The Love to water

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Ich sprang in den Pool und das nasse, kühle Wasser hieß mich willkommen. Ich liebte das Wasser und es liebte mich. Woher ich das wusste? Es hatte mir ein Geschenk gemacht. Das Geschenk es zu kontrollieren, zu verformen, über es zu bestimmen und in ihm zu atmen. Ich konnte es bändigen und eins mit ihm werden. Ich hatte das Geschenk vor ein paar Monaten bekommen. Tief getroffen und gebrochen war ich damals ins Meer gegangen und wollte alles vergessen. Die Welt, die Person, die mir das angetan hatte, meine Eltern, die es nicht bemerkten, dass ich gebrochen war, die Schule, in der ich von da an allein war, und mein Leid. Ich weiß nicht, wie genau es passiert ist, aber ich war plötzlich auf dem Grund, weit draußen im Meer gewesen und hatte ein Leuchten gesehen. Ich war darauf zugeschwommen hatte das Geschenk bekommen. Das Geschenk, das meinem Leben wieder einen Sinn und einen Grund gegeben hatte. Ich hatte schnell gelernt mit dem Geschenk umzugehen und es zu kontrollieren. Ich ging trotz meiner Gabe in die Schule und musste sie sehen. Die Person, der ich nicht böse sein konnte, die mir das Leid angetan hatte und der Grund dafür war, dass ich damals ins Meer gegangen war. Hella, meine ehemals beste Freundin und die Person, in die ich schon vom ersten Moment an verliebt war. Ich weiß nicht, wie es passieren konnte, aber unsere Freundschaft war zerbrochen. Nun war ich alleine, hatte nur noch das Wasser und es war für mich da. Trotz meiner Gabe und meiner äußerlichen Gefühlskälte und Ruhe, war ich immer noch zerbrochen und aufgewühlt. Ich wollte wieder mit ihr befreundet sein, wollte, dass sie mir eine zweite Chance gab, wollte ihr sogar meine Geheimnisse verraten. Ihr von meinem Geschenk des Wassers und von meinen Gefühlen erzählen, aber sie hatte mich verlassen. Das musste ich mir und wurde mir immer wieder klarmachen, wenn ich in der Schule war. Sie hatte mich für die Coolen liegen lassen. Das einzige, was mir bei meiner Trauer half, war das Wasser, das Schwimmen, das Kontrollieren und das Eins werden mit dem Wasser.
Ich tauchte auf und ließ meiner Hand knapp über dem Wasser schweben. Um meine Hand herum kamen kleine Wassersäulen hoch. Verbanden sich über meiner Hand und bildeten einen Käfig um meine Hand. Ich ließ das Wasser gefrieren und ließ kleine Wasserkugeln aus dem Poll emporsteigen. Diese erhitzte ich soweit es möglich war, ohne das sie verdampften. Ich ließ die Wassertropfen auf den Käfig um meine Hand fallen. Sie schmolzen das Eis und trafen auf meine Haut. Ich spürte eine angenehme Wärme. Wasser konnte mir nichts anhaben. Egal ob es total heiß, eiskalt oder eine normale Temperatur besaß. Egal ob es mich mit Gewalt runter drückte oder mich in einem Strudel gefangen hielt. Ich konnte in ihm atmen und ohne das Wasser fühlte ich mich nicht vollständig. Genauso wenig wie ohne Hella. Sie war meine einzige Vertraute gewesen. Sie hatte alles von mir gekannt und alles gewusst. Jeden noch so kleinen Fehler hatte sie gekannt und ich die ihren. Sie hatte gewusst, dass ich nicht auf Männer stand und das Einzige, das sie nicht gewusst hatte, war, dass ich in sie verliebt war. Ich hatte es ihr nicht sagen können, weil ich unsere wunderbare Freundschaft nicht hatte gefährden wollen.
Ich hörte, wie die Tür zuschlug und ließ das Wasser wieder in den Pool zurück. „Ich bin im Pool, Mama", rief ich, da ich wusste, dass meine Mutter zurück war. Sie kam zu mir und sah mich an. Sie wollte mir etwas sagen, wovon sie der Meinung war, dass es mir gefallen würde, es mir aber nicht gefallen würde. „Schatz, ich habe super Neuigkeiten. Du wirst morgen mir Hella und Damien auf eine Bootstour gehen. Ihr werdet für einen Monat auf dem Meer fahren. Ist das nicht super? Dann muss ich mir keine Sorgen mehr machen, dass du alleine bist, weil dein Vater und ich auf einer Dienstreise sind." Ja genau. Es war super. Damien war ein Freund von mir und Hella gewesen, als wir noch befreundet gewesen waren. Jetzt hatte er mich wie Hella alleine gelassen. Die Bootstour klang cool, aber die Begleitung nicht. Heute war der letzte Schultag gewesen und meine Mutter und mein Vater würden heute Nacht zusammen auf eine Dienstreise gehen. Ich fragte mich, wieso sie ein siebzehn Jahre altes Mädchen nicht einen Monat alleine lassen konnten. Ich nickte nur und tauchte wieder unter. Ich hörte, wie meine Mutter sich vom Pool entfernte und blieb deshalb noch weiter unter Wasser. Ich hatte schon immer lange die Luft anhalten können, aber das brauchte ich jetzt nicht mehr. Ich ließ im Wasser um mich herum Strudeln entstehen. Ich weiß, es war riskant, weil meine Mutter zu Hause war, aber den Pool konnte man nur aus dem Fenster in meinem Zimmer sehen und meine Mutter hatte ein klares Zimmerverbot von mir bekommen. Schon vor Jahren.
Nach einer Weile stieg ich aus dem Pool und ging rein. In meinem Zimmer zog ich das Wasser aus meinem nassen Badeanzug und bildete eine Kugel. Ich versuchte das Chlor und alles andere, was schädlich für Menschen war, abzusondern, aber es klappte nicht. Ich versuchte es jedes Mal, aber es war schwierig, weil es nichts mit Wasser zu tun hatte. Ich konnte spüren, dass es da war, weil ich es nicht kontrollieren konnte. Zumindest nicht einzeln, im Gesamten schon. Entnervt ließ ich das Wasser in ein Glas sinken und setzte mich auf mein schwarzes Doppelbett. Die Wände hatten ein schwarz weißes Muster und das einzige, das an ihnen hing, waren Regalbretter, auf denen Bücher und Pokale von Schwimmwettbewerben, an denen Hella und ich teilgenommen hatten, standen. Gegenüber von der Tür war ein großes Fenster,durch welches man auf den Pool blicken konnte und vor dem ein Schreibtisch stand, und neben ihm stand ein schwarzer Kleiderschrank. Neben den Regalbrettern war eine Tür, die in ein kleines Badezimmer mit Dusche, Toilette und Waschbecken führte. Das Bad war in Weiß gehalten, also das Gegenstück zu meinem Zimmer. Mein Zimmer war im Vergleich zu den anderen in unserem Haus ziemlich klein, aber es war im Vergleich zu den Zimmern von anderen in meinem Alter riesig. Meine Eltern waren Chefs ihrer eigenen Firma und deshalb waren wir ziemlich reich. Das einzige, was ich daran mochte reich zu sein, war es einen eigenen Pool und eine eigene Bibliothek zu haben. Ich liebte Bücher und Wasser.
Ich starrte an die die schwarze Decke von meinem Zimmer und dachte an morgen. Meine Mutter hatte mir noch, bevor ich in mein Zimmer gegangen war, gesagt, dass ich morgen um elf Uhr am Hafen sein sollte. Damien konnte und durfte das Boot fahren, weshalb wir nur zu dritt waren. Es war ein großes Schiff, auf dem es sogar einen Pool, eine Bar und einen kleinen Garten am Deck geben sollte. Das würde ja interessant werden. Aber vielleicht konnte ich mich mit Hella vertragen. Sie hatte mich in den letzten Monaten ignoriert, aber das sollte auf einem Schiff schwierig werden. Und selbst wenn alles schiefging, hatte ich immer noch das Meer. Egal wie wohl ich mich in einem Pool fühlte, das Meer fühlte sich wie die Heimat an.
Mit einem Seufzer stand ich auf und machte mich daran meine Tasche zu packen. Da ich erst gerade eben von der Kreuzfahrt mitbekomme hatte, hatte ich logischerweise noch nichts gepackt. Ich schmiss kurze Hose, ich hasste Röcke und Kleider, T-Shirts, Badeanzüge, Unterwäsche, Bücher und die Sachen, die man sonst noch so braucht, in eine Tasche aus Leinenstoff. Ich war um zehn Uhr abends fertig und legte mich erschöpft in mein Bett. Wer hatte gedacht, dass es so anstrengend ist eine Tasche für einen Monat zu packen. Ich hatte zwei von den Taschen aus dem Leinenstoff voll gepackt. Ich brauchte nicht so viele Klamotten, weil wir auf dem Schiff eine Waschmaschine hatte. Der Großteil meiner Sachen bestand aus Badeanzügen und Büchern. Genau genommen brauchte ich gar keine Badeanzüge, weil ich das Wasser so beeinflussen konnte, dass es alles verdeckte, aber ich schwamm doch lieber mit Badeanzug. Außerdem wollte ich nicht unbedingt, dass die beiden von meinem kleinem Geheimnis erfuhren. Obwohl das wahrscheinlich nicht ganz einfach werden würde.
Am nächsten Morgen stand ich um kurz vor halb elf vor meinem Spiegel und musterte mich kritisch. Meine schwarzen Haare legten sich in Wellen über meine Schultern und betonten meine tief dunkelblauen Augen, die mich immer an das Meer erinnerten, und meine natürlichen dunkelroten Lippen. Ich hatte helle Haut, obwohl ich täglich draußen schwamm, und fand mich persönlich eigentlich ganz hübsch. Ich trug ein kurzes, leichtes und ebenso dunkelblaues T-Shirt wie meine Augen und eine schwarze Hose. Das T-Shirt ließ meine Augen noch mehr wie das tiefe und dunkle Meer erscheinen. Ich nickte mir kurz aufmunternd im Spiegel zu und verließ mit meinen beiden Taschen das Haus. Ich lief zu Fuß zum Hafen, da meine Eltern nicht mehr da waren und ich keine Lust hatte mit Gepäck Fahrrad zu fahren.
Am Hafen angekommen sah ich schon Damien und Hella. Mein Blick blieb sofort auf ihr haften und mein Herz schmerzte. Sie trug ein helles Kleid, das ihre Augen betonte. Ihre Augen waren in gewisser Weise das Gegenstück zu meinen. Ihre sahen so aus, wie das Meer wenn es klar und türkis war. Meine waren dunkel und zeigten das tiefe und kalte Meer und ihre zeigten das warme, seichte und helle Meer an der Küste eines Pazifikstrandes. Damien räusperte sich und sagte: „Ich störe euch ja echt ungern in eurer Musterung und eurem Wiedersehen, aber wir müssen los." „Ja klar. Sorry", sagte ich leise und drehte mich zu Damien um. Er war auch ziemlich hübsch, aber ich stand nun mal nicht auf Männer. Er ging auf eine riesige Jacht zu und ich folgte ihm staunend. War ja klar gewesen, dass es so ein Schiff sein würde. Bei meinen Eltern.
Ich verschloss mein Gesicht hinter einer emotionslosen Maske, aber ich konnte mir einen sehnsüchtigen Blick auf das Meer nicht verkneifen. Ich sah zu Hella und sah, dass sie das Meer auch sehnsüchtig anblickte. „Es ist wunderschön oder, Leila?", fragte sie mit ihrer leisen und klaren Stimme. „Ja, es ist wunderschön, aber ich finde es weiter draußen schöner. Vor allem wenn man schwimmt." Das stimmte. Wenn man draußen im tiefen und dunklen Meer schwamm war es wunderschön, aber wenn man tauchte und meine Gabe hatte, war es umwerfend. Ich konnte Unterwasser alles sehen und es war umwerfend. Ich war erst einmal weiter draußen schwimmen gewesen und das auch nur, weil ich für ein Wochenende allein gewesen war. Ich war vom Strand aus gestartet und war für die zwei Tage die ganze Zeit auf dem Meer gewesen. Ich hatte mich von Fischen und Algen ernährt, war mit Delfinen geschwommen und hatte ihre Sprache gelernt. Ich liebte Delfine und es war ein weiteres Geschenk des Meeres gewesen. Ich hatte sie verstehen können. Das Sprechen hatte ich mir selbst beigebracht, aber das war einfach gewesen, weil ich die Sprache ja schon verstand. Vielleicht ergab sich ja die Möglichkeit, dass ich mit Delfinen schwimmen könnte. Ich hatte noch keinen anderen mit meiner Gabe gefunden, aber ich war mir sicher, dass es noch andere gab.

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