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Mein Handy klingelte.
Um 5 Uhr morgens.
Im Dunkeln tastete ich mit meiner Hand den Nachttisch entlang um den Anruf wegzudrücken. Meine Augen hielt ich weiterhin geschlossen, ich wollte schließlich weiterschlafen.

„Malu!", ertönte Marlees verschlafene Stimme, die mir befahl, dass ich gefälligst mein Handy ausschalten sollte.
Endlich hatte ich es gefunden.
Ich warf einen Blick auf das Display und stellte fest, dass der Anruf von Rio war.
Verwirrt ging ich ran.
Es war doch hoffentlich nichts passiert!

„Was ist?", fragte ich etwas besorgt.
Inzwischen war ich hellwach.

„Was ist?", äffte Rio mich nach.
Es konnte also nichts ernstes sein.
Zum Glück.

„Wie wäre es mit: Guten Morgen Süßer. Ich habe die ganze Nacht von dir geträumt?"
Ich konnte mir bestens vorstellen, wie er gerade grinste.

„Das hättest du wohl gerne.", schnaubte ich.
„Also sag schon, warum in aller Welt rufst du mich so früh an?"

„Weil ich vorm Hotel stehe. Also komm raus oder ich ziehe dich aus deinem Bett und hole dich."

„Das meinst du doch nicht ernst, oder? Warum solltest du jetzt hier sein?"

„Ich habe eine Überraschung für dich. Also komm jetzt einfach."

„Na gut. Aber wehe du meinst das nicht ernst!"
Seufzend legte ich auf und quälte mich aus meinem Bett.

„Was wird denn das jetzt?", fragte ich skeptisch.
Vor mir saß Rio auf einem Motorrad und hielt mir seinen Helm hin.
Ich wollte nicht wissen, woher er die Maschine hatte, wenn wir letztes Mal schon Fahrräder 'ausgeliehen' hatten.

„Wir machen einen kleinen Ausflug."
Er grinste geheimnisvoll, ich zog meine Augenbrauen hoch.

„Aha."
Ich nahm ihm immer noch etwas verwirrt den Helm aus der Hand und zog ihn mir über den Kopf.
Es war irgendwie süß von ihm, dass er ihn mir gegeben hatte, obwohl er doch auch einen brauchte.

„Und wohin geht's denn?"
Ich schwang ein Bein über das Motorrad und setzte mich dicht hinter Rio, sodass mein Oberkörper seinen kräftigen Rücken zu spüren bekam.

„Es ist eine Überraschung, Malu", erinnerte er mich kopfschüttelnd und ich verdrehte die Augen.
Ich wollte es aber jetzt wissen.
Wer weiß, wo er mich hinbringen würde?
Vielleicht hatte er ja vor mich zu entführen um dann von meinen Eltern Lösegeld zu verlangen.
Wenn ich genauer darüber nachdachte, klang das gar nicht so abwegig...
Na super, jetzt machte ich mir selbst schon Angst.

„Halt dich an mir fest.", wies Rio mir an und ich schlang meine Arme um seinen Bauch.
Das missfiel mir überhaupt nicht, denn auch wenn er einen Pulli trug konnte ich deutlich jeden einzelnen Bauchmuskel spüren.

„Fester. Sonst fliegst du noch runter. Gleich geht's nämlich echt ab."
Ich konnte deutlich sein Grinsen hören.
Soso.
Rio startete den Motor und mir wurde relativ schnell klar, dass er nicht jemand war, der sich an jegliche Tempolimits hielt.
Mit Gefallen drückte ich mich noch näher an ihn und verstärkte meinen Griff um seinen Bauch.

Wir verließen die Innenstadt und rasten in der aufgehenden Sonne eine einsame Landstraße entlang.
Die Umgebung glich schon fast einer Wüste, die hellbraune Erde sah viel zu trocken aus, hier und da war ein dürrer Baum zu sehen und die Sträucher könnten auch mal wieder etwas Wasser gebrauchen. Am Horizont hoben sich Berge von der langsam nachlassenden Dunkelheit der Nacht ab.

Sachte lehnte ich meinen Kopf an Rios Rücken an, meine Haare, die unter dem Helm hervorlugten flatterten im Wind.
Es war ein unbeschreibliches Gefühl, dicht an Rio gepresst mit Höchstgeschwindigkeit im Sonnenaufgang durch die verlassenen Gegenden Mexikos zu fahren.
Wir könnten das stundenlang so weiter machen oder am besten die Zeit anhalten. Doch leider ging das nicht.
Oder vielleicht würde auch etwas besseres auf mich warten.

Before DawnWo Geschichten leben. Entdecke jetzt