Wiedersehen macht Freude Teil 2

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Ich kann mich einfach nicht konzentrieren und das liegt nicht daran, dass der Stoff, den Mr Morgenstern uns erklärt, nur eine Wiederholung der Wiederholung ist.

Viel mehr liegt es an Magnus' Nähe, die mich einfach ablenkt.
Immer wieder erwische ich mich dabei, wie ich zu ihm rüberschiele und ihn regelrecht anstarre. Er sieht einfach so unfassbar gut aus, dass ich meinen Blick kaum abwenden kann.

Auch er scheint dem Unterricht nicht wirklich zu folgen, denn über seinem Heft liegt ein Block mit komplett weißen Blättern, auf dem er irgendetwas zeichnet. Es sieht aus wie ein kirchliches Gebäude, aber es fehlen noch die Details.

Gebannt folge ich seiner Hand, die abwechselnd am Dach und an der Fassade seines Gebäudes arbeitet.

Plötzlich kritzelt er etwas auf dem Blockrand:
Hab ich irgendetwas im Gesicht oder warum starrst du mich durchgehend an?

Als ich das lese, spüre ich regelrecht wie mir die Hitze ins Gesicht steigt. Er hat mich beim Starren erwischt.

Das ist mir jetzt unangenehm, aber was denke ich denn da?
War ich nicht der immer selbstsichere Typ, der die Kontrolle hatte?

Im festen Entschluss, diese Macht wiederzuerlangen, nehme ich meinen Stift und schreibe meine Anwort auf meinen Heftrand.

Du bist so hejß, es wäre eine Schande nicht hinzusehen.

Trotz meiner gespielten Selbstsicherheit, werde ich nervös, als er interessiert meine Nachricht liest und dann leicht grinst.

In seiner schwungevollen Schrift fragte er: Du findest mich heiß?

Du bist sogar superhejß.

Ist das überhaupt ein Wort?

Jetzt schon, antworte ich und sehe, wie er grinst.

Er ist sogar leicht rot angelaufen, was mir zeigt, dass unser Nachrichtenverkehr nicht spurlos an ihm vorbei geht.

Ok und was würdest du gern mit diesem "superheißen" Typen machen?

Einerseits würde ich ihn nach dem Unterricht gerne in die Abstellkammer zerren ...

Und andererseits?, fragt er mich.

... würde ich ihn gerne näher kennenlernen. Wie wäre es heute Nachmittag um vier im Kino?

Da lernt man doch niemanden näher kennen!

Stimmt, bei einem Abendessen danach aber schon, schreibe ich und blättere um, damit ich wieder mehr Platz zum Schreiben habe.

Mittlerweile ist der Unterricht nur noch Nebensache und ich konzentriere mich allein auf das 'Gespräch' mit Magnus. Ich weiß selbst nicht, was in mich gefahren ist, dass ich so etwas mit ihm schreibe. Aber gerade will ich nicht darüber nachdenken, sondern es einfach genießen.

Du bist also die Art von Typ, die erst rumacht und dann redet?

Scheint so.

Gut, ich habe nämlich nichts dagegen, schreibt er und im nächsten Moment berühren sich unsere Knie.

Es ist wie ein Stromschlag, der durch meinen Körper geht und ich bekomme eine Gänsehaut. Das Blut rauscht nur so hinter meinen Ohren und dort, wo wir uns berühren, kribbelt es.

Wenn schon so eine kleine Berührung so eine Reaktion in mir hervorruft, wie wäre es dann wohl, wenn wir uns küssen?

Bisher habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, einen anderen Kerl zu küssen. Wieso auch? Aber jetzt ist es irgendwie ... anders. Mir gefällt diese Vorstellung irgendwie, aber ich bin auch etwas nervös und habe Angst zu hinterfragen, was das bedeutet.

Ich habe Angst zu erfahen, dass ich vielleicht -oder jetzt sehr wahrscheinlich sogar- nicht heterosexuell bin. Aber das kann man ja überprüfen und Liebe ist Liebe ... Das sagt man doch so?

Ach, ich weiß nicht. Das ist alles gerade etwas viel auf einmal und eigentlich sollte ich mir Zeit nehmen, um alles zu verstehen, aber diese Zeit gibt es später auch noch.

Jetzt zählt nur mein Austausch mit Magnus.

Sehr gut, dann können wir theoretisch jetzt schon mit dem Kennenlernen beginnen. Aufpassen tun wir ja sowieso nicht mehr.

Theoretisch schon. Schieß los.

Wo warst du, bevor du hiergewechselt bist?, frage ich das erstbeste, das mir in den Sinn kommt.

Meine Eltern sind geschieden und bis vor Kurzem habe ich bei meinem Dad gelebt. Das wurde mir aber zu stressig, weshalb ich wieder zurück zu meiner Mutter gezogen bin. Tja und jetzt sitze ich neben einem attraktiven Kerl mit ordentlicher Handschfrift.

Das mit der Scheidung tut mir leid.

Schon in Ordnung. Es ist besser so und ich komm mittlerweile ganz gut damit zurecht ... auch mit den Kommentaren dazu.

Oh Shit, ich bin gerade richtig in ein Fettnäpfchen getreten, oder?

Wahrscheinlich ist die Frage nach seinen Eltern für ihn ziemlich normal und auch das übliche Beileidbekunden ist er bestimmt gewohnt. Ich mag so etwas selbst nicht und ich habe nichts Besseres zu tun, als ihm zu sagen, dass es mir leid tut. So etwas hilft nicht und ist nur ein weiteres Salz-in-die-Wunde-streuen.

Schon ok. Ich kenne das ja schon.

Ich wollte das wirklich nicht.

Wie bereits geschrieben, es ist ok, beteuert er und aus den Augenwinkel sehe ich, dass er leicht lächelt.

Ok und ... ich hab da noch ne Frage.

Dann stell diese Frage und weih mich in deine Gedanken ein, antwortet er.

Ist es anders?

Du musst schon präzisier werden, Darling.

Mit einem Typen auszugehen, meine ich, und ihn eventuell ... zu küssen?, frage ich und bin wieder so nervös.

Allerdings glaube ich, dass er schon Erfahrung in solchen Dingen hat und mir da vielleicht helfen kann. Es wirkt zumindest so, als ob er mehr Erfahrungen gesammelt hat und ich hoffe, dass ich mich da jetzt nicht irre. Sonst wird das ganze jetzt sehr peinlich für mich.

Also das Treffen ist durchaus anders. Man umgeht beispielsweise solche unangenehmen Themen wie die Periode und andere weiblichen Probleme. Es kann gut sein, dass man gleich auf einer Wellenlänge schwimmt, aber genauso wahrscheinlich ist es, dass man sich überhaupt nicht versteht und erkennt, dass man nur oberflächlich zueinander passt. Es kommt auf die Gefühle an und die machen keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Und mit dem Küssen ... find's doch raus, antwortet er und wie aufs Stichwort klingelt es zum Stundenende.

Sofort flieht jeder aus dem Klassenraum, nur ich und Magnus lassen uns Zeit mit dem Einpacken. Während wir aus dem Klassenraum gehen, werde ich immer nervöser, aber ich will es wirklich ausprobieren.

Wenn es doch nichts wird, dann habe ich zumindest den ultimativen Beweis, dass ich hetero bin. So jedoch schwebe ich ungewiss in der Luft. Ich atme tief durch, bevor ich ihn am Handgelenk packe und hinter mir her ziehe.

Malec-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt