Anfang oder doch Ende?

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Ich weiß es nicht. Hast du schon mal etwas geschrieben was dir gerade durch den Kopf ging? Exakt genau so wie du es gerade dachtest?

Einfach so?

Er (kann jeder von uns sein) brach zusammen. Zuerst fiel er auf seine Knie und sank dann kraftlos nach vorne. Diese Umgebung war ihm völlig fremd. Wie war er hierher gekommen? Was wollte er hier? Sein Herz stand gerade eben noch vor dem Zerspringen, blutete schon fast und dann... plötzlich war der Schmerz in seinem Inneren zu groß geworden. Was hatte er nur gemacht, dass seine Seele ihm das Herz zermartern wollte? Einen verzweifelten Atemzug tat er noch und dann verließ ihn auch der letzte Lebensfunke der in seinem Körper steckte. 'Was...? Warum...?'

Eine alte Legende die wahrscheinlich genau so alt ist wie der Planet erzählt, dass ein Mensch der unglücklich stirbt, nach dem Tode, einen Wunsch frei hat.

Stimmt das?

'Ich habe mein Leben gelebt. Nicht immer ganz so, wie ich es wollte, aber es ging stetig voran. Die meiste Zeit über war ich glücklich gewesen. Ja, ich lachte sehr viel, genoss die Gesellschaft meiner Freunde, tat eine Menge verrückter Dinge, schlief, weinte aber auch und langweilte mich. Ein ziemlich normales Leben also. Doch...'

Er stand auf und lugte in die Sonne. Einen Moment überlegte er, dann ging er in eine Richtung, in der sein Sinn ihn trug. Sein lebloser Körper blieb reglos an der gleichen Stelle liegen.

'Etwas stimmte nicht. Irgendetwas habe ich falsch gemacht. Was war das noch gleich? Ich kann mich einfach nicht daran erinnern. Es ist wie... verschwunden. Komisch. Mein Herz tut mir nicht mehr weh und irgendwie fühle ich mich frei. Hm... wohin gehe ich eigentlich? Noch besser, woher komme ich? Ich glaube...'

Sein Blick wanderte umher. Nichts als Sand und die Nacht. Doch er blieb nicht stehen. Etwas trieb ihn weiter.

'Ich habe einen Fehler gemacht. Nur... ich weiß nicht mehr was. Egal, es wird mir schon noch einfallen. Zur Not wird es mir meine Frau Lena schon noch erzählen, wenn ich zu Hause ankomme. Die vergisst so schnell nichts. Ha, habt ihr mal von dieser komischen Legende gehört? Die mit dem Leben nach dem Tod? Es soll ein Paradies geben. Egal was man sich vorstellt, es wird da sein. Alles um sich wohlzufühlen. Da war noch etwas. Ich komme nicht mehr drauf. Diese andere Legende mit dem Wunsch. Ach, lassen wir das.'

Er ging immer weiter und merkte nicht, wie sich sein Körper zurückbildete. Ohne es zu spüren, oder zu merken wurde er immer jünger.

'Kann ich dich mal was fragen? Hast du schon mal über dein Leben nachgedacht? Ja, ich weiß. Wer hat das noch nicht? Ich meine, was wäre, wenn wir die Chance hätten Vergangenes zu ändern? Überlege doch mal. Wir könnten Fehler ungeschehen machen, oder Komplikationen aus dem Weg gehen.' Er lachte leise in sich hinein. 'Ich könnte so manchen Streit mit meiner Freundin umgehen. Das kommt jetzt vielleicht plötzlich und wir kennen uns ja kaum, aber habe ich schon erwähnt, dass ich bald heiraten werde? Ist auch nicht so wichtig. Man könnte sein Leben so lenken, wie man es will. Alles würde perfekt sein. Man bräuchte sich nicht mehr darüber aufregen, was man verpasst, oder in seinem Leben falsch gemacht hat. Einfach zurück und es ungeschehen machen.'

Die Außenwelt veränderte sich ebenfalls mit ihm. In der Ferne konnte man die aufgehende Sonne erkennen. Der Sand, welcher gerade noch öde wirkte, vermischte sich mit Gräsern und ging später sogar in richtiges Grün über. Er spürte wie er immer näher kam. Aber an was?

'Aber wollen wir das wirklich? Lernen wir nicht durch unsere Fehler und Missgeschicke? Wenn man die Zeit beeinflussen könnte, kann man alles umgehen. Dennoch wirkt es nicht wirklich richtig. Das wäre doch nicht das Leben, welches wir hätten leben sollen. Man wüsste nie, wie sich eine Tracht Prügel anfühlt, weil man ja niemals etwas angestellt hat. Kein Schmerz und kein Leid. Wir sind den Sachen einfach ausgewichen. Ist es wirklich das, was wir wollen? Uns würde es an verdammt vielen Erfahrungen fehlen. Sie waren einfach nie passiert. Konsequenzen gäbe es nicht. Zum Beispiel. Ich habe vor Kurzem ein Mädchen kennengelernt. Sie ist wunderschön und ich hoffe das sie später mal meine Freundin wird. Denk mal nach. Wir hätten niemals Streit, weil ich immer wüsste, was ich tun muss, um das zu umgehen. Nie würde ich sie verletzen. Mein Herz würde bei einer Lüge nicht gleich zerspringen, weil ich sie einfach nie anlügen müsste. Alles wäre geradlinig und perfekt.'

Die Sonne wanderte empor und es wurde Mittag. Gleißend helles Licht strahlte dem Mann, welcher fast noch ein Teenager war, mitten ins jüngliche Gesicht. Er schritt an Stein vorbei, welcher die Grenze zu einer Stadt darstellte. Na ja, wohl eher ein Dorf. Es wirkte gemütlich und irgendwie vertraut. Ohne Bedenken schritt er weiter voran.

'Das wäre doch alles nicht richtig. So ist das Leben und in diesem gibt es nur eine Richtung. Wir können nichts ändern. Unsere Entscheidungen bleiben. Jeden Tag und jede Sekunde schlagen wir einen Weg ein von dem es kein zurück mehr gibt. Ich persönlich würde sagen, das ist ein Teil unserer Menschlichkeit. Zufälle, Gabelungen, Unvorhersehbarkeit. All diese vielen Dinge macht das Leben aus und so sollte es auch sein. Denke ich zumindest. Es gibt viele, die meine Ansicht nicht teilen, aber geschehenes sollte Geschehens bleiben, oder liege ich da...'

Noch bevor er den Satz vollenden konnte, bracht der Junge durch ein morsches Brett in einer Brücke und landete gut eineinhalb Meter weiter tiefer in einem kleinen Bach. Er fluchte: „Verdammt, das tat wirklich weh!" Schmerzend rieb er sich sein Hinterteil und schüttelte Wasser von sich. Nützte nichts. Er war klatschnass. Laute Flüche kamen über seine Lippen. Gerade wollte er sich hochstemmen, da streckte sich ihm eine Hand entgegen. Er blinzelte diese entgegen der Sonne an. Eine weibliche süße Stimme erklang. „Laut deinen Flüchen scheinst du dir ja alles gebrochen zu haben. Tut es sehr weh?" „Was? Ja, nein, alles in Ordnung. Bleibt bestimmt nur ein blauer Fleck von übrig. Meine Mutter wird sich wahrscheinlich mehr über das kaputte Hemd aufregen." Sie kicherte. Er starrte zuerst auf ihre Hand und dann durch die kaputte Sprosse in der Brücke über ihn, auf der er gerade noch gewandelt war. In der Abendsonne erkannte er die Umrisse eines Mädchens, welches er nicht kannte. Sie wackelte mit der Hand. „Lässt du dir jetzt helfen, oder muss ich weiter mit ausgestreckter Hand hier herumstehen?" Zögernd griff er nach ihr. „Kenne ich dich irgendwo her?" Mit einem Ruck zog sie ihn auf die Füße. „Ich bin neu hier. Mein Name ist Lena." Sie lächelte. "Wie heißt du?" Sie standen sich gegenüber. Einem Moment wusste er nicht, was er sagen sollte, dann öffnete er den Mund. „Ich heiße..."

Noch mal die Frage vom Anfang. Stimmt das?

Wenn du die Chance hättest, etwas in deinem Leben zu ändern.

Vielleicht entgeht dir eine wichtige Lehre.

Vielleicht wird alles besser.

Vielleicht wird es auch viel schlimmer.

Vielleicht entgehst du dem Tod.

Würdest du es wirklich tun? Du würdest!

...oder?

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