Kapitel 2 - Lu und der Herbst

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Endlich ist es Nachmittag und somit ist der Schultag offiziell zu Ende.

Schnell verabschiede ich mich mit einem Kuss von Zayne und mache mich anschließend auf den Weg zu Luka, der meistens alleine ist und ich mir deshalb Mühe gebe, so viel wie möglich bei ihm zu sein.

Ich habe nie jemanden von ihm erzählt, denn ich habe Angst, wenn die Leute etwas über seine Geschichte erfahren. Er musste schon lange Zeit durch die Hölle gehen und wer weiß, was er alles durchmachen muss, wenn die Gesellschaft von seinen Hintergründen weiß. Und ich habe keine Ahnung, ob er dem überhaupt gewachsen sein könnte.

Eilig springe ich die Stufen vor der Schule hinunter und halte abrupt inne, als mein Blick auf einen etwas kleineren, blondhaarigen Jungen fällt.

Der Unbekannte starrt mich an, als wäre käme ich frisch aus Hollywood und dann lässt mich eine hohe Stimme zusammenzucken.

,,Noah!", ruft ein Mädchen irgendwo links von mir.

Ich ignoriere die beiden und entferne mich mit den Händen in den Jackentaschen von der Schule, überquere ein paar Straßen und genieße den aufkommenden, kühlenden Wind.

,,Luka?", rufe ich laut und bekomme leicht Panik, als ich keine Antwort höre, denn normalerweise antwortet er mir immer sofort.

Ich begebe mich weiter in das Dorf.

,,Luka?", frage ich immer nervöser und Blicke mich panisch um, als ich plötzlich einen Gestalt an einer Mauer liegen sehe.

,,Luka!", schreie ich ängstlich und renne auf den schwarzen Schatten zu. Die Person liegt mit dem Rücken zu mir und behutsam drehe ich ihn herum.

Luka hat die Augen geschlossen, aber seine Brust hebt und senkt sich regelmäßig, aber nur sehr leicht.

,,Oh Luka.", schluchze ich und halte mir die Hand vor sie Nase, da mir der schale Geruch von Alkohol in die Nase steigt

,,Nicht schon wieder... du Idiot.", murmel ich vor mich hin und lege meine Jacke unter seinen Kopf. Anschließend lasse ich mich seufzend an der Wand hinunter gleiten, bis ich mit meinen Knien fast meine Ohren berühren kann. Dann verschränke ich meine Hände darüber und schließe leise seufzend meine Augen.

Jedes Mal, wenn es Luka so schlecht geht, greift er zum Alkohol und flößt sich nicht gerade wenig davon ein. Aber normalerweise richtet er das so ein, dass er wieder halbwegs fit ist, wenn ich ihn nach dem Unterricht besuchen gehe.

Glaubt mir, ich habe ihm schon so oft über den Konsum von Alkohol aufgeklärt, aber wie so oft hört er einfach nicht zu, was mich tierisch aufregt.

Stumm beobachte ich den betrunkenen Jungen neben mir. Ich kann ihn irgendwie schon verstehen. Vor allem durch seine Vergangenheit. Und ich verstehe seine Probleme. Aber ich werde nie verstehen, warum er sich freiwillig sowas antut.

Vorsichtig streiche ich eine blaue Strähne nach hinten und gähnend einmal herzhaft.

Dann schließe ich langsam meine Augen, während ich mich ein wenig gegen den blauhaarigen Jungen lehne...

***

Ruckartig wache ich auf.

,,Was zur Hölle...", rufe ich schockiert und sehe zu Luka hinüber, ,,Warum hast du diese Bierflasche an die Wand geworfen?"

Er dreht sich zu mir und dadurch, dass er die Kapuze auf hat, sieht er ein wenig furchteinflößend aus. Aber trotzdem kann ich erkennen, wie Tränen über seine Wangen laufen.

,,Es tut mir Leid.", schluchzt er, ,,Dass ich dich geweckt habe, meine ich."

,,Luka.", seufze ich und erhebe mich von dem kalten Boden und ziehe ihn dann in eine feste Umarmung. Kraftlos lehnt er sich gegen mich und starrt mich einem undefinierbaren Blick in die Ferne.

,,,Ich glaube... also ich glaube, die Depressionen kommen zurück."

Er wirkt so gebrechlich. Klein. Und unschuldig.

So gebrochen.

,,Warum?", frage ich ihn vorsichtig.

,,Das i-ist eine l-lange Geschichte."

,,Verdammt, erzähl sie mir."

Luka schluckt einmal kurz und sieht mich mit einem.tränenverschleierten Blick an.
,,Während deiner Mittagspause", fängt er an, ,,Ja gut, ich weiß, wann du Pause hast, weil da ein Haufen Schüler vor der Schule standen... jedenfalls kam da dieses eine schon etwas ältere Mädchen und hat mich gefragt, was ich da zu suchen habe. Ich habe ihr nicht geantwortet, weil mir die Worte fehlten. Jedenfalls meinte sie dann, dass sie da öfter ihre Pause verbringt, weil sie für irgendeine Sicherheit sorgen möchte und dann hat sie sich auffällig umgesehen, weil da noch nie so viele Flaschenscherben waren wie an diesem Tag."

,,Und?"

Luka verschränkt die vor der Brust.
,,Sie hat mich nicht direkt auf die Scherben angesprochen, aber sie meinte, ich soll ihr Bescheid sagen, falls ich Hilfe brauche und dann hat sie mir einfach ihre Nummer auf die Hand geschrieben."

Bei dieser Aussage ziehe ich verwirrt die Augenbrauen zusammen.
,,Aber du besitzt nicht mal ein Handy."

,,Das habe ich ihr auch gesagt."

Geduldig warte ich, bis er weiter erzählt.

,,Dann hat sie mir ihr altes gegeben."

Luka greift in seine Tasche und zieht ein wirkliches altes Ding mit Tasten heraus, ,,Sis hat gesagt, dass sie es gerne gemacht hat und ich ihr nichts schuldig bin. Ich glaube, ihr Name ist Quinn."

,,Aber was hat sie damit zu tun, dass du so betrunken bist?", frage ich nach, da ich immer noch nicht alles verstehe.

Luka umfasst das Handy fester.
,,Ich habe mich schuldig gefühlt, weil sie so nett zu mir war und mir ihre Hilfe angeboten hat, aber ich glaube nicht, dass ich sie jemals anrufen werde."

Überrascht, aber auch ein wenig sauer sehe ich den blauhaarigen Jungen an.

,,Wirklich? Das ist der Grund?"

Belanglos zuckt er mit den Schultern.

,,Und ich war durstig."

,,Heiliger...", murmel ich und gebe mir einen Facepalm.

Damm grinst mich wieder idiot auch noch an und meint: ,,Es tut mir leid, Herbst."

Meine anfängliche Überraschung schlägt in Verwirrung um und schützend verschränke ich die Arme.

,,Bitte was?", frage ich, ,,Wie hast du mich gerade genannt?"

Luka grinst mich verschwörerisch an.

,,Was? Gefällt dir etwa dein neuer Spitzname nicht? Den habe ich mir gerade ausgedacht. Das ist eigentlich ein Wortspiel, weil du heißt ja August und der Monat August ist im Herbst... also leitet auch so dein neuer Spitzname."

Ich kann nicht anders und grinse von einem Ohr zum anderen.

,,Ganz im Gegenteil, ich mag den Namen sehr."

Luka klatscht begeistert in die Hände.

Es ist schon erstaunlich, wie schnell ein 16-jähriger zu einem 3-jährigen mutieren kann.
,,Jetzt bin ich dran! Was fällt dir für ein Spitzname für mich ein?"

,,Keine Ahnung.", sage ich halbwegs begeistert, ,,wie wäre es mit Lu?"

,,Das ist langweilig.", schmollt dieser und jetzt bin ich derjenige, der sich kindisch verhält und die Arme in die Luft hebt, ,,Also ich liebe es."

Luka schaut mich empört an und seufzend blicke ich in den Himmel.
,,Ich liebe den Namen, ich schwöre es zu Gott."

Luka lächelt mich an.
,,Du liebst mich."

Ich weiß nicht warum, aber plötzlich bin ich extrem verlegen.

,,Äh... klar... sicher."

August in the Spring (BxB) | Deutsche ÜbersetzungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt