Hyperdrive - Dugan

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Was sollte er ihr sonst schon sagen? Was sollte er den anderen sagen?

Dass er einen metallischen Geschmack im Mund hatte? Dass sich ein seltsam taubes Gefühl auf ihn gelegt hatte?

Aber verschweigen durfte er es ihnen auch nicht. Das wäre fahrlässig gewesen.

Dabei konnte ihnen in diesen Höhlen eigentlich nichts passieren. Wie hätte jemand schon durch den gleichen, dummen Zufall dieses Versteck entdecken sollen? Nur Verrat aus dem engsten Kreis konnte diese Zuflucht gefährden. Es war widersinnig. Andererseits hatte er in seinem Leben gelernt, auf die Instinkte zu vertrauen, die er durch die Lebensumstände seiner frühesten Jahre erworben hatte.

So schritt Dugan voran, als sie sich auf den Weg durch die ersten der kleineren Kammern machten, tiefer hinab, zu den eigentlichen und für den längeren Aufenthalt einer Gruppe von Menschen ausgebauten Höhlen. Jedes Mal wenn er sie durchquerte, erinnerten ihn diese Vorkammern an ein System von Hohlorganen, riesig vergrößert in den Stein gegossen. Die Eigenart des Felsens, aus dem das Labyrinth bestand, verwandelten sich hier, in die Hohlform des Inneren hinein gespiegelt, in etwas, das den Höhlungen eines lebendigen Organismus ähnelte, eigenartig weich und verschliffen, wie durch Wasser geformt. Er blickte sich vorsichtig um, musterte die Eigenheiten seiner Umgebung. Seltsame unerwartete Echos ihrer Bewegungsgeräusche huschten von irgendwo durch die Kammern, veränderten ihre Halleigenschaften von einer Sekunde auf die andere.

Er hatte die Hand an der SubMachineGun, hatte sie entsichert, gegen alle Vernunft. Die anderen hielten die Stille. Als sie sich dann dem Eingang der ersten großen Kammer näherten, schaltete er seine eigene Leuchte ab und gab auch den anderen ein entsprechendes Signal. 

Er stand im Dunkel in der Öffnung des Ganges, am Kopf der weiten, abwärts führenden, stufenförmigen Felsplatten. Sein Gesichtsinn war in dieser Düsternis fast gänzlich von Reizen abgeschnitten, doch alle anderen Sinne richtete er in die Kammer der tiefen felsumschlossenen Nacht.

Da war sein taubes Gefühl. Doch seine Ohren vermittelten ihm nichts, nur den hohen singenden Bordunton seines Nervensystems. Sein Geruchssinn vermochte nichts zu registrieren außer dem trockenen, leicht pulverigen Hauch des Steins. Die Haut seines Gesichts und seiner Unterarme verspürte keinen Hauch.

Die Tiefe des Raums, er versuchte sie auszufüllen mit seiner Präsenz und lauerte wachsam darauf, ob er auf das Gefühl einer fremden Anwesenheit stieße. Nichts geschah, außer dass plötzlich wieder die Erinnerung an den Blitz, mit dem das Unwetter losgebrochen war, in ihm hochflammte. Die mörderische Gewalt, mit der er gegen den Boden zuckte. Dann eine jähe Assoziation, ein Gedankenblitz, von herbstlich dürren Halmen und Vögeln im Haar. Unerklärlich und poetisch. 

Er strengte noch einmal seine Augen an, versuchte, mit ihnen das Dunkel zu durchdringen, doch selbst nach einer Zeit der Gewöhnung konnten sie der tiefen Dunkelheit hier drinnen nichts abringen.

Dugan schaltete die Lumineszenz-Röhre in seiner Hand wieder ein, und ihr Schein offenbarte ihm nichts als eine weite Höhle mit annähernd ebenem Boden, die sich nach verschiedenen Seiten hin zu weiteren Nebenkammern öffnete.

Er hatte sich wohl geirrt. Die atmosphärischen Aufladungen des Gewitters hatten anscheinend feine Saiten in seinem Inneren angeschlagen, die hauchzarte Entladungen in sein Unterbewusstsein gesandt hatten, und das hatte daraufhin all den unverarbeiteten Müll hochgesandt, die Befürchtungen, die dunklen, tragischen Erkenntnisse, die man selten ins Licht des Oberbewusstseins treten lässt. All das war unter der Last des sich zusammenbrauenden Unwetters zum Gefühl einer schweren, eckigen Münze auf seiner Zunge geronnen und einem tauben Gefühl, das unbehaust durch seinen ganzen Leib streifte. 

Wen wunderte das bei der Intensität all dessen, was geschehen war, nachdem er in seine Heimat zurückgekehrt war. 

Und bei allem, was er erreichte, flammte es immer wieder auf, jenes betäubende Gefühl, mit dem er jedes Mal wieder rang, das sich so gar nicht vertragen wollte mit den ihn treibenden Kräften, dem untergründigen Kraftwerk seines Zorns und mit seinem stoischen Pragmatismus. Es drängte immer wieder hoch und immer wieder vermochte er es schließlich in den Abgrund zurück zu schleudern: das Gefühl,  gerade wegen allem Erreichten auf verlorenem Posten zu stehen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 22, 2012 ⏰

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