Kapitel 4

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Charlies Sicht:

Hilflos wirbelte ich durch die Luft. Normalerweise würde ich jetzt spöttisch "I believe I can fly" singen, wenn ich das in einer Geschichte lesen würde. Ja, humorlos, ich weiß. Aber wer konnte schon wissen, dass das einmal mir passieren würde. MIR! Ich würde sterben. Bum, tot, ausgelöscht, höhö explodiert. Ich wollte doch noch so viel machen. Das laute Explodieren des Flugzeuges betäubte meine Ohren und ich hörte nur noch ein Klingeln. Bedauernd dachte ich an die neuen Kuschelsocken in meinem Koffer. Sauer sah ich mich um, doch dieser blöde Fallschirm versperrte mir doch einfach die Sicht. Moment mal, Fallschirm? Yes, ich war gerettet! Gerade als ich die Schnur ziehen wollte, schlug etwas gegen meinen Kopf. Xara stürzte neben mir bewusstlos in die Tiefe. Instinktiv griff ich nach ihrer Hand und wurde durch den plötzlichen Ruck um meine eigene Achse geschleudert. Na super, jetzt musste ich auch noch Lebensretter spielen. Schmerz durchzuckte meinen Arm und das erste Mal bemerkte ich, dass ein langer Splitter meine Haut durchzog und am Ende feststeckte. Mit jedem weiteren Ruck vertiefte er sich ein Stück weiter in meiner zerschlissene Haut. Panisch schrie ich auf und hätte beinahe Xara losgelassen. Doch schnell besann ich mich und zog meinen Fallschirm. Ich wurde in die Höhe gerissen und der Griff um Xaras Hand wurde gefährlich locker. Mühsam und mit Höllenschmerzen tastete ich nach ihrer Schnur. Verdammt, wo war dieses Scheißteil denn?

Endlich ertasteten meine Finger das Seil und ich zog mit einem kräftigen Ruck daran. Xara wurde durch den plötzlichen Aufwind ebenfalls ein Stück in die Höhe geschleudert und ihre Hand rutschte aus meinem Griff. Wow, wie lange konnte ein Mensch bitte ohnmächtig sein? Wütend wand ich meine Aufmerksamkeit nun wieder meinem Arm zu. Ich hatte verdammte Schmerzen, meine Haut war von den Scherben des Glases regelrecht aufgeschlissen worden und überall waren kleine Splitter zu erkennen. Mein restlicher Körper war wie betäubt, ich spürte nur den Schmerz in meinem Arm. Plötzlich bemerkte ich etwas und sah besorgt nach unten. Wo würden wir landen? Zu meiner Erleichterung bewegten wir uns weg von dem Wald und auf eine freie Fläche zu. Mir entfuhr ein "Och nee, echt jetzt?" als ich begriff, worauf wir uns zubewegten. Es war ein großer Fluss. Ich begann genervt zu strampeln, mich in meinen Gurten hin und her zu schmeißen und versuchte irgendetwas daran zu ändern, dass ich bald in einem Fluss landen würde. Doch all mein Strampeln half nichts und Sekunden später fiel ich schon mit einem heftigen Platschen in den Fluss. Der Stoff meines Fallschirms breitete sich auf der Wasseroberfläche aus und hinderte mich daran aufzutauchen. Der Fallschirm saugte sich rasant mit Wasser voll und das schwere Gewicht drückte mich nach unten. Angestrengt versuchte ich mich von dem Stoff zu lösen, was gar nicht so einfach war mit nur einem Arm. Ich hatte das Gefühl, meine Lunge würde gleich platzen und dass ich in dem dunklen Wasser auch nichts erkennen konnte, ließ mich noch panischer werden. Nach Sekunden, welche mir wie Stunden vorkamen, konnte ich mich endlich von dem Fallschirm befreien und schwamm nach oben, während der Fallschirm weiter in die Tiefe sank. Mein Kopf durchbrach endlich die Wasseroberfläche und meine Lunge füllte sich wieder mit Luft. Kraftlos bewegte ich mich durch das Wasser und dies konnte man nun wirklich nicht schwimmen nennen. Mein linker Arm hing schlaff an meiner Seite und meine Beine bewegten sich mit komischen Zuckungen durch das Wasser und was mein rechter Arm für Schwimmversuche veranstaltete, konnte ich echt nicht beschreiben. Schwach sah ich umher, wo war Xara? Besorgt blickte ich mich um. Wenn dieses Mädchen immer noch ohnmächtig war, konnte sie sich auf keinen Fall selber retten. „Xara?" hauchte ich, zu mehr war ich nicht im Stande. Ich kniff meine Augen zusammen, wo war dieses Mädchen? Ich war schon kurz davor aufzugeben und dachte, sie sei ertrunken, als ich es entdeckte. Der Fallschirm hatte sich an einem Ast verfangen. Ich begann sofort mich auf das Bündel hin zu bewegen. Nach langer Anstrengung schaffe ich es endlich, dort anzukommen. Ich tauchte unter und begann mit den Händen den Verschluss zu suchen. Diesen fand ich auch recht schnell, machte ihn auf und befreite Xara von dem Fallschirm. Ich tauchte wieder auf, doch Xaras zusätzliches Gewicht zog mich wieder herunter. Ich war zu schwach, um uns beide zu halten. Meine Beine strampelten hilflos im Wasser und ich versuchte angestrengt wieder nach oben zu gelangen. Ich ließ Xara von meinen Schultern gleiten, packte mit meiner linken Hand ihr T-Shirt und ignorierte dabei den steckenden Schmerz. Nun schaffte ich es, weiß Gott wie, wieder aufzutauchen. Ich wendete meine Rettungsschwimmerkenntnisse an, welche ich nie vermutet hätte benutzen zu können, drehte mich auf meinen Rücken und zog Xara mit mir an Land. Das Flusswasser brannte in meinen Wunden, meine Arme waren müde und ich atmete mehr Wasser als Luft ein. Doch endlich spürte ich etwas unter mir, es war Boden. Ich konnte endlich im Wasser stehen. Ich nahm Xara in eine Art Brautstil und ging mit zitternden Beinen auf das Land zu. Zwischendurch rutschte ich weg oder meine Beine knickten ein, doch ich ging weiter und finaly erreichten wir das Ufer. Ich ließ Xara fallen und knickte neben ihr ein. Ich betete, dass Xara noch lebte und ich nun keine Leiche mit ans Ufer geschleppt hatte und mein Leben dafür riskiert hatte. Ich packte fahrig ihren Arm und suchte nach ihrem Puls. Dieser war noch da, schwach, aber existent. Ich legte sie in die stabile Seitenlage und öffnete ihren Mund. Zu mehr war ich nicht im Stande. Meine Muskeln versagten und ich ließ mich neben sie fallen. Außer Atem und kraftlos lag ich auf dem Boden. Ich hatte das Gefühl zu sterben. Meine Wunden brannten, doch dieses Mal am ganzen Körper. An meinen Beinen, Bauch, Schultern, Gesicht, einfach alles. Ich begann vor Schmerzen zu schreien, schlug auf den Boden und fluchte. Ich drehte mich mühsam auf meine Seite und packte das Glas, das nach wie vor fest in meiner Haut steckte. Ich packte diese Glasscherbe fest, wobei ich mir meine rechte Hand aufschlitzte, und zog sie brutal aus meinem Fleisch. Ich brüllte vor Schmerz auf. Ich kämpfte gegen die aufkommenden Tränen an und biss mir fest auf meine Unterlippe, bis ich mein eigenes Blut im Mund schmeckte. Dann gab ich auf und begann zu weinen. Schluchzend und zitternd lag ich auf dem Boden. Ich weiß nicht, wie lang ich weinend, mit quälenden Schmerzen, pochendem Schädel und schmerzender Lunge da lag. Langsam wurde meine Sicht schwammig und meine Lider fielen zu.

Ginger und Little XWo Geschichten leben. Entdecke jetzt