chapter 1 - flucht

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"Das geht so nicht weiter, Felix! Wenn du dich nicht bald mal ein bisschen zusammenreißt, sehe ich keinen anderen Ausweg, als dir Internetverbot zu erteilen", schrie meine Mutter mich an. Lustigerweise wurde ihr Kopf von Sekunde zu Sekunde röter.

Ich winkte ihren kleinen Ausraster mit einer abwertenden Handbewegung ab und wendete mich wieder meinem Bildschirm zu. In wenigen Minuten wollte ich mit KranCrafter aufnehmen und irgendwie störte meine Mom da. Generell, was sollte der Scheiß? Internetverbot? Das würde sie doch eh nie durchsetzen.

Meine Zimmertür wurde laut zugeschlagen und schon war nichts mehr von ihr zu sehen. Super!

Ich bereitete schon mal alles vor und kurze Zeit später begannen Krani und ich unsere Aufnahme. Wir hatten wirklich Spaß und waren laut am Lachen, weil wir uns dauernd mit "Hurensohn" beschimpften und uns über den Namen Kevin aufregten.

Doch mitten im Satz stockte seine Stimme und ich hörte Krani nicht mehr. Immer wieder fragte ich nach, aber keine Antwort. Als ich die Verbindung checkte, wurde es mir klar: Meine Mutter hatte allen Ernstes das Internet abgekappt.

Ohne nachzudenken sprang ich auf, riss meine Zimmertür auf und rannte in's Wohnzimmer, wo meine Mutter in aller Seelenruhe eine Gartenzeitschrift las. Sie blickte nicht einmal auf, als ich wütend in's Zimmer stapfte.

"Dein Ernst?", fragte ich und funkelte sie an.

Als sie aufblickte, hatte sie einen unschuldigen Blick aufgesetzt und sah mich fragend an. Ich wurde noch wütender. Wie konnte sie so tun, als wüsste sie von nichts?

Ich schloss kurz die Augen, um mich zu beruhigen, öffnete sie dann wieder und sagte in einem etwas ruhigeren Ton: "Wärest du vielleicht so freundlich, das Internet wieder anzustellen?" Das Lächeln, das eigentlich zu dieser Frage gepasst hätte, blieb mir im Hals stecken.

Meine Mutter klappte die Zeitschrift zu, legte sie beiseite und kam langsam auf mich zu, bis sie einen halben Meter vor mir stand. Sie lächelte leicht und während sie sprach nickte sie immer wieder mit dem Kopf.

"Felix, du musst das doch verstehen. Bitte!", fing sie in einem flehenden Ton an, "Schule sollte nun einmal im Moment das Wichtigste in deinem Leben sein. Nicht Youtube oder deine Internetfreunde." Letzteres sprach sie voller Ekel aus.

Ich schaute sie fassungslos an. Zwar war sie damals nicht vor Freude in die Luft gesprungen, als ich meinen Channel eröffnete, aber ich wusste nicht, dass sie so negativ darüber dachte.

"Aber Schule ist mir doch wichtig!"

"Ja ja, das sieht man an deinen Noten...", antwortete sie abwertend.

"Mom, es war doch nur eine 5 in Mathe. Und die Klausur ist halt echt schlecht ausgefallen", versuchte ich zu vermitteln, "und außer-"

"Das hast du mir alles schon erzählt!", unterbrach sie mich, "aber es ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Schon seit längerem schaue ich dabei zu, wie du immer mehr schlechte Noten nach Hause bringst. Jetzt muss ich einmal handeln. Internetverbot für einen Monat!"

Ihr strenger Blick ließ keine Widerrede zu. Trotzdem versuchte ich es: "Aber Mom! Ein Monat... Das ist zu lange! Denk doch einmal an die ganzen Videos, die ich eigentlich in der Zeit machen müsste... Das kann ich doch nicht einfach so auslassen."

"Das ist mir egal, Felix", unterbrach sie mich erneut, "ich möchte, dass mein Sohn einen guten Schulabschluss hat. Und das geht nun einmal nicht, wenn du nicht lernst, sondern den ganzen Tag nur vor dem Bildschirm hängst."

Mir ihr ließ sich echt nicht verhandeln. Verzweifelt fuhr ich mir durch meine Haare. Gott, was sollte ich bloß tun? Einen Monat ohne Internet... Ich würde nicht mal ein paar Tage aushalten.

Diese ganze Situation zwängte mich total ein und ich wollte nur noch eines und zwar weg. Raus aus dem ganzen Chaos hier. Bevor ich es mir anders überlegen konnte, brüllte ich: "Weißt du, was? Du kannst mich mal! Wirst schon sehen, was du davon hast!"

Wütend rannte ich in mein Zimmer, suchte mir meinen Lieblingsrucksack und packte schnell ein paar Kleidungsstücke, mein Handy, mein Portemonnaie und ein paar Kaugummis ein. Dann zog ich mir meine Schuhe und meine Jacke an und bevor ich es mir anders überlegen konnte, rannte ich zur Tür hinaus. Als ich die Tür hinter mir schloss, sah ich noch den verletzten Blick meiner Mutter, die sich kein Stück bewegt hatte. Aber das war mir jetzt alles egal.

Während ich die von Laternen beleuchtete Straße entlangging, zückte ich mein Handy und rief die einzige Person an, die mich in diesem Moment verstand und die mir helfen konnte. Rewi.

erdbeersüß. | rewilzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt