Story

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Auf ewig allein. Das sind meine alltäglichen Gedanken. Sie sind da, wenn ich in der Schule sitze, wenn ich Zuhause bin. Ja, selbst wenn meine Freunde um mich sind. Seltsam oder? Der Unterricht ist so fordernd wie eins plus eins zu rechnen. Meinen Kopf auf meine Faust gelehnt, sitze ich, den Blick aus dem Fenster gerichtet, in meiner Klasse. Deutschunterricht. Ob ich nun aufpasse oder nicht, ist gehopst wie gesprungen. Als Schüler, der in fast jedem Fach eine eins hat, wirkt vieles einfach nur unterfordernd.

"Maik, wir wissen alle, dass du gut bist, dennoch wäre es äußerst freundlich, wenn du nicht träumen würdest!", spricht mich mein Deutschlehrer an. Allgemeines Kichern in der Klasse. Nervig. So nervig. Ich nicke stumm und richte meinen Blick zur Tafel. Mein Banknachbar schiebt einen kleinen Zettel zu mir. "Magst du heute mit Sarah, Lucy und mir mit zu den alten russischen Kasernen kommen?", liest mein gedankliche Stimme. Langsam heben sich meine beiden Augenbrauen. Mit meinem Füller schreibe ich ein "Dein Ernst!?", als Antwort. Ich habe mit meinen 18 Jahren noch nie sehr viele Freunde gehabt. Und genau das wollte ich auch nie. Sie würden eh wieder gehen müssen und ich wäre nach dem Hauch der Freundschaft wieder ganz alleine. In dem betreuten Wohnen, in welchem ich mich außerhalb der Schule befinde, distanziere ich mich genauso von allen Leuten.

Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Ein Gefühl der Freude breitet sich in meinem Inneren, doch ist sie getränkt mit dem bitteren Geschmack des Misstrauens. Es fiel mir schon immer sehr schwer, meinen Mitmenschen zu vertrauen. Seit dem Tag, an dem mein Vater ermordet worden ist und meine Mutter durch die Verletzungen in ein permanentes Koma gefallen ist, wächst dieses Misstrauen ins Unermessliche. Der Zettel wird zurückgeschoben. "Na klar! Du hast dich doch einmal beklagt, dass wir nichts mit dir unternehmen."

Wo er recht hat. Fabi hat oft Recht, was mich anbelangt. Der einzige, der weiß, wie es in mir aussieht. Er kennt mein Leben, doch nicht den Grund, warum ich eigentlich keine Freunde haben möchte.  Kennt meine Gespräche bei meiner Therapeutin. Er kennt meine inneren Ängste. Mit einem einzigen "Ok", nehme ich seine Einladung an. Er klopft mir auf die Schulter. Ich bin gespannt, wie sich der Besuch entwickeln wird, zumal auch genau das Mädchen mitkommt, für das ich bereits seit langem schwärme. Lucy. Und genau sie ist die erste, die mich in der Pause umarmt, als Fabi den beiden mitteilt, dass ich dabei bin. Sie riecht so gut. Wie jeden Tag. Ihr Duft betört mich. Berauscht meine Sinne. Muss aufpassen, dass ich mich nicht fallen lasse. Muss bei klarem Verstand bleiben. Ihre langen, schwarzen Haare  betonen ihr sehr helles Gesicht. Genau wie ihr dunkles Make up. Sie ist fast größer als ich und sehr ruhig vom Charakter. "Ich dachte schon, du willst ewig bei dir Zuhause versauern.", sagt Sarah lächelnd. Ihre zierliche Gestalt sieht neben der von Lucy echt amüsant aus. Braune Haare umspielen ihre helle Kleidung. Ihre hellen Augen mustern meine. Sie sind alle genauso alt wie ich. "Es passiert eben selten, dass man mich einlädt", gebe ich mit meiner üblichen ruhigen Stimme zurück.

Auch wenn es nicht so klingt, so freue ich mich sehr auf den heutigen Nachmittag. Der Arm von Fabi legt sich um meine Schulter. Er ist ein sportlicher Typ mit kurzen, bräunlichen Haaren und einem gleichfarbigen Bart. Er hat ein sehr offenes Auftreten, dass ihn bei den Mädels beliebt sein lässt. Neben ihm, wirke ich mit meiner introvertierten Art sehr kühl. Vermutlich der Grund, warum er auch die Mädchen abbekommt. Frustrierend. Auch, wenn ich Freundschaft niemals eine Chance  geben wollte, habe ich mit der Zeit immer weniger an die verhängnisvollen Worte gedacht, die mein weiteres Leben geprägt haben.

Doch von uns vieren bin ich die Person, die bisher vieles zusammengehalten hat. Bei Streit habe ich als einziger, der nicht im Zwist involviert war, geschlichtet. Kann vieles mit meiner distanzierten Art relativ gut und objektiv beurteilen Bei Angelegenheiten der Liebe innerhalb unserer Gruppe, habe ich Lösungen gegeben. All das, obwohl ich selber genug Probleme habe. Es ist schwer zu stehen, wenn die Psyche zertrümmert ist, doch habe ich den Willen dazu, weiterzumachen. Auch wenn es mir schwer fällt, mich in dieser Gruppe einzufinden. Der restliche Schultag verläuft genauso spannend, wie er bisher war. Mein Blick wechselt bis zum Ende der Zeit permanent zwischen der Uhr und Lucy.

Auf ewig allein (Creepypasta)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt