15 Minutes - lauf oder stirb

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Fukushima, der 11.03.2011- 14.40 Uhr

Noch 20 Minuten, dann war endlich der Unterricht in der Blue coast school beendet. Eigentlich mochte Hiroko ihr Wandler-Dasein als asiatischer Schwarzbär, auch wenn sie deshalb wegen ihrer eher breiten Körperform von Menschen schief angeblickt wurde. Doch dieses Problem hatte sie nicht mehr, seit sie auf die Wandlerschule in Fukushima ging. Nur ein Fach gefiel ihr gar nicht: „Verhalten in besonderen Fällen". Wozu sollte sie denn üben, was sie tut, wenn ein Erdbeben oder ein Tsunami die Schule erschütterte? Überall in der Schule hingen Auszeichnungen, weil sie ja so sicher gebaut war und jede Schule sich hier ein Beispiel nehmen sollte.

Wovor sollte sie also Angst haben? Ja, das Atomkraftwerk in der Nähe, bla, bla, bla... Ihr Onkel arbeitete dort schon sehr lange und der hatte ihr versichert, dass es nichts zu befürchten gab. Der Schutzwall wäre höher als der Durchschnitt und es gibt ein 1A-Sicherungssystem, sodass alles heruntergefahren wird, ehe etwas passieren konnte.

Und Hiroko vertraute ihrem Onkel. Mit dem einen Auge schielte sie immer wieder auf die Uhr an dem großem Turm auf dem Schulhof, den man von ihrem Klassenraum aus sehen konnte. Die Zeit kroch heute auch wieder nur so voran! Ihre Freundinnen Chihiro, ein Delfin, himmelte mal wieder nur Hachiko, den gutaussehenden Shiba Inu an, als sie vom Lehrer dran genommen wurde: „Chihiro, erzähl uns nun bitte noch einmal, wie es zu einer Kernschmelze im Atomkraftwerk kommt und wie wir dann handeln" „Ach... Ähh... Also Kernschmelze ist... wenn der Kern schmilzt? Und... ehh... wir gehen... ins Meer?" Nicht sehr überzeugend... Das fand die Klassenstreberin, ein Insekt, genauer gesagt eine Zikade namens Fukuro, die sehr gern laut, aber auch sehr besserwisserisch war, wohl auch. Sie rollte mit ihren dunklen braunen Augen und hob die schmale, blasse Hand. „Ja, Fukuro? Kannst du deine Klassenkameradin verbessern?" „Ja, also wie eine Kernschmelze funktioniert könnt ihr auf Seite 48 im Physikbuch nachholen. Wir fliehen, wenn es zum Beispiel durch einen Tsunami zu Problemen im Kraftwerk kommt, auf die Hügel am Stadtrand", sie grinste Chihiro an und richtete ihre zu langen dunklen Zöpfen gebundenen Haare.

Doch der Lehrer war noch nicht fertig mit ihrer Freundin: „Nun Chihiro, warum fliehen wir denn nicht ins Meer?" Als der Seidenhai Akatsuki Chihiros hilflosen Blick sah, antwortete er für sie: „Weil wir nicht alle Seawalker sind. Und vor allem gibt es zu viele gefährliche, spitze und kantige Dinge im Wasser, wenn es zu einem Tsunami kommt." „Richtig", sagte der Lehrer zufrieden. „Chihiro, bitte hole das noch einmal nach. Und du auch Hachiko. Ich merk doch, wie ihr da flirtet!"

Chihiro wurde rot, Hachiko blickte sie wütend an. Er hielt nicht viel von ihr, da er vorwiegend mit Schülern aus älteren Jahrgängen abhing. 14:45 Uhr. Nur noch eine Viertelstunde, freute Hiroko sich.

„Leute. Ich spüre da was...", unterbrach Akatsuki den von irgendetwas unwichtigem redenden Lehrer. „Ich fühle es auch", bestätigte Chihiro. Es kam auch Zustimmung von Fukuro, Hachiko und von Hiroko, bis der Lehrer beschloss, nach draußen zu gehen. „Ruhig und geschlossen, aber zügig, wenn ich bitten darf!", hörten wir eine andere Klasse, die die Treppe des großen Turmes herunterkam. Das war kein Spaß. Mittlerweile fühlte Hiroko es immer stärker. Ein Erdbeben! Und zwar kein kleines... Ein Blick auf die Uhr: 14:46 und 20 Sekunden.

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