"Du wolltest mich früher sehen?", mit gerunzelter Stirn nippte Su an dem Kaffee, den Kate ihr hingestellt hatte.
"Ja. Genau. Ächem."
Die Vampirjägerin räusperte sich und ließ sich auf dem rostigen Gartenstuhl gegenüber von ihr nieder, "ich wollte mit dir über deine Trainingsfortschritte reden, bevor wir nachher alle zusammen weiter machen. Du hast dich unheimlich verbessert, seit wir angefangen haben."
Misstrauisch ließ Su ihre Tasse sinken.
"Ist das etwas Schlechtes?", wollte sie argwöhnisch wissen.
"Nein, nein, ganz und gar nicht", wehrte Kate ab, "im Gegenteil. Ich finde das beeindruckend."
Sie rührte etwas in ihrer eigenen Tasse herum, dann seuftzte sie und stellte das Gefäß auf dem Tisch ab.
"Ich glaube, es ist kein Geheimnis, dass ich mich etwas... unwohl fühle, bei dem Gedanken, dass ihr zwei Mädchen in diese ganze Geschichte hineingezogen werdet. Versteh das bitte nicht falsch, ihr macht das hervorragend, aber... es ist und bleibt ein gefährlicher Job. Aber die anderen haben wohl Recht, wenn sie sagen, dass wir Nachwuchs brauchen."
Sie zuckte etwas hilflos mit den Schultern.
"Ich weiß, dass du nur wegen Jess hier bist, Su. Aber so wie du kämpfst... ich könnte mich dich hier bei uns vorstellen. Längerfristig."
"Und?"
"Su, ich... also schön", Kate richtete sich ein wenig auf: "Ich denke, du hast Potential. Und ich möchte das gerne fördern. Also, wenn du möchtest würde ich dir anbieten, dir beim Trainieren zu helfen."
Su blinzelte überrascht.
"Ich..."
Quitschend wurde die Schuppentür aufgeschoben.
"Ich, ähm...", nahm Su ihren Faden wieder auf, "ich denke darüber nach, in Ordnung?"
"Ja. Ja, natürlich", Kate nickte.
Su sprang von ihrem Platz auf und ging den Neuankömmlingen entgegen, während Kate mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck die Tassen bei Seite räumte."Ugh, warum muss das mit den Bussen immer so lange dauern?", grummelte Jackie missmutig.
"Keine Ahnung", stimmte Jess zu.
Die Verspätung machte sie ganz kribbelig. Sie wollte doch pünktlich an der Basis sein! Su war sicher schon da, die Glückliche hatte heute, wie so oft, eine Stunde eher aus gehabt.
"Wolltest du nicht sowieso einen anderen Bus nehmen", Lisa zog ihre Nase kraus.
"Hilft mir wenig, wenn er genauso spät ist wie eurer!", schimpfte Jess und griff nach der Jacke, die sie sich über den Arm geworfen hatte - und griff ins Leere.
Shit.
Hatte sie sie fallen gelassen?
Suchend blickte Jess sich um, aber das schwarze Lederstück war nirgends zu sehen.
Sie musste sie im Klassenraum vergessen haben.
"Ich habe meine Jacke liegen gelassen", sie zog eine Grimasse, "ich hol sie eben, bin gleich wieder da."
"Jaja", Jackie tippte stirnrunzelnd auf ihrem Handybildschirm herum. Lisa reagierte gar nicht.
Wenn sie bloß den Bus nicht verpasste - diese verfluchten Dinger fuhren immer zu den unpassensten Zeiten ab.
Leise schimpfend riss Jess die Eingangstür auf und hastete den Flur entlang.
Der letzte Unterrichtsraum lag zum Glück auf dieser Seite des Gebäudes - alles andere hätte sie wirklich als Kathastrophe verbuchen können.
Grimmig tastete sie nach der Türklinke, und zu ihrer Erleichterung ließ sie sich herunterdrücken. Johnson, dieser Volltrottel, hatte die Tür mal wieder nicht abgeschlossen.
Glück für sie.
Blitzschnell huschte sie hinein, schnappte sich die Jacke und setzte auf schnellen Rückzug. Wenn sie sich beeilte, konnte sie sicher noch ihren Bus erwischen.
Keuchend stürmte sie aus der Eingangstür hinaus.
Dem Himmel sei dank. Die ungeduldige Schülermasse an der Haltestelle hatte sich nicht verringert.
Wo hatte sie Jackie und die anderen stehen lassen?
Sie beschirmte ihre Augen auf der Suche nach der auffälligem Haarpracht ihrer Freundin.
Da! Ächzend zwängte Jess sich zwischen ein paar Fünftklässlern hindurch. Man sollte wirklich meinen, ältere Schüler verdienten etwas Respekt, aber nein...
Die kleinen Bälger schienen ihre Kastenförmigen Rucksäcke geradezu mit Absicht in Jess Weg zu verfrachten.
Aber da vorne waren ihre Freunde. Sie musste nur noch...
Jess war im Begriff den nächsten Rotzlöffel aus der Bahn zu schieben, als sie ein paar Fetzen der fortgeführten Unterhaltung auffing.
" 'Jacke vergessen' pfft, na klar", Jackie schnalzte verächtlich mit ihrer Zunge, "am Arsch. Glaubt sie wirklich, wir nehmen ihr den Mist ab?"
Jess ließ ihren Arm mit der Jacke sinken.
Was?
"Lass den Mist!", Chrissie klang fast schon wütend, "wieso kannst du ihr nicht einfach ein bisschen vertrauen? Sie hat echt Scheiße durchgemacht in letzter Zeit."
"Ja, klar", Lisa schaubte, "ernstaft Chrissie, checkst du's nicht? Der Zahnarzttermin? Der ganze andere Scheiß? Sie hat irgendetwas am Laufen und erzählt's uns nicht. Anscheinend sind wir Madam nicht gut genug."
"Was solls", Jackie zuckte mit ihren Schultern, "wir kommen gut ohne sie klar. Wenn sie lieber mit so schrägen Vögeln wie Su abhängen will, soll sie doch."
Chrissie erwiderte irgendetwas, aber Jess hörte sie schon nicht mehrm sie hatte sich zurück in den Pulk von Kindern gezogen und bahnte sich einen Weg in die entgegengesetzte Richtung.
Sie war also "egal".
Man kam auch "gut ohne sie klar".
Tja, schön.
Biss ihre Backenzähne fester aufeinander.
Sie brauchte diese Idioten auch nicht. Sie kam auch gut alleine klar und besseres zu tun hatte sie definitiv.
Etwas zu laut stapfte sie auf die Straße zu.
Der blöde Buss konnte ihr auch gestohlen bleiben. Sie würde Laufen, ein Stück jedenfalls. Bis sie weit genug von diesen zweigesichtigen Miststücken weg war.
Wen interessierte deren Meinung schon."Ohren auf, Ladies!", Rat rieb sich vorfreudig seine Hände, "für heute hat Duke sich etwas besonderes ausgedacht!"
"Mh", Jess zuckte mit ihrem Mundwinkel. Das wollte sie stark hoffen. Ihr Tag war bisher eher beschissen gewesen.
Der Anführer der Vampirjäger räusperte sich und schob seinen Mistreiter zur Seite: "Was Rat damit andeuten wollte ist, dass wir heute nicht euer übliches Trainingsprogramm durchziehen, sondern ein wenig mit einem anderen Szenario herumspielen wollen. Dreht euch bitte einmal um.
Su zuckte mit den Schultern und wandte sich in die andere Richtung. Jess tat es ihr nach... aber alles, was sie sah, war eine Reihe seltsamer Holzgestelle, die unter den Bäumen hinter dem Schuppen aufgebaut waren.
"Tadaa", fuhr Duke zufrieden fort, "ein Parkour!"
"Ein Parkour?"
Jess rümpfte ihre Nase. Wozu sollte dass denn bitte gut sein? Sie wollte Vampire bekämpfen, und nicht vor ihnen wegrennen.
"Wenn ihr in unseren Kämpfen durchkommen wollt", warf Kate ein, bevor Jess auch nur ihren Mund aufmachen konnte, "braucht ihr mehr, als nur eine Kampfausbildung. Ihr braucht auch gute Konditionen und Reflexe. Und es kann nie schaden, sich auf möglichst viele Situationen vorzubereiten.
Über die roten Hindernisse müsst ihr springen oder klettern, die mit der blauen Fahne sind zum drunterher kriechen. Ich werde eure Zeit nehmen. Wir wollen wissen, wie viel ihr drauf habt.
Ein Test?
Auf einen Schlag war Jess schlechte Laune wie weggeblasen.
Die drei wollten sehen, was sie drauf hatte?
Die sollte sich besser auf etwas gefasst machen! Breitbeinig stemmte sie ihre Arme in die Hüften: "Ach ja? So schwer sieht das Ding gar nicht aus!"
"Ha! Das wollten wir hören!", van Helsing, der sich auf der Haube des Geländewagens ausruhte lachte auf.
"Genau! Immerhin kommt Hochmut vor dem Fall!", das diabolische Grinsen hatte sich zurück auf Rats Gesicht geschlichen, "wir haben ein paar Überraschungen für euch auf der Strecke!"Wusch! Ein Schaumstoffball zischte knapp über Jess Schopf hinweg. Rats Idee von "Überraschung" hatte sich als "in den Bäumen sitzen und mit Bällen werfen herausgestellt.
"Denk dran, wer getroffen wird kriegt zwanzig Strafsekunden!", krakeelte er von oben hinab.
"Was denkst du, wieso mich noch keiner getroffen hat?", brüllte sie zurück.
"Jess! Laufen, nicht reden!", tönte Dukes Stimme über den Parkour.
Ja, ja, ich bin dabei!
Mit zusammengebissenen Zähnen schlüpfte sie unter einem weiteren Wurfgeschoss hinweg und tauchte unter einem blaugezeichneten Brett hinweg.
Ihre Lungen brannten und ihr Herz klopfte stechend gegen ihren Brustkorb, aber als sie sich auf der anderen Seite wieder aus dem Dreck zog, war es ihr beinahe egal.
Und als der alte van Helsing spaßeshalber klatschte, weil sie die Ziellinie überstolpert hatte, hätte sie es mit vier Vampiren aufnehmen können.
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Batsong
VampirosWürde man Jess Leben beschreiben wollen, wäre das erste Wort, das einem einfallen würde, vermutlich "zufriedenstellend" oder auch "beneidenswert", je nachdem, wenn man denn fragen würde. Tatsächlich gibt es nicht viel, über das die Schülerin sich be...