Chapter 26

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Vor Schreck ließ ich das Glas das ich in der Hand hielt beinahe fallen. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
Ja, sagte mein Gehirn, das es doch so eben gehört hatte.
Nein, sagte mein Verstand der wusste, dass das nicht wirklich sein konnte.
In dem Studio in dem Niall gerade das Interview gab, schien es totenstill zu sein. Niemand sagte ein Wort.
Mein Herz schlug so schnell, dass ich meine Atmung automatisch beschleunigte und mich immer wieder fragte, ob er das gerade wirklich gesagt hat – so irreal kam mir diese Vorstellung vor. Das konnte doch gar nicht sein! Oder doch?
Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, schien der Moderator seine Sprache wieder gefunden zu haben. „Grace Alvin ist die Tochter von diesem Mädchen, richtig? Wie war ihr Name? Rose?“
„Ja“, gab Niall zurück, und mein Gefühl sagte mir, dass er nickte. „Grace Alvin ist die gemeinsame Tochter von Rose und mir.“
„Entschuldige bitte“, unterbrach der Interviewer das Gespräch für einen Moment, „Ich glaube einigen Zuhörern wird es im Moment ziemlich schwer fallen, dir zu folgen. Wenn ich ehrlich bin, geht es mir nämlich genauso. Kannst du uns bitte … aufklären?“
Während ich mich noch über die Wortwahl des Moderators amüsierte, begann Niall zu sprechen – und ich spürte, wie mein Grinsen immer größer wurde.
„Viel gibt es nicht wirklich zu erzählen“, gab Niall schließlich zurück, „Alles, was sie damals erzählt hat, war die Wahrheit. Das Management hat mich unter Druck gesetzt, sie zu einer Falschaussage zu zwingen, um den Fortbestand der Band nicht zu gefährden. Sie dachten dass viele, vor allem weibliche Fans, sich dadurch von uns abwenden und das Album schlecht verkauft werden würde. Mittlerweile frage ich mich, wie ich so dumm sein und ihr das antun konnte. Niemand sollte seine Familie so verleugnen, nur weil er nicht zu einem Fehler stehen kann, den er gemacht hat. Aber das wirklich Absurde daran ist, dass dieser Fehler das beste ist, was mir jemals passiert ist.“
Ich stand in meiner Küche und war wie versteinert. Ich hatte Tränen in den Augen, so nah waren mir seine Worte gegangen. Noch nie hatten mich seine Worte so sehr berührt, wie in diesem Augenblick, in dem ich neben meinem Radio stand und nicht glauben konnte, was ich gehört hatte.
Als das Interview schließlich abgebrochen wurde, schaltete ich das Radio ab und ließ mich auf meinem Sofa nieder. Immer und immer wieder kniff ich mich in meinen Arm, um mich zu vergewissern dass ich nicht träumte.
Das konnte alles nicht echt sein, das konnte nicht real sein. Das alles konnte unmöglich eben passiert sein.
Es dauerte noch eine ganze Weile bis ich begriff, dass es tatsächlich Wirklichkeit geworden war. Als ich mich endlich damit abgefunden hatte, dass die Welt niemals die Wahrheit erfahren würde, passierte es tatsächlich – Niall gab vor millionen von Menschen zu, dass er der Vater eines Kindes war.
Nun wusste zwar jeder Bescheid, aber es schien ihm – zumindest meinem Eindruck nach – nichts auszumachen. Ganz im Gegenteil; seine Stimme hatte geklungen, als würde ihm eine unerträgliche Last abgenommen worden sein, in dem Moment, in dem er die Worte aussprach, die niemand erwartet hätte zu hören: Grace Alvin ist meine Tochter.

War das zu fassen?
„Dieser Fehler ist das Beste, was mir jemals passiert ist.“
Seine Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Es klang so widersprüchlich, weil Fehler eigentlich nie etwas Gutes bedeuteten – aber plötzlich klang er, als hätte es für ihn kaum ein größeres Glück geben können, als diesen Fehler gemacht zu haben.
Als wäre Grace das größte Glück, das es für ihn hätte geben können.
Und diese Vorstellung trieb mir erneut Tränen in die Augen – Tränen der Freude.
Ich wusste, dass sie von ihrem Vater geliebt wurde. So sehr, dass er kein Problem mehr damit hatte, die ganze Welt wissen zu lassen, dass sie seine Tochter war.
Und ich fragte mich, ob das Ganze vielleicht irgendwie im Zusammenhang zu gestern Nacht stand.

Doch bevor ich mir noch mehr Gedanken darüber machen konnte, klingelte es plötzlich an der Tür. Es klingelte und klopfte, und als ich die Tür öffnete, stand niemand Geringeres vor mir, als Niall Horan.
„Niall“, stieß ich nur hervor als ich sah, dass er weinte. Er weinte tatsächlich – aber er sah nicht traurig aus. „Ich habe das Interview im Radio gehört, und ich … Danke, dass du das getan hast.“
Er begann zu lächeln, obwohl ihm noch immer Tränen in den Augen standen. „Ich musste es einfach tun.“
Ich bat ihn herein, er zog sich Schuhe und Mantel aus, und noch bevor ich ihn fragen konnte, ob er etwas trinken wollte, sprach er weiter. „Ich weiß nicht warum, aber ich wollte dieses Glück das ich mit euch beiden hatte nicht mehr länger verleugnen. Ich konnte es einfach nicht mehr.“
„Aber...“, setzte ich an, „Simon und die Anderen... Haben sie nicht-“
„Simon ist nicht wichtig“, schnitt er mir das Wort ab, „Alles woran er denkt ist Geld. Mit jemandem wie ihm kann und will ich nicht zusammenarbeiten. Außerdem sind die anderen Jungs meiner Meinung.“
Er machte eine kurze Pause.
„Wir haben gekündigt“, er lächelte.
„Was!?“, ich starrte ihn schockiert an. „Aber ihr könnt doch nicht-“
Ich unterbrach mich selbst und bemerkte, dass ich vor Erleichterung gar nicht mehr wirklich in der Lage war, einen anständigen Satz zu bilden.
„Wir werden bald einen anderen Vertrag unterschreiben“, erklärte Niall schließlich, „Bei jemandem, der uns wie Menschen behandeln wird und nicht wie Maschinen.“
„Ich glaube kaum dass das so einfach werden wird... Eigentlich ist doch jedes Management zumindest so ähnlich gewickelt wie Simon, oder etwa nicht?“, Skepsis mischte sich in meinen Blick.
„Doch, schon“, gab Niall zurück, „Aber ich will mit offenen Karten spielen. Und da die Welt jetzt von der Sache weiß, bin ich den ersten Schritt bereits gegangen. Zwischen Simon, den Jungs und mir ist so unendlich viel passiert, das man einfach nicht mehr aufarbeiten kann. Zumindest werden wir uns von einem neuen Management nicht mehr so herumkommandieren lassen, wie das bei Simon der Fall war.“
Ich seufzte kurz auf, und fragte mich noch immer, ob das wirklich eine so gute Idee war.
„Einfach war das Ganze natürlich nicht“, plötzlich musste Niall grinsen, „Immerhin haben wir einen Vertrag unterschrieben, der erst in einem halben Jahr ausgelaufen wäre.“
„Aber?“
„Aber Simon war nach der Sache mit dem Interview so wütend, dass er sofort zugestimmt hat“, Niall lachte kurz auf, und ich tat es ihm gleich.
„Irgendwie kann ich mir das bildlich vorstellen“, gab ich zurück, während ich mich fragte, wer von uns beiden das breitere Grinsen im Gesicht hatte.
„Aber weißt du, was das Schönste an der ganzen Sache ist?“, Niall wurde plötzlich wieder ruhiger.
„Nein, was denn?“, fragte ich nach und warf ihm einen verwirrten Blick zu.
„Du musst niemanden mehr anlügen“, antwortete Niall, und ich nickte.
„Dafür musst du dich jetzt bestimmt in zahlreichen Interviews rechtfertigen.“
Er zuckte beide Schultern. „Das mag sein“, gab er zurück, „Aber das ist meine eigene Schuld. Ich hätte von Anfang an ehrlich sein sollen.“
„Auf jeden Fall warst du eben mehr als mutig“, murmelte ich schließlich, während ein schlechtes Gewissen sich in mir breit machte. Er hätte sich nicht bei millionen von Menschen unbeliebt machen müssen. Ich hatte doch eigentlich längst akzeptiert, dass er anfangs gar keine Wahl gehabt hatte.
Ich fragte mich ohnehin, wie er sich das zukünftig vorstellte – sie hatten ihr Management Hals über Kopf gekündigt, ohne schon Ersatz gefunden zu haben. Er hatte gerade vor der halben Welt zugegeben, dass Grace seine Tochter war – obwohl er gar keine Ahnung hatte, wie seine Fans darauf reagieren würden. Und es schien ihm gar nichts auszumachen.
Weshalb waren Grace und ich ihm wichtiger als seine Karriere?
Und weshalb hatten die anderen Bandmitglieder nichts dagegen?
„Jetzt kennt die Welt die Wahrheit“, meinte er schließlich, „Und ich habe kein Problem mehr damit.“
Ich lächelte. Dieser Satz war wirklich wunderschön gewesen – genau genommen hätte er es besser gar nicht ausdrücken können. Und plötzlich sagte er etwas, mit dem ich gar nicht wirklich gerechnet hatte.
„Ich liebe dich, Rose.“
Ich blickte ihn überrascht an und sah, dass er lächelte. Er schien es tatsächlich ernst zu meinen, und es fiel mir gar nicht mehr schwer, ihm zu glauben.
„Ich liebe dich auch.“

Sharing the secret (Niall Horan FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt