Lucy Fairchild

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Normalität.

Was bedeutete dieses Wort überhaupt? Lucys Meinung nach, kam es ganz darauf an wen man fragte. Für manche war es normal routiniert zu leben. Sie gingen morgens zur Arbeit, kamen nachmittags nach hause und kümmerten sich um ihre Familie und brachen vielleicht ein paar wenige Male im Jahr aus ihrer Routine heraus. Für manche war es normal den ganzen Tag zu zocken, sich zwischendurch mit seinen Freunden zu treffen und irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Für manche war es normal zur Schule zu gehen, Hausaufgaben zu machen und sich strickt an die Regeln zu halten. Für Lucy war es normal, zwei Identitäten zu haben, zwei Leben, wenn man so wollte. Für sie war es normal in der Öffentlichkeit die perfekte Schülerin zu sein, mit perfekten Noten und dem perfekten Benehmen. Andererseits war es für sie normal, dass sich ihre blauen Augen rot und ihre braunen Haare in sekundenschnelle schwarz färbten, genau wie ihre Haut. Auch ihre Haut wurde rot, allerdings war dieses dunkler als das rot ihrer Augen. Für sie war es normal, dass, mit der Veränderung ihrer Haut, ihrer Haare und ihrer Augen, sie nun auch größer wurde, ihr lange, spitze, schwarze Hörner aus dem Kopf und ein langer, dünner Schwanz mit gezackter Spitze aus dem Steiß wuchsen. Normalität lag im Auge des Betrachters, davon war Lucy überzeugt. Wie war sie noch gleich auf das Thema gekommen? Eine Hand, die vor ihrem Gesicht herumwedelte holte sie zurück in das Hier und jetzt.

„Hallo, Lucy, bist du noch da? Bitte, ich brauche deine Hilfe, sonst schaffe ich diesen Aufsatz nicht!", flehte Bethany.

Ach ja, richtig. Sie saß im Zimmer ihrer besten Freundin und musste der 16-jährigen Blondine helfen einen Aufsatz über 500 Wörter über das Thema „normal" zu schreiben.

„Ich verstehe wirklich nicht was dein Problem ist, Beth. Abgesehen davon habe ich keine Ahnung wie ich dir helfen soll."

„Du hast leicht reden, Miss Einser-Durchschnitt. Ich bin nicht so wortgewandt wie du. Außerdem habe ICH keine Ahnung was die hier von mir wollen. Normal ist normal. Basta."

Lucy stöhnte genervt auf und ließ sich aus dem Schneidersitz heraus auf das Bett fallen, auf dem sie saß. Sie befanden sich in Bethanys Zimmer, da diese ihre Freundin zu sich eingeladen hatte. Fast wünschte sie sich sie wäre nicht gekommen. Aber auch nur fast. Normalerweise war Beth nicht so beschränkt. Normal war nicht einfach nur normal, wie sie gerade eindeutig festgestellt hatte. Einerseits ärgerte sie sich, dass sie ihre Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte, andererseits war sie froh darüber, sonst hätte die Jüngere möglicherweise noch herausgefunden, dass ein Dämon ihr gerade bei den Hausaufgaben half.

„Für jeden ist normal allerdings etwas anderes. Das normal für die Leute in Afrika ist zum Beispiel ein anderes normal als dein normal."

„Ich versteh nur Bahnhof."

„Herr im Himmel! Ich mache in einer Woche meinen Abschluss und du nervst mich hier wegen Hausaufgaben! Musst du mich wirklich so quälen?!"

„Ich verstehe es einfach nicht! Hilf mir, bitte!"

Lucy verdrehte die Augen, setzte sich auf, nahm Bethany Stift und Papier aus der Hand und fing an zu schreiben. Sie schrieb alle ihre Gedanken auf, die ihr auch schon vorher durch den Kopf gegeistert waren, ließ den dämonischen Teil dabei allerdings außen vor. Beth setzte sich derweil zu ihr aufs Bett und sah Lucy über die Schulter um mitzulesen. 10 Minuten später setzte Lucy den letzten Punkt und gab ihrer Freundin Zettel und Stift zurück. Die Blondine überflog alles nochmal und runzelte die Stirn.

„Das wird sie mir nicht abkaufen."

„Wieso nicht? Es ist deine Meinung, die kann sie dir nicht schlecht reden."

„Es ist nicht MEINE Meinung, es ist DEINE Meinung."

„Du kannst doch gut schauspielern, verkauf es einfach als deine. Schreibe es am besten ein wenig um, damit es auch nach dir klingt."

American DevilsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt