Kapitel 1

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Hektisch krame ich in einer alten, verstaubten Schublade nach ein wenig Kleingeld. Hier muss doch irgendwo Geld sein. Vor ein paar Tagen habe ich es hier versteckt. Schlussendlich gebe ich mich geschlagen und höre auf nach etwas zu suchen, was ich wahrscheinlich eh nie finden werde. Das Mittel was sie mir in meinem Körper gespritzt haben, bereitet mir allmählich Kopfschmerzen. Wie lange muss ich denn noch hier in diesem Drecksloch verbringen? Wie lange bin ich denn eigentlich schon hier? Wochen? Monate? Ich verliere schleppend mein Zeitverhältnis. Mein Magen knurrt und ich bekomme langsam Lust etwas zu essen. Ich lehne meinen Kopf gegen eine kalte Wand und denke an die alte Zeit. Wie schön es nicht früher war und wie grässlich es jetzt ist.

Die Tür öffnet sich und ich schrecke auf. Meine Augen sind das grelle Licht, das aus dem Spalt der Tür kommt nicht gewohnt, deswegen ziehe ich sie zusammen. Ein Mann kommt in mein Zimmer und brüllt mich an „Na komm schon 213, aufstehen. Oder willst du noch länger am Boden herumgrübeln." Wir werden alle mit Nummern gekennzeichnet. Diese ist auch gleichzeitig unsere Zimmernummer. Wie wir heißen ist ihnen nämlich egal. Ich bin zu müde um aufzustehen und auch zu schwach, doch das interessiert den Mann nicht, denn schon zerrt er an mir und schleppt mich nach draußen in den Flur. „Hör mal zu kleine Dame. Wenn du glaubst du kannst hier die Prinzessin spielen und machen was du willst, liegst du falsch." Ich möchte ihm am liebsten in sein Gesicht spucken doch dies lasse ich lieber bleiben. Der Mann nimmt mich fest an meinem Oberarm und führt mich zum Speisesaal. Dieser ist der größte Teil des Gebäudes. Viele andere Menschen haben sich hier versammelt und essen gemeinsam. Reden und Lachenist hier keinem zu Mute. Verständlich. Ich habe seitdem ich hier bin auch noch nie auch nur gelächelt. Der Mann lässt seinen festen Griff los und stößt mich in den Raum. Mit dem Kopf zum Boden gesenkt gehe ich zu einen der vielen Tischen und setze mich hin. Kein weiterer ist auf diesen Platz zu sehen, gut. Ich grüble und spiele mich mit einer Haarsträhne. Wie konnte ich nur so werden? So kalt? So gefühllos? Wie konnte mich ein Gebäude so machen wie ich jetzt bin? Ich will wieder die alte, liebe und lustige Samara sein. Ich will aus diesem Loch hier raus und mein altes Leben zurück. Wieder auf die High School gehen und mit meinen Freundinnen über Jungs reden. Mit meinem Bruder des Öfteren streiten und mit meinen Eltern diskutieren. Doch das wird nie wieder so sein.
„Hey, John mein Name und wie heißt du?" Ich bemerke einen jungen Mann der mir plötzlich gegenüber sitzt. Ich schaue mich um, ob schon alle Tische besetzt sind, denn freiwillig setzt sich normalerweise keiner zu mir. Er lächelt. Wieso lächelt er? Findet er es hier lustig? Ich starre ihn nur stumm an und überlege ob er erst seit kurzem hier ist. Er bemerkt anscheinend meinen misstrauischen Blick und macht einen Scherz „Die haben dir wohl die Sprache verschlagen, was?" „Samara. Nummer 213.", sage ich kurz. Er mustert mich so gut es geht und fragt schließlich „Willst du denn nichts essen?"
Ich esse schon seit Tagen nichts mehr. Es ist keine Art Streik oder sonstiges. Es ist nicht mal das Essen, das mich anwidert. Es sind die Leute die es zubereiten. Die Leute die in diesem Gebäude arbeiten. Die Leute die mich hierherbrachten. Ich habe einen so ungeheuren Hass auf diese Menschen. „Du redest wohl nicht gern.", stellt John fest. Ich war wohl so in meine Gedanken vertieft, dass ich ihn nicht merkte. „Tut mir leid, aber neue Leute kennenzulernen ist nicht so mein Ding.", entschuldige ich mich und stehe auf um wieder in mein Zimmer zu gehen. Gerade als ich meinen Weg zum Gang mache packt mich ein Mann an meinen Haaren und schleift mich weg um mit mir zu reden. Ich schreie und versuche mich zu wehren, doch mit Vergebung. Er ist stärker als ich. „Glaubst du ich habe dich die ganze Zeit nicht beobachtet? Du isst schon seit Tagen nichts. Was erlaubst du dir eigentlich?", schreit er mich an und ohne zu zögern schlug er auf mich ein. Eine rote Wange und eine angeschwollene Lippe sind die Folgen davon. Dieses Mal ist nicht das erste Mal, dass ich verprügelt werde. Vor ein paar Monaten als sie mich beim Rauchen im Zimmer erwischten, zogen sie mich in eine Art Folterkammer und schlugen mich, bis ich blutete. Ob ich schon mal versucht habe abzuhauen? Oft genug, aber leider ohne Erfolg. Die ersten Monate die ich hier in diesem Loch verbachte, mussten sie mich in meinem Zimmer tagelang einsperren. Ich war anfangs depressiv und kam mit der ganzen Lage nicht klar, aber mittlerweile hat sich das verbessert. Das denken die zumindest. Ich will noch immer hier raus und ich werde hier rauskommen, egal wie ich es schaffe, ich schaffe es.

Nummer 213Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt