Das Spiel des Lebens ist ein Spiel voller Bumerange. Unsere Gedanken, Handlungen und Worte kehren früher oder später mit erstaunlicher Zielgenauigkeit zu uns zurück.
– Florence Scovel Shinn***
Ich stand schwer atmend in dem nahe gelegenen Park meines Zuhauses. Seit nun mehr einer Stunde versuchte ich meine Annahmen mit Hilfe einer Backsteinmauer zu üben. Es war eine reine Katastrophe. Dadurch dass ich gezwungen war, mir selbst den Ball anzuspielen, hatte ich keine große Möglichkeit Variation in meine Annahmen zu bekommen. Natürlich konnte ich die Höhe und die Schnelligkeit des Balles anpassen, aber das war nicht unbedingt das was ich wollte. Eigentlich hatte ich vor gehabt meine Reflexe zu trainieren, das war ohne einen Partner allerdings so gut wie unmöglich.
Frustriert fing ich den Ball auf und rieb mir mit dem Handrücken über die Stirn. Wenn ich einen Stammplatz in der Mädchenmannschaft meiner neuen Schule bekommen wollte, dann musste ich mich verbessern. Denn nur mit einer überragenden Leistung konnte ich meine Größe von 1,55 m ansatzweise ausgleichen. Meine Unterarme und meine rechte Hand brannten wie Feuer durch das durchgängige Angreifen und Baggern, doch ich dachte gar nicht daran aufzuhören.
"Auf ein Neues!", rief ich, warf den Ball in die Luft und schmetterte ihn so fest ich konnte gegen die Backsteinmauer vor mir. Scheinbar musste ich meine Hand bei dem Aufschlag ein wenig verdreht haben, denn der Ball hatte einen ordentlichen Rechtsdrall bekommen. Ich hechtete los, um ihn zu bekommen. Das war es gewesen, was ich mit dem heutigen Training hatte bezwecken wollte. Ich wollte raus aus der Komfortzone, mich mehr als zwei Schritte bewegen. Ich folgte der Flugbahn des Balles mit meinem Blick. Erfreut stellte ich fest, dass ich ihn so unmöglich bekommen konnte. Meine einzige Möglichkeit war eine gehechtete Annahme. Ich tat noch zwei weitere Schritte und stieß mich dann mit dem rechten Bein ab. Meine Arme vor mich gestreckt. Doch kurz bevor ich den Ball auch nur ansatzweise berühren konnte, tauchte direkt vor meiner Nase ein Junge auf (wo war der denn jetzt so schnell hergekommen?) und nahm meinen Ball an. Ich bedachte ihn mit einem wütenden Blick. Wie konnte er es wagen? Endlich hatte ich es geschafft den Ball so zu schlagen, dass mich seine Annahme forderte und dann kam dieser Kerl daher wie der geölte Blitz höchstpersönlich und schnappte mir meinen Ball vor der Nase weg. Das war doch nicht zu fassen?
Als ich schließlich realisierte, dass er genau in meiner Flugbahn stand, hatte ich gerade noch Zeit meine Arme anzuwinkeln und einen schrillen Schrei auszustoßen. Dann knallte ich auch schon seitlich in ihn rein und riss ihn mit mir zu Boden. Wir purzelten in einem Durcheinander aus Armen und Beinen durcheinander und kamen schließlich zum Liegen. Stöhnend rappelte ich mich auf und funkelte den Balldieb an. "Hast du sie noch alle?", fauchte ich wütend und blickte auf ihn hinab. Er rieb sich stöhnend den Kopf, sein Gesicht schmerzverzerrt.
"Sorry.", gab er entschuldigend zurück – "Wenn sich so eine Gelegenheit ergibt, kann ich einfach nicht an mich halten.". Er öffnete die Augen und grinste mich schief an. Holla die Waldfee. Seine Augen ich konnte mich nicht erinnern jemals solche Augen gesehen zu haben. Sie waren hellbraun, was alleine sie noch nicht zu etwas besonderem machten, die goldenen Sprenkel und der dunkelbraune Rand um seine Iris herum dagegen schon. Sie schienen wie Sterne zu funkeln. Stopp. Was für einen gequirlten Mist gab ich da von mir? Wie Sterne funkeln? Ich hatte das Gefühl mich jeden Moment übergeben zu müssen, als sich meine innere Stimme überschlagend dazwischen schaltete: Hallo? Erde an Chiyo? Er hatte dir deinen Ball vorsätzlich weggeschnappt. Mach ihn endlich zur Minna! "Ich hätte mir den Hals brechen können, du Idiot!", fuhr ich ihn an, das Gesicht wütend verzogen – "Und: Du hast meinen Ball geklaut!".
Ein amüsiertes Glitzern trat in seine Augen. Sein Blick glitt über mein Gesicht und meinen Oberkörper hinab. "Hmm... Erstens bin ich kein Idiot, zweitens habe ich dir den Ball nicht geklaut und drittens warst du diejenige, die mich angesprungen hat.", erläuterte er und versuchte sich auf die Ellenbogen zu stemmen. Bestimmt drückte ich ihn wieder hinunter und piekte ihm meinen Zeigefinger gegen die Brust, die sich ziemlich muskulös anfühlte."Also nicht, dass es mich sonderlich stören würde ein hübsches Mädchen auf mir sitzen zu haben." – er zwinkerte mir zu, sein Grinsen war noch ein Stück breiter geworden – "aber, könntest du mich eventuell aufstehen lassen? Ich glaube da bohrt sich gerade ein Stein in mein Rückgrat und das tut verdammt weh.", bat er. Die Worte die mir eben noch auf der Zunge gelegen hatten, verpufften mit einem Mal, als seine Worte zu mir durchgedrungen waren und mir bewusst wurde in welcher Position ich mich gerade befand. Ich saß halb auf diesem fremden Jungen und hielt ihn vornüber gebeugt davon ab aufzustehen. Als hätte ich mich verbrannt, riss ich die Hände von seiner Brust und taumelte rückwärts von ihm herunter. Meine Wangen brannten und mir war die ganze Situation extrem unangenehm. Der Zorn der eben noch in mir getobt hatte, war mit einem Mal verpufft und hatte sich klammheimlich verzogen. Mit einem leisen Stöhnen setzte der Junge sich auf, den Blick nach wie vor auf mir ruhend.
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Was die Liebe und das Leben so mit sich bringt
Short StoryEine kleine Oneshot- und Kurzgeschichten-Sammlung von und mit unseren Lieblingsvolleyballern. ☺️