Epilog

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~ 23. Dezember ~

Nora

„Deine Haare riechen nach Zimt", murmelt Nico, der hinter mir auf dem Bett liegt und erfolglos versucht meine Aufmerksamkeit zu ergattern. Ich sitze im Schneidersitz auf meinem Zimmerboden. Mit rotem Geschenkband zwischen meinen Lippen eingeklemmt versuche ich Klebeband abzureissen.

„Habe heute Zimtsterne gebacken", erkläre ich und schaffe es endlich, einen Streifen Klebeband abzuzupfen.

Nico, welcher bäuchlings auf meinem Bett liegt, umarmt mich jetzt von hinten und vergräbt die Nase ganz in meinen Haaren. Ich angle lachend nach seinen dunkelblonden Wellen, die mir jetzt ins Gesicht fallen und löse mich dann sanft aus seinen Armen.

„Du versperrst mir die Sicht. Ich muss noch echt viele Geschenke einpacken, also lenk mich nicht ständig ab", meine ich gespielt genervt und Nico stöhnt frustriert.

„Hast du nich' langsam genug Zeugs eingepackt?", mault er genervt und deutet auf den Riesen Haufen Geschenke, die ich auf dem Teppichboden ausgebreitet habe. Es sind wirklich eine Menge Geschenke, aber schliesslich gibt es an Weihnachten nichts schöneres als seinen Liebsten eine Freude zu machen.

„Ich hab' halt viele Verwandte", gebe ich postwendend zurück und wickle die Kaurimuschelohrringe für Katie, die ich beim letzten Strandurlaub gekauft hatte, in gepunktetes Geschenkpapier.

Nico wollte mir eigentlich beim Einpacken helfen, aber seine Einpackkünste sind leider weniger vorhanden. Seine Geschenke sehen aus, als hätte sie ein blindes Dinobaby eingepackt.

Seufzend lässt sich Nico nach hinten fallen und ich summe leise zu der Weihnachtsmusik, die aus dem Radio ertönt.
Morgen war Heiligabend. Ich liebe Heiligabend, Weihnachten und alles drum und dran. Das gemütliche Zusammensein mit der Familie, leckere Weihnachtskekse, die Weihnachtslieder... einfach alles.
Schnee gehört da aber auch irgendwie dazu, nur geschneit hat es bis jetzt leider noch nicht.

Schnee war für mich schon immer etwas Magisches. Klingt vielleicht kindisch, aber Schnee hat die Macht von einem Moment auf den nächsten eine graue, eiskalte Welt in ein absolutes Märchen zu verwandeln. Wie eine weisse Decke breitet er sich über dem Land aus.
Na gut, zwei Tage später ist er dann nur noch grauer Matsch, der an den Schuhen klebt und aussieht wie ziemlich missratenes Slushieis. Aber davon reden wir jetzt nicht.

Weisser Puder-Schnee ist wie ein kleines Wunder und immer wenn es schneit, weiss ich einfach, dass etwas Gutes passieren wird ...

Und Gutes ist im Moment viel passiert. Nachdem ich erfolgreich genesen war, durfte ich das Krankenhaus endlich verlassen. Nico ist in der Schule trotzdem kein einziges Mal von meiner Seite gewichen und hat die ganze Zeit während ich Krücken hatte, meine Bücher getragen.

Auch Katie hat Nico echt ins Herz geschlossen, aber vor allem versteht sie sich blendend mit Kayla. Die beiden scheinen irgendwie auf der selben Wellenlänge zu sein. Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag.

Ich vermeide es immer noch, Leon über den Weg zu laufen und Nico scheint das ganz recht zu sein. Auch wenn er und sein Bruder sich besser verstehen, seit Nico mit Rick ausgezogen ist, werden die beiden wohl nie beste Freunde werden. Von Emily haben wir nichts mehr gehört, seit dem Vorfall. Sie scheint sich komplett von Rick und Nico abkapseln zu wollen. Aber vermutlich ist es so am besten.

Lächelnd lege ich Katies Geschenk, auf welchem jetzt eine rote Schleife thront, zu den restlichen Päckchen auf meinem Schreibtisch und wische erschöpft die Hände an meiner Jeans ab.

„Bin jetzt fertig", erkläre ich Nico und will mich schon überschwänglich verbeugen, doch von meinem Jungen kommt keine Antwort.

Als ich mich umdrehe, bemerke ich, dass Nico eingeschlafen ist. Die Haare fallen ihm ins Gesicht, die Lippen hat er zu einem leichten Lächeln verzogen.

Ich mustere ihn einen Moment lächelnd und stelle dann die Musik aus, damit er nicht aufwacht.
Das Nico schläft ist wahrscheinlich das schönste Weihnachtsgeschenk, dass ich bekommen konnte. Seit er nämlich die Schlaftabletten vor einigen Wochen abgesetzt hat, hat er noch selten eine ruhige, erholsame Nacht gehabt.
Ständig wacht er schweissgebadet aus dem Schlaf auf, dreht sich noch Stunden hin und her oder wacht mitten in der Nacht auf.
Mein Herz bekommt jedes Mal einen kleinen Stich, wenn ich ihn mitten in der Nacht am offenen Fenster sehe, tief durchatmend, die Haare raufend. Ihn jetzt so friedlich und unbeschwert schlafen zu sehen, macht mich einfach nur glücklich.

Auf Zehenspitzen schleiche ich durch mein Zimmer und schalte das Licht aus. Es ist bereits nach Mitternacht und stockdunkel draussen.

„Frohe Weihnachten, Nico", flüstere ich leise, als ich mich zu ihm runterbeuge und ihm eine seiner hellen Wellen aus dem Gesicht streiche.

So leise wie möglich öffne ich das Fenster und atmete tief die frische, eiskalte Nachtluft ein. Es ist kalt draussen und ich fröstle als ich mich leicht nach vorne beuge, um auf die Strasse zu sehen. Ich muss an Morgen denken, an ein Weihnachtsfest mit meiner Familie und Nico.
Nico der jetzt auch zu meiner Familie gehört.

Mit leiser Vorfreude darüber, dass ich mich gleich zu ihm kuscheln kann, atme ich noch einen letzten Zug kalte Winterluft ein und in dem Moment bemerke ich sie.

Viele weisse kleine Flocken die wie unzählige kleine Sterne vom Himmel auf mein Fensterbrett schweben und die Welt in eine Märchen verzaubern.
Es fühlt sich an, als ob der Schnee nur für mich allein vom Himmel schneien würde.

Nur für mich allein, in diesem Moment.

Ich fange einige Flocken mit der Hand auf und mustere die klitzekleinen Verzierungen. 

Es hatte begonnen zu schneien. Alles würde gut kommen.



~ Ende ~

Frohe Weihnachten...

Eure theworldadventurer <3

Zwei Sterne am NachthimmelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt