Es war auch nicht der große Rucksack, den er trug, sondern es waren seine Klamotten. Sie sahen abgewetzt und dreckig aus, als ob man diese schon seit Ewigkeiten tragen und in ihnen irgendwo im Freien schlafen würde. Genaueres konnte ich nicht erkennen, denn dann war er schon bei mir vorbeigefahren. Ich schaute ihm noch nachdenklich nach und fragte mich, ob es diesem Mann gut geht.Etwas abgelenkt von meiner Freude machten meine Beine die ersten Schritte zum Eingang des Ladens. Ich wusste genau was ich kaufen wollte, doch dieser Mann lies mich einfach nicht in Ruhe.
Warum trug er so abgefackte Klamotten? In meiner kleinen Stadt hab ich noch nie so Jemanden gesehen. Wo kommt er her? Was macht er hier? Wo schläft er?
Tausend Fragen schossen mir in den Kopf! Doch am meisten bedrängte mich die aller letzte:
War er ein Obdachloser?
Das war nämlich nicht normal für Cornwall. Hier gab es keine Obdachlosen. Und dieser Mann sah auch noch ziemlich jung aus, als habe er sein ganzes Leben noch vor sich. Die Stadt an sich war auch so klein, dass sich hier noch niemals einer her verirrt hatte. Außerdem hätte man bei den wenigen Menschen, die durch die Straßen irren, kaum eine Überlebenschance, wenn man betteln würden.
Was tut der also hier???
Ich versuchte diese besorgten Fragen aus meinen Kopf zu schieben. Doch noch immer in Gedanken trugen mich meine Beine zu den Regalen voll mit den besten Flaschen der Welt. Ja genau... Wein! Ich erinnerte mich warum ich eigentlich bis gerade noch so glücklich war und schon huschte das mir heute schon vertraute breite Grinsen aufs Gesicht. Voller Vorfreude, diesen herrlichen Traubensaft gleich mit meiner besten Freundin genießen zu können, griff ich nach meiner Lieblings-Rebsorte: Riesling. Ich entschied mich für einen halbtrockenen etwas Teureren. Der rutscht nämlich leichter runter. Aber natürlich musste man Wein genießen, sonst wäre es schade um den guten Wein.
***
Schwungvoll lies ich die Autotür zufallen, nachdem ich voller Vorfreude nach meiner wundervollen Flasche gegriffen hatte. Wenig später drückte ich den mir schon sehr bekannten Knopf der Klinge von der Wohnung meiner Freundin. Manchmal kommt es mir so vor als würde ich mich mehr bei ihr als bei mir zu Hause aufhalten. Ich wohne noch bei meinen Eltern, habe aber im oberen Stock so ziemlich mein eigenes Reich. Darüber bin ich auch sehr froh, weil sonst würd ich es dort nicht mehr aushalten. Meine Eltern sind okay, aber mit 23 will man auch mal sein eigenes Leben starten.
„Lia bist du's?" eine metallische Stimme erklang aus dem Apparat der Klingel neben mir.
„Jaha, ich bin daaa!"
Und schon hörte ich das Klick der Tür, das mir den Eintritt gewährte.
Im Zweiten Stock angekommen, stand Aly schon aufgeregt wartend im Treppenhaus.
„Und wie war's?"
Ich hatte ihr noch nicht gesagt, dass ich in der engeren Auswahl bin. Ich wollte die Spannung halten und sie mit dem Wein überraschen.
Und so zog ich das Prachtstück aus meiner Tasche und grinste.
„Ein Wein, du hast einen Wein mitgebracht. Moment mal... Bedeutet das..."
Ich sah förmlich wie es in ihrem Hirn ratterte.
„Willst du etwa mit mir feiern???", schrie sie plötzlich mit hoher Stimme aus dem Nichts.
Ich konnte nicht mehr als noch breiter zu grinsen.
„Verarschst du mich oder hast du tatsächlich die Rolle bekommen???"
Noch immer total ungläubig sah sie mich mit großen Augen an.
„Moment, Moment, Moment.", holte ich sie nun auf den Boden der Tatsachen zurück, weil so ganz stimmte das jetzt nicht mehr.
„Ich hab die Rolle NOCH nicht.", fügte ich nun noch eine kurze Erklärung hinzu.
„Hä?"
Ihr Gesichtsausdruck sah nun äußerst amüsant aus, denn nicht mehr als Verwirrung machte sich dort breit.
Ich musste kurz auflachen bevor ich bemerkte, dass wir immer noch im Treppenhaus standen.
„Willst du mich jetzt eigentlich mal in deine Wohnung lassen, oder sollen wir gleich hier das Picknick aufbauen? Ich erklär dir gleich alles."
Damit löste sie sich aus ihrer entgeisterten Position und zog mich schließlich in ihre schönen vier Wände.
***
„Sagte er wirklich du bist in der engeren Auswahl?", fragte Aly ungläubig, nachdem sie aufmerksam meiner Geschichte zugehört hatte.
„Oh ja, das tat er."
Langsam nickte ich immer wieder mit meinem Kopf, wie jemand der sich grade echt gut fühlt, und damit etwas bestätigt.
„Haaammmmmer!!! Oh Mann Lia, ich bin so mega stolz auf dich!"
Wie erwartet fiel sie mir um den Hals.
„Ich freu mich so sehr. So weit hast du es noch nie geschafft. Ich hab so dieses Gefühl: Dieser Film wird's"
Total überzeugt lächelte sie mich ermutigend an.
Plötzlich dreht sie sich hastig um und holt etwas aus ihrem Geschirrschrank und kehrt kurz darauf mit zwei Weingläsern in der Hand zurück.
„Darauf müssen wir erstmal trinken.", sagte sie fröhlich.
„Bringst groß einen Wein mit und machst ihn dann nicht auf.", warf sie mir belustigt vor und wir lachten.„Das lass ich mir nicht zweimal sagen."
Und schon hatten sich meine flinken Finger um die Flasche gelegt und diesen fabelhaften Saft des Weinstockes voller Gefühl aufgedreht. Reflexartig musste ich erstmal an der Flasche riechen. Mit geschlossenen Augen nahm ich den ausgezeichneten Geruch wahr und gab ein genussvolles „Mhhh" von mir. Mit einem Lächeln auf dem Gesicht lies ich die gelb-weiße Flüssigkeit in die Gläser plätschern. Die tolle Frau gegenüber sah mir erwartungsvoll dabei zu.
Aly griff bereit nach dem Glas und hob es in die Höhe: „Auf deinen ersten Erfolg!"
„Ein ganzer Erfolg ist es ja noch nicht", sprach ich nicht ganz einverstanden dagegen.
„Aber das wird er noch. Ich bin fest überzeugt!"
Mit diesen Worten versuchte sie meine negativen Aussichten zu zerstören und es klappte sogar ein bisschen.
„Und jetzt, lass uns endlich anstoßen."
Ein in meinen Ohren wundervoll schillernder Klang ertönte und wir probierten einen ersten Schluck und ich hoffte, dass er genauso gut schmeckt wie er riecht.
Bevor ich fertig beurteilen konnte, bestätigte Aly meine gute Wahl: „Mhhh, da hast du echt einen Guten erwischt. Ich frag mich immer wieder wie du die erkennst... Wenn Ich einen Wein kaufe, bin ich meistens enttäuscht. Du musst da so einen automatischen Scanner bei dir eingebaut haben, der die schlechten Weine gleich alle aus deinem Blickfeld nimmt."
„Haha, Glücksgriff würd ich mal sagen."
Sie lächelte nochmal kurz, doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck abrupt.
„Aber jetzt nochmal zu diesem Typen beim Aufwärmen.... Sah der denn gut aus?".
Verführerisch zog sie die Augenbrauen hoch. Beim Gedanken daran WIE gut er aussah, verschluckte ich mich beinah, was mich sogleich verriet.
„Ohhou, hast du da etwa was vergessen zu erzählen?"
In weiterer verführerischer Stimme, wollte sie mehr aus mir herauskitzeln.Unbeholfen sah ich sie an und überlegte an welchen meiner Gedanken über sein Aussehen ich sie wohl teilhaben lassen will...
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Can I help? - Ein Angebot mit Konsequenzen
RomanceLia arbeitet in einem Cafe, das sie liebt und nutz jede Chance ihren Traum zu verwirklichen. Jeder Tag war wie der andere bis ihr plötzlich etwas komisch vorkam. Und zwar war es ein scheinbar obdachloser Mann, der immer wieder in ihr Sichtfeld rückt...