Kapitel 1 - Der Auftrag

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Celosia trat aus den Schatten hinaus und blickte hinauf in Richtung der brennenden Sonne. Aber nur kurz, dann senkte sie den Kopf wieder und stellte sicher, dass die Kapuze ihres langen, lilafarbenen Umhangs ihre Augen im Verborgenen hielt. Die Iris ihrer Augen war rot und der einzige Hinweis auf ihr dämonisches Inneres, welchen sie nicht tarnen konnte.
Es ging ein leichter Wind, der ihr durch die sehr langen, pechschwarzen Haare wehte und sie schlang die Arme um den Körper, den Stoff des Unhangs an sich drückend. Sie nahm Kälte stärker war, als die Menschen und die anderen Magischen es taten. Sie wusste, dass viele Feuerdämonen in der Lage waren, sich mithilfe ihres Elementes gegen die Kälte abzuschirmen. Doch Celosia war dazu noch nicht in der Lage - war sie doch erst 16, ein Jungdämon, quasi noch ein Kind. In Anbetracht ihres ewigen Lebens war das nichts.
Sie lief weiter über den sandigen Boden des Hauptweges, und steuerte den Marktplatz des Dorfes an. Dort würde sie ihren Stand aufbauen und so tun, als würde sie Sachen verkaufen.
Eigentlich war es heute ihre Aufgabe, einen bestimmten Menschen zu finden. Eine Aufgabe, der der Herrscher der Hölle ihr gegeben hatte. Er gab ihr stets neue Leute, die sie ihm bringen sollte, damit er deren Seele aufnehmen konnte. Der Markt war der ideale Ort, diese Menschen zu finden, immerhin war er der Hauptverkehrspunkt des Dorfes.

Mit gesenktem Kopf lief Celosia über den von der Sonne gewärmten Boden, zwängte sich hin und wieder durch Menschenmengen. Sie erreichte ihren Platz, baute ihren Stand auf und breitete ihre Waren aus: Schmuck mit Kugeln aus Lavastein als Perlen, welche sie selbst hergestellt hatte.
Eine Bedeutungslosigkeit in Anbetracht ihrer eigentlichen Aufgabe.

So hockte sie sich hin und wartete. Hin und wieder näherten sich Menschen ihrem Stand, die erst die Ware, dann sie beäugten. Tatsächlich verkaufte sie auch etwas, aber ihr Ziel war noch nirgends zu sehen.
Als Celosia schon zu glauben wagte, sie bliebe erfolglos, schlich sich plötzlich jemand in ihr Blickfeld.
Es war jedoch nicht der Mann, auf den sie es abgesehen hatte. Ein Wachmann hatte sich breit vor ihr aufgebaut und nagelte sie mit misstrauischen Blicken fest.

„So so, junges Fräulein", schnarrte er, „habt Ihr denn eine Lizenz für euren Stand?"
„Eine Lizenz?", Celosia spielte das Unschuldslamm. Welch Ironie.
„Wisset, im Jahre 1401 ist es für Standbesitzer verpflichtend, eine Lizenz zu besitzen und diese bei Nachfrage auch vorzuzeigen", der Wachmann klang jetzt langsam ungeduldig.
„Gewiss", gab Celosia gelassen zurück, „so mag es sein, doch ich besitze keine." Ihre Lippen formten sich zu einem breiten Grinsen, was ihre spitzen Zähne entblößte.
„Im Namen des Herrn!", entfuhr es dem erschrockenen Wachmann, was Celosia nur noch mehr amüsierte.
„Was ist mit Euch? Habt Ihr noch nie..."
„Eine HEXE! Verbrennt sie!", schrie er.

Natürlich. Diese Menschen, die an einen Gott im Himmel glaubten und sofort jede, die ihnen nicht passte, als Hexe abstempelten. Celosia begann, sich in diesem Dorf zu langweilen, doch in gerade diesem Moment brach eine leichte Panik in der Menschenmasse aus.

„Hexe!"
„Wo ist sie?!"
„Helft uns!"

Da sprang Celosia etwas ins Auge.
Ein Mann in dunkelgrüner Kleidung huschte über den Rand des Marktes, unbemerkt von der Menge. Der Wachmann schien am Boden festgewurzelt, denn er rührte sich nicht und machte einen angestrengten Gesichtsausdruck, verängstigt und wütend zugleich. Die junge Dämonin nutzte diesen Moment aus, erhob sich von ihrem Stand und schlich an der Mauer hinter ihr entlang in Richtung der Gasse, in welcher der Mann verschwunden war.
Ganz kurz blickte sie zurück, nur um mit Genugtuung festzustellen, das der aufgebrachte Wachmann die nicht minder aufgebrachte Menschenmasse zu beruhigen versuchte.
Sie ging zügig weiter, sorgsam darauf bedacht, kein Geräusch zu verursachen und ihr Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
Er hatte sich einige Male umgeblickt und sie gesehen, jetzt beschleunigte er seine Schritte, doch Celosia würde ihn nicht entkommen lassen. Nun rannte sie fast, der Umhang wehte hinter ihr.
Sie grinste erneut.
Er hatte keine Chance.
Und sie sollte recht behalten, denn er war schnurstracks in eine Sackgasse gelaufen. Er drückte sich mit dem Rücken an die Mauer, die hoch über ihm aufragte, doch es gab kein Entkommen. Celosia schritt langsam näher, sie hörte seinen hämmernden Herzschlag. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet und er sah sie mit einem verwirrten und verängstigten Blick an.

„Was wollt Ihr von mir? Ich habe nichts getan!", presste er hervor und schien sich nichts mehr zu wünschen, als mit der Mauer hinter ihm zu verschmelzen.
„Was Ihr getan oder nicht getan habt, ist unwichtig", erwiderte Celosia und schob ihre Kapuze zurück. Beim Anblick ihrer Augen erschrak der Mann noch mehr als so schon.

„Euer Ende ist gekommen."
Und sie schlug ihm mit aller Kraft ins Gesicht, zeichnete ein Pentagramm in den Sand und verschwand unter Flammen mitsamt ihrer „Beute".

Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt