen, die Klamotten vom Boden zu klauben, als ein ohrenbetäubendes Klirren ihn aufschrecken ließ.
Beinahe über seine eigenen Füße stolperte er, als er durch das Zimmer stolperte, um zu Jungkook zu gelangen.
Er fand ihn im Flur vor. Einer der gerahmten Kunstdrucke war zu Boden gefallen und das Glas des riesigen Bilderrahmens in tausend Teile zersprungen.
Mitten im Scherbenhaufen saß Jungkook auf den Knien, in sich zusammen gesackt und das Gesicht in seine blutigen Hände gelegt.
„JUNGKOOK!“
Keuchend kniete Taehyung sich neben ihn und ignorierte das Brennen der Scherben, die sich durch seinen Pyjama schnitten.
„Was ist…“
„E-es tut mir leid! Ich konnte mich nicht auf den Beinen h-halten.“
Verwirrt schlang Taehyung die Arme um den bebenden Körper vor sich und verstand die Welt nicht mehr.
Jungkook musste haltsuchend gegen den Kunstdruck gekommen sein, aber wieso.
„Ist gut, Baby. Alles wird gut.“
Beschwichtigend sprach Taehyung auf ihn ein, strich ihm die klammen Strähnen aus der Stirn und fing das Schluchzen ab, welches den schmächtigen Körper schüttelte.

Schon immer konnte Taehyung den Schmerz der lediglich weh tat von dem unterscheiden, der einen Menschen grundlegend veränderte. Er wusste, was es hieß zu leiden und ohnmächtig dem rasenden, schwarzen Gift des Schmerzes ausgeliefert zu sein.
Mit jedem weiteren Schluchzen erkannte er, dass Jungkook etwas Furchtbares erfahren haben musste und war sich deutlich dessen bewusst, dass nichts mehr so bleiben würde, wie es war.
Innerhalb weniger Sekunden und weniger Worte war ihre Welt, wie sie bis dorthin existierte, zusammen gebrochen und so wie Jungkook zwischen zerbrochenem Glas auf dem Boden kauerte, brachen auch die salzigen Küsse, der Meteoritenkrater und die feuchten Bettlaken aus ihrer Realität. Sie wurden zu Erinnerungen, wie das Gefühl, sich so nah gewesen zu sein, wie noch vor einigen Minuten.
Körper an Körper zwischen rauem Stöhnen und verzweifeltem Drängen. Irgendwo weit weg von jeglichem Schmerz und jeglicher Realität.

--Pov Jungkook--

„Minsa! S-sie… sie stirbt.“
Nach Luft schnappend brach Jungkook ab, als er endlich die Worte über die Lippen brachte, vor welchen er sich so sehr gefürchtet hatte.
Taehyung hielt ihn im Arm und war in diesem Moment vermutlich das Einzige, was in davon abhielt genauso zu zerbrechen, wie die Glasscheibe des Bilderrahmens.
„D- das Krankenhaus hat gerade angerufen und… und sie sagten das ihr Körper sich gegen das Spenderorgan wehrt. Sie wissen selbst nicht wieso.“
Der Anruf hatte ihn nach seinem Höhenflug der Verliebtheit so gewaltsam zu Boden gerissen, dass sein Kopf tatsächlich auch physisch schmerzte.
Die Scherben hatten sich in seine Knie geschnitten und etwas Blut tropfte von seinen Händen, doch nichts war vergleichbar mit dem mörderischen Schmerz, welcher in seiner Brust tobte.
„Aber... ich verstehe das nicht. Das Krankenhaus hat mir versichert, dass es für die hohen Summen an Geld alles tun werde, um deine Schwester gesund zu machen.“
Verzweifelt drangen Taehyungs Worte nur aus der Ferne an Jungkook heran.
Blinde Wut hatte den Schmerz für einen Moment abgelöst und mit einem verzweifelten Schluchzen kämpfte Jungkook sich aus der Umarmung.
„Und was hat dein ganzes Geld ihr gebracht, huh? Was hat es ihr gebracht? Gar nichts, Tae! Gar nichts, weil man sich mit Geld nicht alles kaufen kann!“
Erschrocken verlor Taehyung das Gleichgewicht und fiel nach hinten, während sein verletzter Blick zwischen Jungkooks Augen hin und her sprang.
„Aber…“, setzte er kleinlaut an, doch er kam nicht dazu, etwas zu entgegnen.
„Stattdessen genieße ich meinen scheiß Sommer mit dir, während Minsa keinen einzigen Sommer mehr erleben wird. OH GOTT, ICH BIN SO DUMM!“
Jungkook war egal, dass sich Tränen in Taehyungs Augen spiegelten und dass er den Geschäftsführer noch nie so verletzlich gesehen hatte.
Es war ihm egal, dass er ihm vermutlich Unrecht mit den verletzenden Worten der Wut tat und dass er ihr zartes Band der Beziehung gefährlich auf die Zerreisprobe stellte.
Sprachlos öffnete Taehyung die Lippen, doch Jungkook hörte ihm nicht mehr zu.
Schwer atmend suchte er seine Klamotten zusammen und zog sich an, während sein Körper sich völlig taub anfühlte.
„Lass mich einfach in Ruhe!“
Wie er so schnell von einem seiner kühnsten Träume, in einen absoluten Albtraum geschlittert sein konnte, wagte sein Verstand nicht zu begreifen.
Unbefriedigend langsam schloss sie die Eingangstür hinter ihm, als er aus Taehyungs luxuriöser Wohnung stürmte. Voller Wut hatte er sie hinter sich zu reißen wollen, doch der Türdämpfer machte ihm einen Strich durch die Rechnung und riss seinen Arm nur so fest zurück, dass er schmerzerfüllt in den Nieselregen fluchte.
Das Gewitter hatte sich verzogen und die Nacht war bereits weit vorgeschritten, als Jungkook begann zu rennen.
Eigentlich wusste er nicht einmal wozu oder wohin er rannte, doch seine blutenden Beine trugen ihn über reflektierenden, nassen Asphalt.
Aber tausende Bilder prasselten auf Jungkooks Bewusstsein ein. Als würde er Zeuge seiner eigenen Vergangenheit werden und als würde seine Seele ihm schmerzlich bewusst machen, was er im Stande war zu verlieren, wenn Minsa starb.

BLACK POISON [TaeKook] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt