KAPITEL 61

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Manuels Sicht: 

Als wir alle aus dem Raum rausgehen, ist es ruhig. Jeder ist in sich gekehrt. Auf der einen Seite froh, auf der anderen Seite schockiert. Ich darf Patrick als besten Freund behalten, aber ist es das Wert? Ich und Maudado sind keine Brüder. Klar wir sind irgendwie trotzdem verwandt, aber wie wird er reagieren? Sollte er das überhaupt erfahren? Wie stehe ich zu dem Ganzen überhaupt? Finde ich die Tatsache, dass er nicht mein Bruder ist schlimm oder, dass ich, und vor allem Maurice, angelogen wurden? Das mit dem Bruder ändert nichts...wir verstehen uns ja trotzdem sehr gut. Aber, dass wir belogen wurden...das nehme ich meinen Eltern sehr übel. Und wie wird Maudado das sehen? Wird er aggressiv werden? Seine Erdkräfte verwenden? Nicht, dass ich die Lage dann nicht entschärfen könnte...aber es geht nicht um die Kraft, die er freisetzen wird. Es geht um seine Gefühle.

Wie würde ich reagieren, wenn ich an seiner Stelle wäre? Ich d- "Manu? Alles klar bei dir?", unterbricht Patrick mich. "Ist die Frage ernst gemeint? Ich mache mir tierische Gedanken wegen Maurice. Wie wird er reagieren? Wie sollen wir ihn beruhigen? Und wer sagt es ihm?". "Deine Sorgen sind absolut berechtigt. Aber es bringt doch nichts sich den Kopf darüber zu zerbrechen oder?" "Was willst du denn sonst machen?", frage ich. "Nichts", antwortet mein Vater. "Wie meinen Sie das?", erkundigt sich Patrick. "Würde mich auch mal interessieren", hake ich nach. "Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß..", erklärt mein Vater nun mit einer Redewendung. "Du willst ihn also weiter anlügen?!", frage ich entsetzt und eher rhetorisch nach. Ich spüre in mir die Wut aufkommen. Ich balle reflexartig meine Hände zu Fäusten und schaue ihn schockiert an. Das meint er doch wohl nicht ernst. Nicht nur, dass er sein Leben lang angelogen wurde, NEIN, jetzt sollen wir auch noch weiter lügen? Lernen die aus nichts?! 

"Das kannst du vergessen. Er muss das erfahren. Es ist sein Recht das zu erfahren. Es ist unsere PFLICHT ihm das zu sagen! Wieso wollt ihr sowas vor ihm geheim halten? So etwas Wichtiges! Wie würdet ihr euch denn fühlen? Und was erwartet ihr auch von mir? Dass ich tatenlos daneben stehe und mit ansehe, wie ihr meinen Bruder schikaniert?! Ach warte: ICH VERGAß!". Ich lasse meiner Wut freien Lauf. Ich merke nicht wie ich durch meine Kräfte in die Luft fliege. Und meine Hände stark verkrampfe. Erst als ich zu Ende brülle und meine Familie und Patrick inklusive seine Familie zornig anblicke, realisiere ich die Situation und versuche mich zu beruhigen. Ich lande jedoch nicht, sondern schwebe noch wenige Zentimeter hoch über dem Boden. "Manuel! Solch ein Verhalten ist nicht angebracht. Und dulden wir auch nicht. Wir sind immer noch deine Eltern.", spricht meine Mutter mich an. Dulden sie nicht? Was soll ich denn sagen?! Ich werde mein Leben lang angelogen? Und Maurice nicht anders? Und ich solle ruhig bleiben? 

Doch bevor ich das Wort erhebe und meinen Gefühlen freien Lauf lasse, spüre ich eine Hand um meinen Arm. Ich drehe mich um und erblicke zwei rehbraune Augen, welche mir in die meinen schauen. "Was?", fauche ich gereizt. "Manu...bitte..irgendwie haben deine Eltern ja Recht." Ich reiße mich in einer Umdrehung los und blicke ihn einfach nur starr an. Wie kann er so etwas sagen? Ist ihm Maurice etwas egal? "Bitte was?!", gebe ich entrüstet von mir. Wie kann er so etwas behaupten? "Versteh mich nicht falsch, grundlegend bin ich auch dagegen, aber wäre es so schlimm? Wenn er es nicht weiß, kann er auch nicht verletzt sein...und wann fragt man danach? Bis jetzt hat er es doch auch nicht bemerkt..." "Und was ist mit seinen Erdkräften? Er wird das hinterfragen so wie wir auch", argumentiere ich. "Was ist denn, wenn wir einfach sagen, dass es Ausnahmen geben kann? Es ist sehr selten und er ist eine Art Wunder?", schlägt Patricks Mutter vor. "Mutter..du unterstützt uns?", fragt Palle überrascht. "Es gab lange genug Streit. So sollte unser erster Schritt sein, unsere Unterstützung anzubieten. Meint ihr nicht auch?", antwortet sie mit einem Lächeln.

"Glauben Sie, dass es funktionieren könnte?", fragt meine Mutter interessiert, doch noch immer mit einer zittrigen Stimme, welche sie noch vom Weinen hat. "Wenn wir das alle geheim halten würden, spräche da nichts gegen oder? "Doch?! Das Moralische? Wieso seht ihr es als so schlimm an, ihm die Wahrheit zu sagen?", mische ich mich nun ein. "Er wird verletzt und aufgebracht sein. Und im Notfall, andere Leute angreifen..", sagt mein Vater. "Ihr solltet dazu stehen einen Fehler gemacht zu haben.", erkläre ich meinen Standpunkt und lege Tatsachen dar. Was erwarten denn alle? Dass ich damit völlig fein bin? Klar stört sie es nicht. Sie wurden ja auch nicht angelogen."
"Ihr werdet ihm das sagen", sage ich stur und überkreuze meine Arme vor meiner Brust. "Manuel, es gibt auch andere Kinder, die adoptiert wurden und es bis zu ihrem Lebensende nicht herausfinden. Ist es nicht die Entscheidung deiner Eltern ihm zu sagen ob er adoptiert ist oder nicht?" "Adoptiert in Anführungszeichen...", korrigiere ich ihn. Und ab hier bin ich unsicher...es stimmt schon...es gibt auch Andere, die auch nie erfahren was los ist...aber will ich das Maudado antun? Kann ich überhaupt daneben sein und ihm in die Augen schauen, wenn ich weiß, dass er in einer Lüge lebt, die ich auch noch aufrecht erhalte?

"Keine Ahnung...macht irgendwie was ihr wollt...ich finde es trotzdem mies. Ich sage es ihm nur nicht. Das ist eure Aufgabe. Und wenn er das herausfindet und dementsprechend handelt, mache ich euch dafür verantwortlich", sage ich. "Er wird ja wohl kaum jemanden umbringen", scherzt meine Mutter. "Sehen wir das ganze nicht so eng", stimmt auch Patricks Vater meiner Mutter zu. Wenn alle gegen mich sind...was soll ich dann machen? Protestieren? "Außerdem wird er das nicht herausfinden", versichert Patrick mir. "Wenn ihr meint.." "Jetzt lasst doch mal diese ernste Stimmung weg. Ich bin froh, dass unsere beiden Völker sich nicht mehr mit Differenzen gegenüberstehen und wir auf einem Weg der Besserung sind", stellt Patrick mit lachender Miene klar. Und ich stimme ihm bedingt zu...trotzdem...ist das der richtige Weg? Ist das damit geklärt? Ich hoffe... 

Die Kraft der Elemente || Kürbistumor || ABGESCHLOSSENWo Geschichten leben. Entdecke jetzt