Ich sank auf den Boden. Das erinnerte mich irgendwie an die Situation auf dem Nordturm als Severus mir den Bauch aufgeschlitzt hat. Bloß damals konnte ich weinen, jetzt waren meine Augen staubtrocken. Doch der Schmerz war tausend mal schlimmer als damals und ich wusste, das kein Medikament ihn heilen konnte. Ich wusste, dass für immer ein Loch in meinem Herzen sein würde. Ich spürte wie mir jemand tröstend auf den Rücken klopfte und plötzlich wurde es mir zu viel. Ich wollte kein Mitleid! Von keinem! Davon würden meine Eltern auch nicht zurückkommen. Also sprang ich auf die Füße und rannte aus dem Büro. Ich muss hier weg! Es gab nur eine Person die ich jetzt sehen wollte und die war ausnahmsweise mal nicht Sirius sondern mein Bruder. Vor dem Büro wartere Sirius, der erschrocken aufschaute, als ich die Tür aufriss und in den Gang rannte. "Was ist?" fragte er und hielt mich am Arm fest. "LASS MICH LOS!" schrie ich ihn an und verpasste ihm zum zweiten mal einen Stromschlag. Sofort wich er zurück und schaute mich geschockt an. Eine Sekunde plagten mich Schuldgefühle. Eine Sekunde lang schaute ich ihn entschuldigend an, doch der Schmerz war zu groß. Ich kann auf Sirius jetzt keine Rücksicht nehmen. Also wirbelte ich wieder herum und rannte immer noch tränenlos davon.
Ich saß auf dem Geländer des Nordturms und blickte auf den Schwarzen See hinab. In Gedanken war ich bei meinen Eltern. Bis gestern hatte ich mich kaum an sie erinnern können, doch plötzlich waren all die Bilder wieder da. Wie wir an Weihnachten Lieder um einen Tannenbaum sangen. Wie ich mit Mum einen ihrer geliebten Kirschtees trag. Wie Dad mir Phex, meinen treuen Uhu schenkt. Wie wir Familienquidditch spielen in total unfairen Teams. Sie hätten da sein sollen, immer. Beim Tanz in den Frühling, bei meinem Schulabschluss, bei meiner Hochzeit. Dad hätte mich zum Altar geführt und Mum hätte geweint. Ich sehe die Szene vor mir wie einen Film. Sie hätten mir beim Auszug helfen sollen, hätten irgendwann mal Großeltern werden sollen. Mit weißen Haar. Und dann wären mein Bruder und ich mit unseren Kindern an Weihnachten zum Familentreffen gekommen. Die Kinder hätten sich in ihre Arme geschmissen. Wir hätten alle Kirschtee getrunken, gesungen und gelacht. Jetzt rollte eine Träne über mein Gesicht. Und dann noch eine. Und dann schluchzte ich los und Tränen flossen wie ein Wasserfall. Ich saß immer noch auf dem Turmgeländer und drohte nach vorne herunterzufallen. Und es wäre mir egal. Doch kurz bevor ich ganz abrutschte, schlangen sich zwei starke Arme um meine Taillie. "Du wirst hier keinen Selbstmord begehen" murmelte Sirius in mein Ohr und zog mich von Geländer. Ich fiel ihm um den Hals und heulte immer weiter. Es tat so weh, so weh... "Dumbeldore hat es mir erzählt. Es tut mir leid, Allie. Aber es ist okay..." Ich schüttelte den Kopf. Es ist nicht okay.
Ich weiß nicht genau wie lange wir da standen und uns einfach nur im Arm hielten. Ich weiß nur das es sehr lange war. Inzwischen war es früher Mittag, doch meine Tränen wollten einfach nicht versiegen. Ich hatte das Gefühl Sirius ewig umarmen zu müssen, damit ich nicht auseinanderbreche. Seine starken Arme waren das Einzige, was mich vor dem Zerfall rettet. Doch dann kam eine Person, deren Umarmung ich noch dringender brauchte als Sirius - mein Bruder. Als ich Max bemerkte riss ich mich von Sirius los und rannte wie ein kleines Mädchen in seine Arme. Er drückte mich stark an sich und ich krallte mich in seinem Shirt fest. Nur nebenbei nahm ich wahr, dass Sirius den Turm verließ. Er wollte wohl meinen Bruder und mich alleine lassen. Im stillen dankte ich ihm dafür. Dann schluchzte mein Bruder auf und ich spürte seine Tränen auf meiner Haut. Ich hatte Max so gut wie nie weinen gesehen - er war immer stark und taff. Er war immer mein Beschützer gewesen. Natürlich haben wir uns oft gestritten, aber wenn es hart auf hart kam war er immer da gewesen. Und dieser junge Mann, einer der stärksten Menschen die ich kenne, weinte hier mit mir. Zeigte Schmerz und Verwundbarkeit. Seine Tränen ließen den Schmerz noch schlimmer werden. Sie machten den Tod meiner Eltern realer. Ließen dass, was bisher so unwirklich schien, echt werden. Holten mich aus der Illusion, unsere Eltern könnten doch noch am leben sein.
"Die Beerdigung ist auf Morgen Vormittag angesetzt." sagte Dumbeldore. Ich stand mit meinem Bruder in seinem Büro während die anderen Abendbrot essen. "Es ist alles Organisiert. Mr. Andrews, sie werden die Nacht hier verbringen. Morgen werden sie per Flohnetzwerk zum nächstgelegenen Kamin der St. George Kirche bringen. Dort findet der Gottesdienst und die Beerdigung statt. Bis jetzt alles richtig?" Ich und mein Bruder nickten. Wir wurden gefragt, wo sie Begraben werden sollen und wir haben uns für unseren jetzigen Wohnort entschieden. Wir hatten keine Großeltern, Tanten und Onkel mehr, die eine lange Reise hätten antreten müssen. "Am Abend werden sie beide wieder hierher zurückkehren und am Montag beginnt dann wieder der Unterricht. Mr. Andrews, sie müssen meiner Meinung nach auch wirder arbeiten?" Max nickte erneut. Er schien uns alle gar nicht richtig wahr zu nehmen... "Achso, Miss Andrews, sie haben gewünscht das Mr. Black, Mr. Lupin und Miss Evans sie begleiten?" "Ja" sagte ich mit kratziger Stimme. Dumbeldore nickte vor sich hin. "Na gut, dann gäbe es nur noch eins zu tun." "Das wäre?" hauchte ich mit brüchiger Stimme. "Sie beide dürfen sich eine Grabinschrift überlegen. Das, was auf dem Grabstein stehen soll." Ich schluckte krampfhaft und Dumbeldore ließ Max und mich alleine, damit wir uns beraten konnten.
Es regnete als wir aus dem Haus traten. Mit 'dem Haus' meinte ich jenes, welches am Flohnetzwerk angeschlossen war und von dem es nur noch 5 Minuten zur Kirche waren. Mit 'Wir' meinte ich Sirius, Remus, Lily, Max und mich. Das letzte Stück mussten wir zu Fuß gehen und kalter Regen fiel auf uns nieder, doch das nahm ich gar nicht wahr. Ehrlich gesagt nahm ich so gut wie gar nichts wahr. Ich war wie betäubt. Es fühlte sich alles an wie ein schlimmer Alptraum. Der schwache Nebel, der aufgezogen war, verstärkte dieses Gefühl. Ich sah im Tunnelblick die Kirche vor uns in den von Regenwolken verhangenen Vormittagshimmel ragen. Ich kam mir vor wie in einem dieser alten schwarz-weißen Stummfilme. Der dunkle Himmel ließ alle Farben verblassen und keiner sagte ein Wort. Was mir eigentlich ganz recht war. Mir war gerade sowieso nicht nach reden. Auch in der Kirche herrschte eine seltsame Stille. Es waren nicht viele Leute da. Sonstige Familie außer meine Eltern hatte ich ja nicht. Also waren nur wir, eine paar Freunde und ein paar Kollegen aus der Aurorenzentrale da. Die Blicke die man mir und meinem Bruder zuwarf bemerkte ich nicht. Und als die Orgelmusik anfing zu spielen nahm mein Bruder meine Hand und drückte sie. Eine stille Botschaft: Wir stehen das zusammen durch. Egal was kommt.
Als wir nach dem Gottesdienst die Kirche verlassen, hat es aufgehört zu regenen, doch es hängen immer noch schwarzgraue Wolken tief am Himmel und leichter Nebel schränkt die Sicht ein. Die kleine Menschentruppe geht zum Friedhof. Ganz hinten, an der kleinen, moosbewachsenen Mauer ist ein Grab ausgehoben. Es hat eine komische Stimmung, angespannt wie die Ruhe vor einem Sturm. Vor mir und meinem Bruder tragen sie die beiden schwarzen Särge. In der Kirche hatten sie Max und mich gefragt ob sie die Särge noch mal öffnen sollen, ob wir unsere Eltern noch mal sehen wollten. Ich wollte erst zustimmen, aber Max hielt mich davon ab. Er sagte, wir sollten sie so in Erinnerung behalten, wie sie waren. Inzwischen ließen sie die Särge in das dunkle, kalte Loch hinab und plötzlich und unerwartet kamen mir wieder die Tränen.'ICH BRAUCH EUCH NOCH, VERDAMMT!' hätte ich sie am liebsten angeschrien. Doch das würde sie auch nicht zurückholen. Nichts wird sie mehr zurückholen. Diese Erkenntnis traf mich erneut wie ein Schlag in die Magengrube und während sie das Grab langsam schlossen, sank ich auf die Knie und weinte Stumm. Doch dieses mal war ich nicht allein. Ich spürte Sirius, der sich neben mich gekauert hatte und mich fest im Arm hielt, spürte Max, der immer noch meine Hand hielt und diese ganz fest drückte. Ich spürte Lily, die mir tröstend über den Rücken strich und Remus, der seine Hand sachte auf meine Schulter gelegt hatte. Und obwohl geteiltes Leid halbes Leid ist, leidete ich am meisten. Mein Körper zitterte vor Kälte und Trauer und ein leichter Nieselregen hatte eingesetzt, als sie das Grab völlig geschlossenen hatten. Jetzt löste sich die Trauergesellschaft langsam auf. Und dann waren wir die letzten, die vor dem Grabstein kauerten, auf dem stand:
Thomas Andrews
Julia Andrews
Liebende Eltern
Beste Freunde
Tapfere Kämpfer
Gestorben für eine bessere Welt
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Euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr 2015 <3
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Von Magie und Liebe
FanficAllie zieht mit ihrem Bruder und ihren Eltern von Deutschland nach England. Doch da sie kein gewöhnliches Mädchen ist, sondern eine Hexe, besucht sie von da an auch Hogwarts - und trifft auf Sirius Black. Ob Sirius es schafft, sie zu verführen? Und...