Differences [Ushijima]

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Ziel eines Konfliktes oder einer Auseinandersetzung soll nicht der Sieg, sondern der Fortschritt sein.
- Jospeh Joubert

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Valentinstag. Der Tag der Tage, an dem meine Schule zu einem Irrenhaus mutierte. Die ersten Ausläufer des Sturmes erreichten die Schule schon lange bevor der Unterricht überhaupt begonnen hatte. Einige Mädchen waren extra früh aufgestanden um dem Jungen ihrer Träume selbstgemachte Schokolade ins Schuhfach zu legen und ihm, nach Möglichkeit, gleich noch ihre unendliche Liebe zu gestehen. Ich schnaubte und zog die Nase kraus. Ich verstand nicht, wie man sich selbst so zum Horst machen konnte? Viele der Mädchen hatten mit den Jungen, denen sie Schokolade schenkten, noch kein einziges Wort gewechselt. Was sollte es ändern, wenn sie ihnen dann ihre Liebe gestanden? Ich meine, nur weil Valentinstag war, bedeutete das nicht, dass ihre Gefühle erwidert wurden. Davon abgesehen, gab es die Liebe auf den ersten Blick doch eh nur in diesen schnulzigen Romanzen und Dramas. Mit dem echten Leben hatte diese Vorstellung jedenfalls absolut nichts zu tun. Das war auch der Grund dafür, dass es sinnfrei und vergebene Lebensmühe war, einem Jungen selbstgemachte Schokolade zu schenken, wenn man sich noch komplett fremd war.

Auf dem Weg zu meinem Klassenzimmer passierte ich eine Traube schnatternder Mädchen, die sich vor einem anderen Klassenzimmer geschart hatten. Sie standen tuschelnd zusammen und ich konnte manche von Ihnen leise kichern hören. Die Augen verdrehend warf ich einen kurzen Blick über die Schulter zurück und sah gerade noch, wie eines der Mädchen einen Schubser von ihrer Freundin erhielt und sie taumelnd ins Klassenzimmer trat. Ich stieß einen Seufzer aus. Das würde heute ein wirklich langer und anstrengender Tag werden.

Während man am Morgen lediglich die ersten Ausläufer des herannahenden Unwetters erahnen konnte, brach der Sturm über die Mittagspause mit voller Wucht über die Shiratorizawa High herein. Man sah weinenden Mädchen,die von ihrem Schwarm zurückgewiesen worden waren oder kurz vor der Übergabe doch noch einen Rückzieher gemacht hatten, in den Ecken der Flure stehen und von ihren Freundinnen behutsam getröstet und wieder aufgebaut wurden. Glückliche Mädchen, die erleichtert bei ihren Freundinnen standen und sich schnatternd darüber austauschten was ihr Schwarm gesagt hatte und dessen Worte genausten unter die Lupe nahmen. Jede Nuance des Tonfalls war da von Bedeutung und wurde totanalysiert. Und dann gab es noch die Mädchen, die die Übergabe noch vor sich hatten und nervös hinter einer Ecke lauerten um auf den passenden Zeitpunkt zu warten um ihren Schwarm abzufangen. Die Jungs hingegen schienen sich über die ihnen entgegengebrachte Aufmerksamkeit durchaus zu freuen. Sie ahlten sich in ihrer Schokolade und wetteiferten mit ihren Freunden darum, wer die Meiste bekommen hatte. Ich schüttelte verständnislos den Kopf. „Die sind ja alle verrückt geworden.“.

Ich zuckte kaum merklich zusammen. Vorwurfsvoll wandte ich mich zu meiner Freundin Yoko um. Dass sie sich immer so an mich anschleichen musste. Allerdings gab ich ihrer Aussage durchaus recht. Die Damen der Schöpfung hatten am heutigen Tag den Einschlag nicht mehr gehört. Dem ganzen Drama überdrüssig geworden, ließ ich es zu, dass Yoko sich bei mir einhakte und mich hinter sich her, hinauf aufs Dach, zog. Hier oben blieben wir zwar auch nicht gänzlich von den liebestollen Überfällen der selbsternannten Valentinsengel verschont, aber es war definitiv weniger los als in der Mensa oder auf dem Schulhof. Kichernd ließen wir uns auf eine der Bänke fallen und holten unsere Bentos hervor. „Und?“, wollte Yoko nach einer Weile von mir wissen.
„Und was?“.

„Na,… gibt es da einen Jungen, der sich Schokolade von dir verdient hätte?“, hakte sie nach und grinste mich verschmitzt an. Ich verschluckte mich an meinem Reis. Hustend versuchte ich den Eindringling aus meiner Lunge zu befördern, was schwieriger war als gedacht. Ich hörte wie Yoko auflachte und mir dann hilfsbereit auf den Rücken klopfte. Vor Anstrengung traten mir Tränen in die Augen und ich wusste, dass mein Kopf feuerrot sein musste. Keuchend griff ich nach meiner Wasserflasche und trank einen kleinen Schluck um das Kratzen in meinem Hals herunter zu spülen. „Geht’s wieder?“, wollte Yoko, nach wie vor grinsend, von mir wissen. Dieses Grinsen behagte mir absolut gar nicht.

Was die Liebe und das Leben so mit sich bringtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt