Die Stimme

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Dumpf, dröhend drang das Pätschern eines nahen Baches in ihr Bewusstsein. Ihr Kopf schmerzte, ihre Kehle fühlte sich trocken an und der Gaumen klebte. Roali zitterte und versuchte die Augen zu öffnen. Nur verschwommene Schemen konnte sie wahrnehmen und sie fühlte sich so unenlich schwer und müde. All ihre Glieder schienen zu brennen, ihre Lungen fühlten sich an, als ob eine schwere Last auf ihnen liegen würde. Sie stemmte ihren Oberkörper auf, doch noch reichte die Kraft nicht aus.

Roali drehte sich auf den Rücken und versuchte ihren Atem zu kontrollieren. Durst brannte in ihr und sie streckte ihre Hand in Richtung des Wassergeräusches aus. Sie lag im weichen Gras, so viel spürte sie noch und von irgendwo erklang das Lied eines Vogels. War sie in einem Park? Vorsichtig zwang sie sich die Augen zu öffnen, blinzelte in die hoch stehende Sonne am blauen Firmament. Ein leichter warmer Wind wehte durch ihr Fell und ihre Schnurrbarthaare schwangen im Wind mit.

Wo war sie nun? Sie ächzte als sie den Kopf drehte und das Glitzern des nahen Baches wahrnahm. Eine Bäume standen verteilt um sie herum, Schmetterlinge flatterten und das Gras bog sich ein wenig im Wind. Sie holte tief Luft, schob sich auf die Seite und stemmte behäbig ihren Oberkörper auf. Kein Haus, keine Mauer und kein Turm war mehr zu sehen. Mit jedem Atemzug wurden die Schemen deutlicher und immer deutlicher erkannte sie die nahe Umgebung, bis sie wieder in gewohnter Schärfe erkennbar war.

Mühsam kroch sie in Richtung des Baches. Zig Fragen krochen durch ihren Kopf. Wie war sie hergekommen? Wie lange war sie ohne Bewusstsein gewesen? Wo war sie?

Roali stöhnte auf, als sie die Hand ins Kühle Nass streckte und die überraschende Kälte ihre Sinne weiter schärfte. Sie streckte ihren Kopf hinab und trank. Schluck um Schluck stillte sie ihren Durst, nahm das frische Wasser auf und fühlte sich letztendlich mit jedem Tropfen lebendiger.

Das Leben kehrte in sie zurück und langsam setzte sie sich vollends auf. Sie streckte sich und versuchte die Steife aus ihren Glieder zu reiben. Was war nur geschehen? Sie war am Ziel, hatte den Turm erklommen und nun?

Zitternd versuchte sie aufzustehen und sie fühlte wie weich ihre Knie waren. Sie balancierte sich aus, schwankte ein wenig, aber sie blieb aufrecht. Wohin musste sie? Sie wollte zurück zur Stadt, nur wo lag diese?

Ihre Bewegung hatte viel von der normalen Geschmeidigkeit eines Tiweguar eingebüßt. Sie torkelte und wählte wahllos eine Richtung. Alle paar Schritte musste sie sich an einem der nahen Bäume festhalten, kurz inne halten und durchschnaufen. Ihr war noch schwindelig und sie drängte die Übelkeit zurück.

... wie ist dein Name?

Eine Stimme sprach zu der Tiweguar, aber sie reagierte nicht. Sie bahnte sich lieber einen Weg torkelnd durch die Landschaft. 

... wohin willst du?

Roali hob den Kopf und runzelte die Stirn. War da was? Sie schüttelte den Kopf. Ihre Sinne waren noch nicht beisammen und spielten ihr einen Streich. Ziellos, nur in der wagen Hoffnung, dass sie Richtung in etwa stimmen würde, schwankte sie weiter in Richtung Osten. 

Eine Stunde war vergangen und keine Straße, kein Haus, keine Seele war ihr begegnet. Erneut blieb sie stehen und schöpfte neuen Atem. Nichts in ihrer Nähe weckte das Gefühl von Vertrautheit, alles wirkte so fremd, so neu. Roali knurrte. Ihr missfiel ihre Lage, ihre Schwäche und in ihr wuchs die Wut, nur das Ziel ihrer Emotion konnte sie nicht ermitteln.

... willst du zurück?

Erneut nahm sie die Stimme in sich wahr, ignorierte sie aber. Sie war müde, dachte sie und hungrig. Wer weiß wie lange sie dort gelegen hatte? Ihr Magen knurrte, rückte die Realität wieder in den Vordergrund. 

Nebularion - schwarze NebelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt