Die Ställe waren ebenfalls zerstört worden und qualmten weiterhin. Gerade als er sich den Weg durch den Wald zu Fuß aufmachen wollte, sah er an dessen Rand einen schneeweißen Elch aus dem Unterholz hervortreten. Alvar verlangsamte erst seinen Schritt und blieb schließlich doch stehen. Der Elch verweilte kurz am Waldrand, aber dann kam er auf ihn zu! Elche hier in der Gegend zu sehen, war wahrlich nichts ungewöhnliches, wohingegen er noch nie ein so prächtiges schneeweißes Exemplar gesehen hatte. Mit seinem majestätischen Geweih überragte er ihn mit ungefähr zwei Metern und Alvar kam erst gar nicht der Gedanke wegzulaufen, da er sowieso hoffnungslos unterlegen gewesen wäre. Er versuchte möglichst ruhig zu atmen und gelassen zu bleiben, angesichts des wirklich respekteinflößenden Königs, der hiesigen Wälder.
Der Elch kam immer weiter auf ihn zu und Alvars Gedanken wanderten schon zu dem Schwert auf seinem Rücken, als er schließlich eine Armlänge von ihm entfernt zum Stehen kam. Sie schauten sich beide in die Augen und Alvar wäre schon fast vor dem etwas zu intelligenten Schimmer in den Augen des Prachttieres zurückgewichen, als dieses den Kopf senkte und seine Schnauze an sein Gesicht drückte. Alvar hob einen Arm und strich behutsam über die Schnauze. Der Elch ließ es geduldig über sich ergehen, bis es ihm dann doch etwas zu viel wurde und er ihm, durch die Nüstern, warme Luft auf die Haare pustete.
Jegliche Zweifel, dass dies kein gewöhnliches Tier war, lösten sich in dem Moment in Luft auf, als sich der Elch vor ihm auf den Boden legte und mit einem Kopfrucken zu sagen schien: Du darfst dich auf meinen Rücken setzen. Immer noch etwas misstrauisch, was das Ganze sollte, kam er der Aufforderung nach. Er bereute es schon in der Sekunde, als der Elch sich erhob und er fast heruntergefallen wäre. Ganz darauf konzentriert, auf dem Rücken des Elches sitzen zu bleiben, bemerkte er erst nicht, dass sie nicht in Richtung Wald, sondern in Richtung der ungefähr 3 Kilometer entfernten Klippen, gingen.
Er sagte sich, dass es äußerst unklug wäre, die Entscheidungen eines, womöglich magischen Elches in Frage zu stellen und das kleine Kind in ihm, hätte den Ritt unter anderen Umständen womöglich sogar genossen, deshalb überließ er dem Elch die Führung.
Da es der Elch anscheinend nicht besonders eilig hatte, dauerte es eine Weile, bis sie die Klippen erreichten. Als das Tier aber mit nahendem Klippenende immer noch nicht stehen blieb, überdachte Alvar seinen Vertrauensvorschuss noch einmal, doch dann bogen sie scharf links ab und trotteten einen unscheinbaren Pfad zwischen den Büschen, zum Strand hinunter. Anmutig kniete sich der weiße Riese im Sand nieder, was Alvar dazu veranlasste, von seinem Rücken zu steigen. "Warum hast du mich nur hierher gebracht?", murmelte Alvar, während er den Elch zum Dank kraulte. Er bekam nur einen sarkastischen Blick zur Antwort, der zu sagen schien: "Ich hab dich hierher getragen und dann willst du auch noch wissen, warum? Wenn du selbst nicht drauf kommst, hättest du es vielleicht doch eher verdient, zertrampelt zu werden."
Alvar richtete sich auf und ließ seinen Blick über die Küstenlinie schweifen. Das Wetter war genauso trüb, wie seine Stimmung und der Nebel würde schon bald den ganzen Strand einhüllen. Zu seiner Rechten ragten majestätisch die Klippen auf und die Geräusche des Meeres, beruhigten das Chaos in seinem Inneren ein bisschen. Da er aber bezweifelte, dass der Elch ein Hobbypsychologe war, ließ er den Blick noch einmal über den Strand gleiten. Und tatsächlich, da! Ein silbernes Aufblitzen neben einer der Büsche!
Er warf dem Elch einen Blick zu und da dieser ihn nach dem Motto "schön, dass du das offensichtliche erkannt hast" anblickte, lief er auf das glänzende Etwas zu. Im Näherkommen erkannte er, dass es ein Schwert war. Auf der Klinge war eine Inschrift zu sehen, was per se nichts Ungewöhnliches war, doch sie war in keiner Sprache geschrieben, die er kannte. Das Schwert war fast so groß wie er, aber als er versuchte, es am Griff anzuheben schrumpfte es auf normale Maße. Nach dem Draupnir Ring und einer flirtenden Regenbogenbrücke, überraschte ihn das nicht sonderlich, weshalb er es einfach zu dem anderen Schwert auf seinen Rücken schnallte. Der König des Waldes hatte sich wieder auf dem Boden niedergelassen und Alvar nahm lieber die Beine in die Hand, um wieder auf seinen Rücken zu klettern, bevor seine Eskorte es sich anders überlegte.
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Stjoren - Grauen im ewigen Eis
FantasiaDie Stjoren - die zwölf Hohepriester - lenken und leiten, mit Hilfe der Götter, denen sie ihr Leben gewidmet haben, ihr Volk. Alvar ist einer von ihnen und doch ist er anders. Das Volk verehrt und fürchtet ihn gleichermaßen. Hinter vorgehaltener Han...