Kapitel 3 • Nacht •

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Seit dem Tod meines Vaters war ich die Dunkelheit gewöhnt. Ich passte mich an die Finsternis der Nacht an, lehrte mir mithilfe der uralten Schriftrollen der Akademie die vielen Geschichten der Vampire und selbst meine Augen hatten sich die Nacht bereits zu Nutzen gemacht.

Meine Glieder schmerzten weiterhin und ohne die Augen zu öffnen, wusste ich, dass ich nicht alleine war. Der knartzenede Boden des Gutshauses erklang wie schwere und trübe Musik, während Stimmen im Haus hallten.

Schließlich war es das Geräusch einer Tasse Tee, die auf dem Tisch abgestellt wurde, welches mich aufschauen ließ.

Raphael setzte sich auf dem mit roten Samt bezogenen Sessel und betrachtete mich. Obwohl ich mich insgeheim fragte, wie  er mich betrachtete mit seiner Augenbinde. Es war kein Geheimnis, dass Vampire ein äußerst gutes Gehör besitzen und ich traue mir zu behaupten, dass er meinen Herzschlag hören könnte. Er hatte sich bestimmt angeeignet, die Präsenz andere wahrzunehmen.

"Guten Abend, Madame. Ich hätte nicht erwartet, dass Sie heute noch erwachen.", sagte er und stellte die Tasse Tee ab.
"Mein Name ist Raphael. Ich kam noch nicht dazu, mich vorzustellen. Ich bitte aufrichtig um Vergebung, dass Ethan Ihnen ein Schreck eingejagt hat. Er ist etwas impulsiv und gegenüber Menschen ist er meistens negativ gestimmt."

Ich ließ meinen Blick über ihn schweifen. Sein Kleidungsstil war nicht gerade ... modern. Noch immer lag ich in einem Zimmer, welches auf mich wie ein Salon wirkte. Das Feuer des Kamins flackerte und zuckte, während ich mein Augenmerk auf die aufwendig gestaltete Tapete richtete.
Die Stille hüllte Raphael und mich ein, ließ nur das Knistern der Flammen hervorstechen.

Schließlich neigte der Vampir den Kopf schief und blickte in meine Richtung.
"Ich verstehe.", begann er. "Ich kann Ihre momentane Situation nachvollziehen. Sie müssen nicht mit mir sprechen, wenn Sie es nicht möchten. Doch es würde Ihre Zeit hier um einiges verbessern. Schließlich werden Sie hier für einige Wochen bleiben müssen."

Rasant drehte ich meinen Kopf zu ihm und sofort jagte ein Schmerz durch meinen Körper. Die Verbände waren immer noch um meine Beine und Arme gewickelt. Ich fühlte mich beinahe wie eine Mumie. Allerdings musste ich gestehen, dass der pochende Schmerz langsam nachließ.

"Wie lange?", krächzte ich. Bei dem Klang meiner eigenen Stimme wurde mir bewusst, wie schwach ich war.
"Ethan meinte, dass Ihre Verletzungen gute vier Wochen bis zur vollständigen Heilung dauern könnten. Sie müssen wissen, dass er sich in dem Gebiet der Medizin hervorragend auskennt."

Ich rappelte mich auf. "Welch eine Ironie, dass genau die Heilung von Menschen seine Begabung ist, obwohl er meinesgleichen so sehr verachtet."

Raphael hob eine Augenbraue. "Sie haben sich mit ihm unterhalten? Ich dachte, er hätte Sie nur verarztet, während Sie schliefen."

"Zum Glück nicht.", zischte ich. "Als ich aufwachte, hatte ich das kurze Vergnügen mit ihm Bekanntschaft zu machen. Wenige Minuten später wollte ich gehen, doch ich war zu schwach, um stehen zu können."

"Danach sind Sie in Ohnmacht gefallen, Madame Minuit. Ich muss Ihnen gestehen, dass es uns die Sache wesentlich einfacher gestaltet, da Sie bereits über die Existenz unserergleichen Bescheid wissen. Dürfte ich fragen, woher Sie diese Informationen haben?"

Ich stockte.
Die Bilder meines Vaters jagten durch meinen Kopf. Wie ein Alptraum, der sich wiederholte und immer schlimmer wurde. Ich sah seinen Körper, der an die Wand genagelt wurde, um ihn herum Meter hohe Flammen und ein Pfahl, der durch sein Herz geschlagen wurde.
Wie bei einem Vampir. Nur mit dem Unterschied, dass mein Vater der Jäger dieser Kreaturen war.

Ich bemerkte nicht, wie sich Raphael erhob, doch ich spürte auf meiner Haut den feinen Windstoß, als er näher kam. "Sie müssen nicht antworten.", meinte er. "Sie hatten einige anstrengende Tage hinter sich. Außerdem berichtete uns Ethan, dass Sie ohne Gepäck unterwegs waren. Und das obwohl Sie weit weg wohnen. Sie waren vermutlich vor etwas geflohen, nicht wahr?"

Hunters of Night - Moonlight Lovers FF {ABGESCHLOSSEN}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt