Menschen sind Gewohnheitstiere.
Wir krallen uns an das, was wir schon kennen und fletschen mit den Zähnen, wenn es zu Veränderungen kommt. Veränderungen sind scheiße, weil wir damit etwas umstellen und wir uns nicht vorstellen können, dass diese auch zur Gewohnheiten werden können.
Deswegen sind wir auch traurig, wenn etwas zu Ende geht. Das Ende des letzten Sommercamps, das Ende einer Freundschaft, Tod.
Wir gewöhnen uns an Situationen, ja. Aber wir gewöhnen uns auch an Menschen, die wir in unser Leben lassen. Auch eine Scheiß-Waschmaschine kann eine so große Bedeutung für dich haben, weil du dich an diese gewöhnt hast. Wir haben uns so sehr dran gewöhnt, dass wir uns ein Leben ohne diese Sachen, Menschen und Hobbys nicht mehr vorstellen können.
Und Wyatt war, in der kurzen Zeit in der wir zusammen gechillt haben, zu meiner Gewohnheit geworden.
Das wurde mir bewusst als ich am Freitag ganz automatisch ein bisschen länger in der Schule blieb um Wyatt auf dem Parkplatz zu treffen. Aber er wartete nicht auf mich. Er war schon gegangen.
Also lief ich allein nach Hause. Normalerweise wäre ich mit Sophia und den andern beiden nach Hause gelaufen, aber mein dummer Arsch musste natürlich vergessen, dass wir nicht verabredet gewesen waren. Scheiß-Gewohnheiten.
Mittlerweile war es wieder kälter geworden und der Sommer war fast endgültig zu Ende. Ich hasste diese Zeit zwischen den Jahreszeiten. Ich hasste, wenn man sich nicht sicher war, welche Jacke man brauchte, weil das Wetter verrückt spielte und immer wieder zwischen Herbst und Sommer oder Frühling und Winter wechselte. War es ein Tag warm, dann war es für den Rest der Woche kalt und wenn man seine dicken Jacken herausgeholt hat, kommt plötzlich wieder die Sonne raus.
Meine Jacke war überraschenderweise zu dünn für den Wind, der heute durch die Straßen von Hablern pfiff, doch ich zwang mich eine coole Miene zu bewahren und mich mehr auf die Musik, die aus meinen Kopfhörern drang und weniger auf meine zitternde Hände zu konzentrieren.
Eine coole Miene stellte sich aber als ein bisschen problematisch heraus, wenn die schwarzen Locken so durch den Wind zerzaust werden, dass man aussah, als hätte man einen Stromschlag bekommen und man einen ziemlich depressiven Pop-Song hörte.
Normalerweise hörte ich leichte Rock-Songs - nichts krasses oder ausgefallenes. Aber Wyatt hatte bei unseren letzten Treffen erwähnt, dass er viel Troye Sivan hörte.
Natürlich hatte ich schon von dem Typen gehört, er war schließlich der schwule Pop-Musiker unserer abgefuckten Generation. Doch seine Musik hatte ich mir bisher noch nicht angehört und ich muss sagen, dass ich sie nicht scheiße fand. Außerdem war der Sänger ziemlich heiß.
Aber das sind nur Scheiß-Ausreden, um zu rechtfertigen, dass ich sofort alle von Wyatts Lieblingssongs illegal heruntergeladen habe, um sie jetzt zu hören. Weil ich so verdammt verknallt war, dass ich hoffte sein eher schlechter Musikgeschmack würde mich irgendwie dazu bringen ihn weniger zu mögen, doch im Gegenteil: ich fand ihn jetzt nur noch süßer.
War natürlich fragwürdig, ob das überhaupt noch möglich war...
Der gefühlvolle Song wurde von einem Vibrieren unterbrochen. Ich hatte eine Nachricht bekommen. Die Schmetterlinge in meinem Bauch schalteten sich natürlich wieder ein, weil der einzige, der mir Nachrichten schrieb war Wyatt. Was für 'ne Überraschung. Nicht.
Oh Gott, kannst du Vollpfosten dich nicht einmal zusammenreißen, meldete sich die Stimme in meinem Kopf wieder. Und sie hatte Recht. Ich musste mich zusammenreißen. Vielleicht war es nur eine Nachricht, dass mein Guthaben alle war (wäre schon das zweite mal diesen Monat). Natalie wird Luftsprünge vor Freude machen. Nicht.
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Different Worlds | bxb
Romance„Kann man dir vielleicht helfen?", fragte ich und legte den Kopf schief. Ein Grinsen konnte ich mir auch nicht verkneifen. Er hob den Kopf noch ein wenig weiter. „Nein", meinte er giftig und blinzelte mich böse an. „Ich brauche keine Hilfe. Jedenfal...