Einblick

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Der Wind pfiff so laut, dass man es durch die Glasscheiben hören konnte. Wenn er sich so umsah, entdeckte er keine einzige Stelle an den Fenstern, welche in irgendeiner Weise dreckig war. Er war es gar nicht gewohnt. Alleine sein Sohn hatte sämtliche Scheiben im Haus mit seinen kleinen Patsche-Händchen verunstaltet. Egal ob Farbe, Dreck oder kleine bis mittelgroße Kratzer; er hatte alles gesehen. Auch Bernie, der Hund, hatte schon alles was in seiner Reichweite lag, abgeschleckt, somit auch die Fenster. Seine Frau hatte es schon lange aufgegeben sie jeden Tag zu putzen. Sie hatte einfach keine Zeit. Neben der Arbeit musste sie ihrem Sohn Max und dem Hund hinterherräumen und sie beschäftigen. Während er hier in London in einer Bar saß.

„Hey Ernest. Was schaust du so aus der Wäsche? Bekommt dir der Whiskey nicht?", hörte er Phil, den Besitzer der Bar fragen. Phil war ein schon älterer Herr mit weißen Haaren und einem faltigen Gesicht. Er war die Art von Personen, die so etwas sagten wie: „Ich bin seit 40 Jahren knackige 20."

Ernest mochte solche Menschen normalerweise nicht, aber mit Phil kam er gut klar, hauptsächlich weil er guten Whiskey hatte.

„Alles ist in Ordnung mit deinem Whiskey. Bin nur erschöpft.", gab er als Antwort, bevor er einen weiteren Schluck trank. „Vielleicht solltest du dann mal nachhause zu deiner Familie gehen, mein Lieber." Ernest kannte den Ton, mit dem Phil das sagte, nur zu gut. Er hatte etwas Verachtendes in sich. Es erinnerte ihn an seine Mutter.

„Vielleicht." Ernest leerte das Glas endlich und stand auf. Sein Blick fiel auf das Paar, welches ebenfalls an der Bar saß. Sie lachten miteinander. Sie erinnerten ihn an Susan und ihn selbst vor langer, langer Zeit. Ernest würgte seinen Kloß im Hals hinunter.

„Bis dann, Phil!", rief er bevor er aus der Tür ging und diese schloss. Dumpf konnte er Phil hören, der „Wir sehen uns sicher wieder, Ernest." rief.

Jetzt erst, wo er draußen war, fiel ihm auf wie leer die Straßen waren, kein Mensch war da. Wie leergefegt vom kommenden Sturm.

Nach kurzem Fußmarsch schloss er auch schon die Tür zu seinem Haus auf. Es roch nach Wärme und ziemlich stickig. Susan hatte sich sicher nicht getraut die Fenster aufzumachen, da sonst sicher wieder Rudolph, der Nachbarshund, durchs Fenster ins Haus gesprungen wäre.

Ernest zog seine Schuhe aus und legte den Hut ab. Endlich war er zuhause. Vielleicht schlief Susan ja schon, dann hatte er seine Ruhe. Ach nein, da brannte Licht durch die offene Tür zum Wohnzimmer. Zu spät.

„Ernest! Komm her!" Er seufzte als der durch die Tür trat und seine Frau im Sessel saß. Susan war mal eine hübsche Frau gewesen, klug und beherrscht. Jetzt war ihr Gesicht dürr und müde und sie selbst herrisch und ungeduldig.

„Es tut mir leid, kommt nicht wieder vor.", sagte er und wollte wieder gehen, doch etwas in Susans Stimme ließ es nicht zu. „Nein, wird es nicht." Er drehte sich zu ihr um und sah fragend in das verzerrte Gesicht seiner Frau. „Wie meinst du das?"

Sie stand auf und ging auf ihn zu. Mit ernster Miene, keine Träne in den Augen sagte sie: „Ich will die Scheidung."

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 24, 2020 ⏰

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