Kapitel 2 - Den letzten Nerv

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„Ich bin sehr zufrieden mit Eurer Arbeit", sprach die tiefe, herrische Stimme zu Celosia. Nachdem sie das Opfer gefangen hatte, war sie sofort in die Unterwelt zurückgekehrt, um es ihrem Herrn zu übergeben.
Dieser ragte nun vor ihr auf, das Opfer gepackt, bereit, seine Seele einzuziehen. Der Mann war starr vor Angst, seine Augen flitzten in wilder Panik umher. Würde ihm nicht gleich seine Seele genommen werden, so würde er vermutlich in Kürze an Herzflattern sterben.
Celosia zog sich zum Eingang des Raumes zurück, wo sie sich an die glühend heiße Steinwand lehnte. Sie würde warten müssen, bis ihr Herrscher ihr gestattete, zu gehen.

„I-Ich...h-habe...n-nichts...ge-getan", stotterte der Mann und Celosia war überrascht, dass er überhaupt einen Ton herausbrachte, angesichts seiner Situation.
Dies brachte den Teufel zum Lachen, was sich in dem weiten Raum zu grollendem Gepolter entwickelte. Ehe der zitternde Mensch erneut den Mund öffnen konnte, packten die Klauen des Teufels fester zu. Dem krachenden Geräusch berstender Knochen folgten Schmerzensschreie, schließlich riss der Herrscher der Hölle seinen Mund auf und biss dem Mann den Kopf ab.
Celosia sah zu, wie die glühende Seele des Mannes seinen blutüberströmten und deformierten, nun leblosen Körper verließ. Der Teufel sog sie in sich auf, konsumierte sie, verspeiste sie. Als die Seele in seinen gewaltigen Körper gelangte, glühte dieser ebenfalls für einen Moment auf, im nächsten Moment herrschte wieder Ruhe. Zufrieden und gesättigt warf er den blutigen Haufen aus Fleisch und Knochen in den nächstbesten Lavafluss, der den Raum durchkreuzte.
Dieses Erlebnis war recht intensiv für die junge Celosia. Zwar würde ihre Natur bald dafür sorgen, dass sie selbst Gefallen an diesen makabren Ritual fand, jedoch war es üblich, dass mehrere dieser Art nötig waren, bis diese Entwicklung eintrat. Stets redete sie sich ein, dass sie diese Erfahrung machen musste. Sie musste lernen, stärker werden. Nur so konnte sie es.

Der Teufel wandte sich nun wieder ihr zu.
„Wie bereits gesagt...Ihr habt gute Arbeit geleistet. Morgen werdet Ihr Euch einem Dorf weiter südlich des heutigen annehmen. Ihr dürft nun gehen", wies er sie an und während sie sich hinausbegab, konnte sie spüren, wie sein Blick auf ihr ruhte.
Dies war ein Blick, der selbst Feuerdämonen wie ihr eisige Klauen in den Rücken bohren konnte.

Als sie aus dem Raum hinausgetreten war, ging ihr Körper fast unmittelbar in Flammen auf. Das Feuer loderte kurz und hell, daraufhin war Celosia verschwunden.

Sie fand sich auf einem Hügel wieder, der von sonnenverbranntem Gras bedeckt war und auf dem ein großer Baum mit ausladender Krone emporwuchs. Unter eben diesen beschloss sie, sich zu setzen und schlug ihre Kapuze zurück. Etwas an der Oberwelt zog sie an, faszinierte sie. Auch wenn man ihr beigebracht hatte, die Menschen zu hassen, was sie natürlich auch tat, so war sie doch recht angetan von der Natur des Diesseits und den Facetten der Welt.
Celosia schlug die Beine übereinander und blickte auf das Dorf, welches zu ihren Füßen lag. Dieses Dorf würde ihr morgiges Ziel sein. Einen Augenblick folgten ihre Blicke den zahlreichen geschäftigen Menschen, die umher eilten. Ja, eigentlich hatten die Dämonen guten Grund, sie zu hassen. Menschen nahmen sich einfach zu wichtig. Sie hielten sich für die Könige der Welt, dabei waren sie doch nichts weiter als winzige Zahnräder im Uhrwerk der Ewigkeit.
Das Gute war, dass Zahnräder nicht für immer funktionieren konnten. Und irgendwann würde man sie nicht mehr austauschen können.
Celosia war so tief in ihren Gedankenexperimenten versunken, dass sie nicht bemerkte, wie sich ihr jemand näherte. Es war ein junger Mann, der etwa in ihrem Alter zu sein schien, vielleicht noch ein Stück älter. Er hatte dunkelbraunes, leicht welliges schulterlanges Haar, wie fast jeder zu der Zeit. Sie nahm ihn erst war, als er sich räusperte, woraufhin sie ihren Kopf ruckartig hob.
„Ähm...seid gegrüßt", begann er das Gespräch. Was wollte der denn jetzt von ihr? Celosia war niemand, die gerne mit denen sprach, die sie verachtete. Also sagte sie nichts und sah den Typen unter ihrer Kapuze einfach nur unverwandt an.
Warum konnte er denn nicht einfach verschwinden?!
„Was wollt ihr?", gab Celosia zurück, mit einer nur schwer überhörbaren Genervtheit in der Stimme.
„Nun...ich bin Barde, und wollte Euch fragen, ob Ihr nicht Lust hättet, für ein paar Münzen ein wenig meiner Musik zu genießen?"
Sie bemerkte erst jetzt die Leier, die er mit sich trug. Na toll.
„Habt Ihr im Dorf etwa nicht genügend Publikum?", stellte sie die Gegenfrage, sie wollte nichts mehr, als ihn endlich abwimmeln. Jetzt begann er aber zu ihrem Leidwesen ellenlang zu erzählen, dass die Leute ja ach so beschäftigt seien und gar nicht dazu kämen, seine wunderbaren Lieder zu genießen. Es war unfassbar, er hörte gar nicht mehr auf zu plappern. Celosia hatte schon nach der ersten Hälfte des ersten Satzes abgeschaltet und nutzte den Moment nun, um ihn etwas genauer zu betrachten. Sie schätzte ihn auf ungefähr 17 oder 18, genau ließ sich das nie sagen. Er sah aus wie der typische Mensch eben, vielleicht etwas besser als der Durchschnitt. Er war außerdem recht dünn, er wäre als Kämpfer wohl eher ungeeignet gewesen. Seine Augen waren das einzig interessante an ihm, denn sie waren von einem tiefen Braun.
Aber der Typ langweilte Celosia. Gerade redete er über irgendwelche seiner Lieder, die von Blumenwiesen und tanzenden Menschen handelten. Ihr kam jetzt schon das Kotzen, dieser Mann raubte ihr schier den letzten Nerv. Gerade als sie überlegte, ihn kopfüber an den Baum zu hängen und als lebende Fackel zu missbrauchen, kam ihr eine andere Idee. Simpel, aber funktionierte immer.

Also packte sie den Saum ihrer Kapuze und zog sich diese vom Kopf, sodass ihre Haare frei fielen.
„Oh", entfuhr es dem Typen.

Dann kam, was kommen musste:
Er sah ihre Augen.
Die verräterische, rote Iris, dazu die schlitzförmigen Pupillen. Er wich merklich zurück, die Augen geweitet, den Mund offen.

„Was...bist du?!"

Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt