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Heute wird ein guter Tag.

Du bist in Madrid.

Du lebst hier und du hast dir ein eigenes Leben aufbauen können.

Frei von den Dämonen.

Nichts, aber auch gar nichts, kann dich jemals aus der Fassung bringen.

Dich, oder deinen Plan stürzen.

Der Plan eines friedlichen Lebens.

Mit diesen mich selbst beruhigenden Worten öffnete ich meine Augen, sanft geweckt von der strahlenden Sonne, die geradewegs in mein Zimmer schien.

Einige Sekunden lag ich da, legte die Arme stützend unter dem Kopf und genoss die Ruhe. Auch die Autos waren draußen schon fleißig am hupen.

Ob hässlich oder nicht, Madrid ist mir in jedem Falle lieber als -

Mein Handy klingelte. Ich reckte mich zum Nachttisch und schaute drauf.

Privat.

Vater hatte oft versucht an mich ran zu kommen, aber keine Chance.

Ich entschied nur dann einen Kontakt zu ihm zu führen, wenn einzig und allein ich den Zeitpunkt auswähle. Er hatte mir schon immer gesagt, dass ich eine Bestimmerin war. In Momenten wie diesen wurde mir bewusst, wie sehr er recht behalten hatte.

Aber ich wollte nie eine Bestimmerin sein.

Die Vergangenheit – El Pasado

„Padre [ital.: Vater]? Du hast nach mir gefragt?"

Ich ging durch die Tür und fand mich in diesem Zimmer vor. Das Zimmer, das ich als Kind immer nur von weitem zu Gesicht bekam. Zu seiner Zeit bewunderte ich es.

Aber Bewunderung war schon lange fehl am Platz.

Ich verabscheute es.

Das dunkle Holz separierte diesen Raum von allen anderen hellen Räumen unseres Zuhauses. Oder unseres Palastes, wie ich es als Kind immer nannte.

„Setz dich", sprach er kalt.

Mein Vater war nicht immer so gehässig. Er hatte eine beachtenswerte Ausstrahlung, sodass jeder im Raum verstummte, wenn er ihn betrat. Auf dem ersten Blick wusste man, dass dieser Mann kein gewöhnlicher Mann war.

Doch die Dinge waren schon lange nicht mehr wie früher.

Ich ließ mich am anderen Ende des langlaufenden Tisches nieder, während ein Dienstmädchen ihm seinen leeren Teller abnahm.

„Hast du Hunger?"

Ich antwortete nicht. Er rief mich nie einfach grundlos, also musste ihn schon etwas plagen. Und doch war es immer nur dasselbe Thema. Ungeduldig tappte ich mit dem Fuß. Wie sehr ich das Gespräch hasste. Wie sehr ich seine Anwesenheit hasste. Wie sehr ich begann, diesen Ort zu hassen.

„Was muss ich tun, um dich umzustimmen, mia figlia [ital.: meine Tochter] ?"

„Man kann mich nicht umstimmen."

„Aber dir ist bewusst, dass du das tun musst?"

„Ich tue hier gar nichts!", zischte ich wutgeladen, „Ich würde alle verraten! Meinen Bruder, padre bitte! Das wird er mir nie verzeihen!"

„Zügel deine Zunge, Valencia. Hast du vergessen, wer du bist?"

„Nein", ich senkte den Kopf und bohrte meine Nägel in den ledrigen Sitz unter meinen Schenkeln. Ich versuchte meine Tränen, die sich anzusammeln drohten, mit allen Mitteln zurück zu halten.

R O M E R O {Riccardo Mancini} [ABGESCHLOSSEN] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt