▪︎Kapitel 11▪︎ Missverständnis

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PoV Mia
"Nein. Nein! Es ist nicht so wie du denkst... ich ich will nichts von ihm. Ich meine er ist mein bester Freund.", stritt ich ihre Aussage sofort energisch wieder ab. Ich wollte nicht, dass sie so von mir denkt. Aber nun tat sie es anscheinend, habe ich ja grandios hinbekommen.

"Ja, red dich ruhig raus. Selbst ein Blinder sieht, dass ihr etwas miteinander habt.", antwortete sie mir unbeeindruckt.
"Nein verdammt, ich stehe nicht auf ihn!", schrie ich sie halb an.
"Chill halt. Warum musst du gleich immer so ausrasten. Du kleine Dramaqueen.", entgegnete sie mir mit einem Grinsen im Gesicht und knuffte mir in die Seite.

Eigentlich wollte ich ihr jetzt beleidigt sein, bekam es aber nicht hin und gab schnell wieder damit auf.
Um die Stimmung zu lockern, zeigte sie auf Flynn, einen Jungen aus der letzten Reihe. "Also ich klär mir den.", fügte sie mit einem triumphierenden Blick hinzu.
Plötzlich fühlte ich ein leichtes Stechen in meinem Herz, als sie diese Worte aussprach. Warum zum Teufel interessierte mich das überhaupt?
Warum taten mir ihre Worte so unglaublich weh?

"Hey! Nicht einschlafen!", schnipste sie vor meinem Gesicht herum. "Jetzt lern mal vom Profi, wie man sich jemanden klärt.", fügte sie hinzu und stand auf. Schnurstraks ging sie ganz nach hinten ins Klassenzimmer und beugte sich über Flynns Tisch.
Zwar konnte ich nicht hören, was genau sie sagte, worüber ich auch irgendwie sehr froh war, aber ich sah ihn nicken und sein hönisches Lächeln aufsetzen.

Sie beendete das Gespräch und kam wieder an meinen Tisch. Er sah ihr die gesammte Zeit hinterher, drehte sich dann zu seinen Freunden und begann irgendetwas zu erzählen.
Aus der Ecke hörte ich nur ein :"Ein schöner Fang." und weitere mir unangenehme Worte.
Ich fühlte meine Gedanken wieder abschweifen und fühlte mein Herz in tausend Stücke zerspringen. Anscheinend hatte ich sie doch lieber, als ich geplant hatte.
Noch nie kam mir eine Freihstunde so unendlich schleppend und lang vor. Lag wahrscheinlich auch daran, dass mich Kyra mit Flynn vollquatschte und jedes Mal als sie seinen Namen erwähnte, mein Herz stach.
Verdammt, warum musste sie denn auch über ihn sprechen.

Endlich erlöste mich der Pausengong und ich flüchtete aus dem Klassenzimmer.
Ich spürte wie mir einige Tränen in die Augen stiegen. Aber ich durfte nicht weinen. Ich wollte vor ihr nicht so schwach und verletzlich wirken.
Also ging ich auf die Toilette, schloss mich in einer Kabiene ein und weinte. Die Tränen quollen nur so aus meinen Augen. Ja, ich bin schwach. Und obendrein auch noch sehr verletzlich.
Nachdem die Pause vorbei war, verließ ich meinen Rückzugsort, ohne einen Blick in den Spiegel zu wagen und setzte mich wortlos wieder auf meinen Stuhl zurück.

Da Kyra noch nicht da war, lehnte Benjamin sich zu mir rüber und fragte wo ich gewesen sei und warum ich so traurig war.
Ich konnte es ihm aber nicht beantworten. Selbst wenn ich ihm antworten wollte, wusste ich nicht wie ich es formulieren könnte oder was überhaupt gerade in meinem Kopf vor sich ging.
Warum spürte ich auf einmal diese zerfressende Eifersucht? Eigentlich sollte es mir doch sowas von egal sein, wen sie mochte oder warum sie diese Person mochte. Es ging mich doch nicht einmal etwas an.

Außerdem war ich mir eigentlich sicher, nicht homosexuell zu sein, beziehungsweise nicht einmal leichte Neigungen dazu zu haben. Ehrlich gesagt hatte ich aber auch noch nie ernsthaftes Intresse an einer Person, oder war gar in sie verliebt.
Vielleicht war es nur eine Phase und ich war irgednwie nur eifersüchtig auf Kyra, weil sie ständig etwas mit Typen hatte.

Nach der Schule verließ ich das Haus, ohne mich von meinen Freunden oder Kyra verabzuschieden. Schnurstraks ging ich nach Hause und sperrte mich in meinem Zimmer ein. Ich wollte gerade einfach nur allein sein, so tun, als ob ich überhaupt nicht mehr existieren würde.
Irgendwie war mir den gesammten Tag schon etwas schummrig, da ich seit gestern Abend nichts mehr gegessen hatte. Aber ich durfte jetzt nicht essen, ich würde sowieso nichts wollen.

Mein Hungergefühl hatte sich abgestellt, ich wusste nicht wie oder warum, aber ich empfand nur noch eine große Leere, die sich in meinem gesammten Körper breit machte.
Ich zog das gruselige Bild, welches ich gestern gezeichnet hatte wieder aus dem Müll, enknüllte und betrachtete es genauer.

Diesmal inspizierte ich das Bild nochmals etwas genauer. Ganz oben im Eck des Bildes war eine weitere Elfe, unverwundet, ohne blutige Arme. Sie leuchtete sehr hell und hielt mir ihre Hand hin.
Ich war überzeugt davon, Benjamin in ihr zu sehen. Doch im nächsten Moment zweifelte ich wieder daran.
War es nicht doch vielleicht Kyra?
Konnte sie mir vielleicht helfen?
Nein, ehrlich gesagt glaubte ich nicht wirklich daran und verwarf diesen Gedanken wieder.
Niemand konnte mir helfen. Niemand, wirklich keine einzige Person. Nur ich selbst. Ich könnte mich hier rausziehen, nach einer Leiter aus dem dunkelen Loch suchen.

Aber ich wollte nicht. Aus einem mir unbekannten Grund, wollte ich, dass es mir schlecht ging. Denn ich hatte es meiner Meinung nach nicht einmal verdient auf dieser Erde zu leben.
Im Großen und Ganzen war ich ein schlechter Mensch: Ich ließ meine Freunde hängen, nur weil jemand anderes etwas von mir verlangte, ich ließ meine Eltern in ihrer Streitsituation hängen und obendrein nervte es mich auch noch und das Schlimmste, ich verliebte mich Hals über Kopf in eine Person, die so viel besser als ich war: um einiges hübscher, klüger, ja überhaupt nicht mein Niveau.

Ja, unter dem Strich war ich wahrhaftig eine schlimme Person.
Undankbar, gehässig und eifersüchtig würde es wahrscheinlich am Besten treffen.
Hatte ich es eigentlich überhaupt noch irgendwie verdient zu leben? Wahrscheinlich eher nicht.
Mein Blick wanderte einmal wieder duch mein Zimmer und stoppte.
Auf meinem Schreibtisch.
Schleppend ging ich auf ihn zu und stellte mich vor den Korb mit meinen Stiften und einer Schere.

Ihre Klinge blitzte im leichten Sonnenlicht, welches durch mein Zimmer schien auf und das metall zog mich mehr oder weniger in seinen Bann. Ich hebte sie auf und spielte mit ihr in meinen Fingern. Sollte ich etwa?

When I fall apart || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt