Part1

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Vielleicht war es ein Fehler.

Vielleicht sollte sie die schwere Klinke einfach nicht anfassen, das kühle Metall hinter mir und die Tür verschlossen lassen. Was genau war denn auch an einem Arbeitszimmer so spannend? Es konnte ja nur sein normales Arbeitszimmer sein. Ein paar Bücher, einen Laptop. Nun gut, und einen Schreibtisch aus schwarzem Holz natürlich, so etwas würde zu ihm passen. Und die Lampen hätten alle einen leichten Blauton, was die Lichttemperatur anging. Es würde überhaupt nicht zu ihm passen, es irgendwie mit persönlichen Dingen zu schmücken. Sie könnte wetten, kein einziges Bild dort zu finden.

Und obwohl sie ein so klares Bild in meinem Kopf hatte, wie exakt er wohl die Möbel ausgerichtet hatte, weil er so verdammt spezifisch war über alles, so neugieriger war sie. Es konnte auch komplett anders sein. Seine Mütter hätte es einrichten können, auch wenn sie keine Ahnung hatte, ob er überhaupt Kontakt zu seiner Mutter hatte. Nie erzählte er etwas von seiner Familie, seinen Freunden. Es musste sie ja schließlich geben, zumindest war sie sich dessen etwas sicherer als der Tatsache, dass er gar keine Bindungen zu irgendwem hatte. Sie hätte ihn fragen sollen, aber... andere Dinge kamen da eher zur Priorität.

Sie schüttelte den Kopf. Es konnte doch nicht so schwer sein, eine blöde Tür zu öffnen, kurz hineinzuschauen und dann wieder rückwärts den Flur entlang und die Treppe hinunter in den Salon zu gehen.

»Du machst das jetzt.«, murmelte sie und drückte die Klinke hinunter. Schwer und ächzend schwang die Tür auf und natürlich musste sie sich daran erinnern, dass sie im Endeffekt doch gar keine Ahnung hatte, wer er war.

Sonnenlicht fiel durch die hohen Fenster hinein, der Staub wirbelte leicht auf und man sah die winzigen Partikel in den Lichtstrahlen wirbeln.

Die Wände wurden von hohen Bücherregalen gesäumt, die wohl aus massivem Holz waren und wie aus einem anderen Jahrhundert wirkten. Es passte zum Rest des Hauses, welches laut seinen Aussagen schon mehrere Jahrhunderte alt war. Sie hätte nicht erwartet, dass er rein gar nichts an dem Haus geändert hatte, außer vielleicht moderne Anlagen hier zu installieren.

Mit kribbligen Händen ging sie an den Regalen entlang, ließ die Finger über die alten Buchrücken fahren und war sich nach einigen Minuten sicher, keines der Titel zu erkennen, geschweige denn die Sprache zu verstehen, in der sie betitelt worden waren.

Sie ließ die Regale hinter sich und trat an einen Tisch, den sie bisher nicht sehen hatte können. Auf ihm waren mehrere Glaskästen mit bronzenen Kanten, in denen sich gepresste Blumen und andere Gewächse befanden, gestapelt worden. Es waren um die ein Dutzend, und auch wenn sie kein Gewächs erkennen oder zumindest sagen konnte, wo es wuchs, fand sie den Gedanken unfassbar schön, dass er sich die Zeit nahm, so etwas zu tun.

Wieder drehte sie sich um. Mehrere Tische auf dunklen Teppichen waren zusammengewürfelt in die Mitte gestellt worden, auf denen sich Massen an Bücher stapelten. Alle aufgeschlagen, mit Eselsohren und bunten Markierungen und einige Lesezeichen dazwischen. Sie sahen vergilbt aus, längst vergessen, und sie konnte sich vorstellen, wie er von einem Buch zum anderen wanderte und versuchte, vieles gleichzeitig zu machen.

Unter dem Tisch waren Holzkisten mit Metallveredelungen verstaut worden, doch es waren so viele, dass sie nur die äußeren erkennen konnte.

Rechts von ihr war eine Sitzecke, auch wenn sie bezweifelte, dass er viel Besuch hier herein ließ. Der Raum war recht klein, die Möbel gequetscht, und fast jeder Zentimeter schien von irgendetwas belegt zu sein.

Sie trat näher an den großen Studiertisch heran und versuchte ein paar der Texte zu entziffern. Keine der Worte schien irgendeinen Sinn zu ergeben, alles Sprachen, von denen sie noch nie gehört hatte oder die schon längst nicht mehr gesprochen wurden.

Die ganzen Bücher waren noch nicht von Staub besetzt, auch wenn sie sehr wohl wusste, dass er die meiste Zeit hier verbrachte. Die Regale sahen dementsprechend sehr unbenutzt aus. Er schien alle wichtigen Dokumente hier zusammengetragen zu haben und seitdem kein Buch weggeräumt oder ein neues aus dem Regal geholt zu haben.

Zwischen den Bücher lagen leere Fläschchen und Phiolen, die im goldenen Sonnenlicht glitzerten und bunte Reflektionen auf die vergilbten Seiten projizierten. Blaue, Grüne, Violette, Rote.

Sie nahm sich wieder eines der Bücher und studierte es etwas interessierter. Es trug schwarze Zeichen in sich, die ihr fremd und vertraut zu gleich vorkamen, als hätte sie diese bereits einmal gesehen. Und sogar erst letztens gesehen.

»Spannend, so ein Buch, nicht?«

Quietly - OSWo Geschichten leben. Entdecke jetzt