2: Überraschung!

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Mühsam schleppte ich mich zum Haus meiner Eltern.

Mit wackeligen Händen versuchte ich, die Tür aufzuschließen.

Nach einiger Zeit ertönte das vertraute Klick und die Wohnungstür öffnete sich.

Aus dem Schlafzimmer meiner Eltern hörte ich komische Geräusche.

Ein Stöhnen, gefolgt von einem Schrei.

Neugierig öffnete ich die Tür...

Und zuckte angeekelt zurück.

Mein Vater lag dort, vollkommen betrunken und schlief mit einem Mädchen.

Das Mädchen kreischte auf, als es mich sah, und versteckte sich unter der Bettdecke, sodass ich ihr Gesicht nicht sehen konnte.

Mein Vater stand auf und kam zur Tür hinüber gewankt, nicht ohne sich vorher einen Bademantel anzuziehen.

"Was- was machst du hier?", schrie er lallend.

"Das könnte ich dich auch fragen.", schoss ich, mindestens ebenso betrunken wie er, zurück.

"Genna und ich haben ein bisschen Spaß.", sagte er mit dreckigem Grinsen.

"Genna?", fragte ich erschrocken.

Ich torkelte zu ihr und riss die Decke von ihrem Gesicht.

"Genna! Du Schlampe!", rief ich erbost.

Meine beste Freundin schlief mit meinem Vater.

Das wäre selbst dann für mich zu viel geworden, wenn ich nüchtern gewesen wäre.

"Es ist nicht so, wie's aussieht!", wimmerte sie.

"Achja?! Wie denn sonst?", schrie ich. "Mir reichts! Ich hau ab!"

Schnellen Schrittes ging ich an meinem Vater vorbei, der mir nur verwirrt hinterher sah.

In meinem Zimmer packte ich das Wichtigste in einer Tasche zusammen - Geld, Klamotten, Zigaretten, Klingen.

Dann rannte ich aus der Wohnung, die ich mal 'Zuhause' genannt hatte, rannte bis ich nicht mehr konnte und nicht mehr wusste wo ich war.

Unter einer Brücke setzte ich mich auf den Boden und fing an zu weinen.

Ich weinte und weinte und weinte, bis selbst das letzte bisschen Tränenflüssigkeit meinen Körper verlassen hatte und ich wieder den Hass auf mein Leben verspürte.

"Wieso?? Wieso ich??!", schrie ich laut in die Nacht - doch erhielt keine Antwort.

Die Klingen.

Meine Klingen, ich brauchte sie jetzt.

Eilig nahm ich meine Tasche, holte die Klingen heraus.

"Sie liebte die Klinge, liegt in der Klinge, keiner würde sie je verstehen ihre Liebe zur Klinge", sang ich leise mit wackelnder Stimme, während ich ansetzte.

Kurz darauf rann das Blut meinen Arm hinunter, so warm, so vertraut.

Für einen Moment vergaß ich meine Sorgen, dachte nicht daran, wie schlecht es mir ging, konzentrierte mich nur auf den äußerlichen Schmerz, vergaß den inneren.

Ich wusste nicht, wie oft ich ansetzte, wusste nur, es war mit jedem Schnitt besser.

"Hey! Was machst du da?", rief plötzlich eine Stimme aus der Ferne.

Völlig entkräftet schaute ich auf.

Es war der Barkeeper aus der Bar, in der ich mich vorhin so betrunken hatte.

"Lass mich!", schrie ich ihm entgegen.

Zu spät.

Er kniete vor mir.

"Hör mal, Mädchen, was machst du denn da?"

"Kann dir am Arsch vorbei gehen."

Zu allen Unglück spürte ich, wie auf einmal alles schwarz wurde.

"Lass mich in Ruh' ", murmelte ich und fiel in Ohnmacht.

Narben { pausiert }Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt