Große Leidenschaften sind wie Naturkräfte. Ob sie nutzen oder schaden, hängt nur von der Richtung ab, die sie nehmen.
- Ludwig Börne***
Anklagend erhob ich den Zeigefinger und deutete auf meinen Gegenüber. "Oikawa! Den ganzen Tag lenkst du mich schon ab. Kannst du bitte endlich damit aufhören?", wollte ich gepresst von meinem Freund wissen und verengte die Augen zu schmalen Schlitzen - "Ich hab noch so viele Schularbeiten zu erledigen und kann das bestimmt nicht gebrauchen!".
Er schaute mich zunächst verblüfft an, die Augenbrauen fast bis zum Haaransatz hochgezogen. Er schien zu überlegen was genau er sich hatte zu Schulden kommen lassen. Das konnte ich ihm gerne sagen! Da wäre zum einen seine bloße Anwesenheit. Er zog mich an wie eine Motte das Licht. Ich hätte ihn den ganzen Tag einfach nur beobachten können und war mir dennoch sicher, dass mir dabei nicht langweilig werden würde. Ganz im Gegenteil. Dann war da noch sein Geruch. Mir war seit jeher aufgefallen, dass Oikawa unvergleichlich roch. Neulich hatte ich erfahren, dass er ausschließlich Deo benutzte und auf Rasierwasser oder Parfum gänzlich verzichtete. Ich hatte ihm das erst nicht glauben wollen und gedacht, dass er mir einen Bären aufbinden wollte. Er hatte mir daraufhin seinen Badezimmerschrank gezeigt und ich hatte tatsächlich keine Produkte in dieser Richtung entdecken können. Das bedeutete im Umkehrschluss, dass es sein natürlicher Geruch war, dem ich mit Haut und Haaren verfallen war und von dem ich wohl niemald genug bekommen würde. Vielleicht sollten wir uns überlegen seinen Geruch in Flaschen abzufüllen. Ich war mir nahezu hundertprozentig sicher, dass die Parfümerien überrannt werden würden. Eau d’Oikawa. Hörte sich doch eigentlich gar nicht mal so schlecht an.
Ich verlor mich in meinen Tagträumen, bemerkte das boshaftes Grinsen auf den Lippen meines Freundes daher nicht. „Ach wirklich?", wollte er schließlich von mir wissen und riss mich somit aus meinen Träumereien. Seine Stimme war tief und rauchig geworden und jagte mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Mein Blick heftete sich an ihn und taxierte sein Gesicht genau. 'Scheiße!', schoss es mir durch den Kopf, als ich seinen Gesichtsausdruck bemerkte. Er sah aus wie ein Raubtier, dass die Witterung zu einer ganz besonders schmackhaften Beute aufgenommen hatte. Er hatte in den Jagdmodus geschaltet und ich war das dämliche Lamm, dass ihm auf den Leim gegangen war. Na ja. Eigentlich war ich an dieser Situation selbst Schuld. Ich hätte auch einfach meine Klappe halten können und die Zeit mit ihm genießen können. Aber nein… stattdessen schubste ich ihn mit dem Gesicht voran auf die Tatsache, dass er mich durcheinander brachte. Ich beobachtete, wie er seine Schultern straffte und sich, mit einem unheilvollen Glitzern in den Augen, an mich heranpirschte. Mein Herz begann zu beschleunigen und ich begann vor Nervosität zu schwitzen. Was hatte er vor?
"Äh...a-also I-ich... I-ich M-meine...", stotterte ich. Der Ärger über meine Blödheit begann in ungeahnte Dimensionen zu steigen, genauso wie die verräterischer Röte in meinem Gesicht. Wie schaffte er es nur immer wieder mich so aus dem Konzept zu bringen und meine Gehirnwindungen außer Gefecht zu setzen, wenn er doch, genau genommen, nur auf mich zulief? Ich wusste, dass ich ihn wie ein verängstigtes Reh im Scheinwerferlicht anstarrte und doch konnte ich mir eine weitere Unachtsamkeit meinerseits nicht leisten, sonst hätte ich verloren.
'Hast du das nicht sowieso schon?', wollte meine boshafte, innere Stimme von mir wissen. Zwischenzeitlich war er bei meinem Bett angekommen. Er ließ sich auf alle Viere nieder und begann langsam, fast schon in Zeitlupe, auf mich zu zu krabbeln. „Oikawa! Wag dich!“, rief ich gepresst aus und fing panisch an rücklings aus seiner Reichweite zu kriechen. Ich wagte es nicht meinen Freund aus den Augen zu lassen, er war ein Meister des Überraschungsangriffs und wenn er mich während eines solchen zu fassen bekäme, dann wäre es um mich geschehen. Deshalb bemerkte ich erst viel zu spät, dass meine Flucht durch eine Wand in meinem Rücken ein jähes Ende fand. Irritiert drehte ich mich zu dem Fluchtvereiteler um und strafte die Wand mit einem Todesblick. Ich hörte ein dunkles Glucksen, dass sich mir die Nackenhaare aufstellten und bereits im nächsten Moment bemerkte ich, wie seine Hand sachte meinen Fuß streifte. Sein Gewicht ließ schließlich die Matratze zu meinen Füßen einsinken. Mein Blick flog herum. Er war mir nun so nahe, dass ich den Hunger in seinen Augen deutlich erkennen konnten. Aufregung und Vorfreude erfassten mich zu gleichen Teilen. Es war nicht so, dass mir dieses Spiel zwischen uns nicht gefiel. Es gab nichts, was ich lieber getan hätte als ihn an Ort und Stelle zu mir heranzuziehen und ihn zu küssen. Doch wenn ich damit erst einmal angefangen hätte, wären meine Hausaufgaben Geschichte und ich würde morgen Gefahr laufen einen ordentlich Rüffel meines Lehrers um die Ohren geknallt zu bekommen. Unerledigte Hausaufgaben bedeuteten Ärger und ich wusste, dass Oikawa mich so dermaßen aus der Fassung bringen würde, dass ich im Anschluss zu nichts mehr in der Lage wäre. Am allerwenigsten dazu irgendwelche sinnlosen Gleichungen zu lösen. Also blieb mir für den Moment nur die Flucht. Gerade als ich abschätzen wollte, wie wahrscheinlich es wäre, dass eine Flucht zu meinem Bettende, und vorbei an Oikawa, gelingen konnte, erklang ein geschnurrtes "Vergiss es!". Er überbrückte die letzten Paar Zentimeter und positionierte sich genau über meinen Beinen, die Hände rechts und links neben meiner Hüfte abgestützt. Mission failed.
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Was die Liebe und das Leben so mit sich bringt
Short StoryEine kleine Oneshot- und Kurzgeschichten-Sammlung von und mit unseren Lieblingsvolleyballern. ☺️