Kapitel 5 - Tod mit Tod bekämpfen

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Etwa 4 Tage waren nun vergangen, seit Celosia das erste Mal bemerkt hatte, dass etwas nicht in Ordnung war. Sie hatte an jedem dieser Tage wie sonst auch auf dem Hügel unter dem Baum gewartet, in dessen Stamm die beiden vor etwa 11 Monaten ihre Initialen geritzt hatten. Doch an keinem der 4 Tage ließ sich Theodor an ihrem üblichen Treffpunkt blicken und mit jedem Tag wuchsen die Besorgnis und Angst Celosias. Was war nur geschehen?
Hatte sie etwas damit zu tun?
Hatte sie einen Fehler gemacht, ihn verletzt?
Doch Celosia wollte beim besten Willen nichts einfallen, womit sie ihrem Freund hätte wehtun sollen.
Obwohl sie als Dämonin nicht wirklich auf Schlaf angewiesen war, ruhte sie während dieser Tage überhaupt nicht. Sie versuchte es zwar, da sie glaubte, es würde ihr helfen, den Kopf freizubekommen, doch stattdessen bewirkte es das Gegenteil.

Nun dämmerte der Morgen des 5. Tages und Celosia begab sich, wie üblich, an den Ort aller Orte. Es war ziemlich warm, ihr Umhang schien ziemlich überflüssig, doch sie musste getarnt bleiben. Sie verbachte also wieder einmal Stunden dort sitzend, starrte in den Himmel, kratzte am Baum, zeichnete in die Erde. Nachdem sie schier endlos gesessen war und gewartet hatte, nahm sie eine Bewegung wahr. Zum ersten Mal nach 5 Tagen sah sie einen Menschen auf dem Weg zum Hügel. Erst sprang Celosia auf, um in die Baumkrone zu klettern, doch als der Typ näher kam, erkannte sie, dass es Theodor war.
Unglaubliche Erleichterung und Freude erfüllten ihren Körper. Sie war es absolut nicht gewohnt, so lang nichts von ihrem Freund zu hören, hatten sie sich zuvor doch jeden Tag getroffen.

Theodor kam zu ihr auf den Hügel, mit einem seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht. Er war heute ganz in schwarz gekleidet und schien, völlig anders als sonst, nicht sonderlich erfreut über ihre Anwesenheit.
Fassungslos starrte Celosia in die ins Leere blickenden, braunen Augen des jungen Mannes, den sie so liebte.
Kaum fähig, Worte rauszubringen, stellte sie ihm die Frage aller Fragen:

„Was...ist nur los?"

Er antwortete erst einen langen Moment nicht und die Dämonin bekam arge Zweifel daran, dass er sie überhaupt gehört hatte. Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit, stellte Celosia fest, dass er weinte. Sein Gesicht war starr, wie festgefroren, und glitzernde Tränen rollten langsam seine Wangen hinab.
Es fühlte sich an, als packe etwas ihr Herz und quetschte es. Celosia tat es weh, ihren Freund so zu sehen. Mit pochendem Herzen hob die eine zitternde Hand und berührte leicht seine Wange, um ihm die Tränen wegzuwischen. Doch als sie seine Haut berührte, zuckte er zusammen, und erschreckte das Mädchen. Aber sie fing sich wieder, und ohne ein weiteres Wort rückte sie näher an ihn heran und schlang die Arme um ihn.

„Er...er ist tot", kam es nun schwach von dem schniefenden Theodor.
„Ludwig...er...ist gestorben..."

Celosia drückte ihn eng an sich und erzeugte eine leichte Wärme, damit er sich wohler fühlte. Obwohl sie ihn nicht ansah, stellte sie fest, dass sein Körper wie gelähmt war.

Sein Herz schlug beinahe so schnell wie das ihre, doch Celosia spürte, dass sie nicht im Einklang schlugen. Als er keinen Ton mehr von sich gab, ließ sie ihn langsam los, die Angst nagte in ihrem Inneren. Sein Blick ruhte nun auf ihr, hielt sie fest, fixierte sie, durchbohrte sie. Mit ungewöhnlich fester Stimme fand Theodor plötzlich die Worte wieder.

„Er ist tot", sprach er, ohne das Gesicht zu verziehen. Celosias Augen weiteten sich mehr und mehr, sie konnte ihren Freund einfach nicht begreifen.
Doch da sagte er auf einmal etwas, worauf sich Celosias Eingeweide schmerzhaft zusammenzogen:

„Du hast ihn umgebracht."

Eiseskälte fuhr ihr durch den gesamten Körper. Das war es, was ihn beschäftigte? Er glaubte tatsächlich, dass sie schuld am Tod seines Onkels sei?!
„Theodor...wie kannst du glauben, dass ich es war?! Ich würde dir so etwas niemals antun!", rief sie wütend und traurig zugleich und ihre Stimme brach.
Er blickte sie nur mit zusammengezogenen Augenbrauen an.
„Ich weiß, dass du es warst. Du...bist eine Dämonin. Eine Dienerin der Hölle...du...bist Abschaum."
Diese Worte trafen Celosia härter, als sie es je für möglich gehalten hatte. Sie war doch stark gewesen, unantastbar, hatte sich einen Dreck um die Menschenwelt geschert. Bis dieser Barde in ihr Leben getreten war und es für immer auf den Kopf gestellt hatte. Und was gerade geschah...das konnte doch unmöglich real sein?! Geschah das alles hier wirklich?!

„Nun kann ich nicht verstehen, wie ich mich jemals mit dir abgeben konnte. Ich würde ja sagen, fahr zur Hölle, aber das käme dir wohl zu gelegen." Sein Mund verformte sich plötzlich zu einem hässlichen, überhaupt nicht zur Situation passenden Grinsen.
Wer, im Namen des verdammten Lebens, war dieser Mann?! Celosia erkannte ihn nicht wieder. Eine eiserne Klaue hatte sich um ihr Herz geschlossen, es von allen Seiten zerdrückt und letztendlich zerrissen.
Was tat sie noch hier?
Schneller als jemals kritzelte sie mit dem Fuß das Pentagramm. Nichts wollte sie lieber als hier verschwinden. Wollte weder ihn, noch sonst irgendwen sehen. Und bevor der Wahnsinnig gewordene noch irgendwelche weiteren Beleidigungen und Flüche auf Celosia werfen konnte, war diese auch schon mit einem Funkenregen verschwunden.

Als sie sich in der Unterwelt wieder manifestierte, knallte sie beinahe gegen die Steinwand.
Konnte Liebe so schnell vergehen? Reichte ein Vorfall ohne jegliche Beteiligung ihrer Seite aus, um seinen ewigen Hass auf sie zu ziehen?

Theo's POV
Verbittert starrte er auf die paar Funken, die übrig waren von der Flammenreise der Dämonin.
Das Mädchen, das er einst geliebt hatte.
Nun war sie ihm auf einmal fremd.
Hatte er sich zuvor noch so stark gegen seine Gedanken gewehrt, so war er jetzt vollends von ihnen eingenommen.
Und er stellte sie nicht infrage.
Er glaubte jedes Wort, jede Vermutung, die ihm sein Gehirn lieferte.

Sie hatte es nicht gesagt, doch er wusste es, er hatte es in ihren Augen gesehen. In ihren blutroten Augen der puren Verdammnis. Nur sie konnte Schuld tragen am Tod seines Onkels.
Ja, er hatte viel über Dämonen gelesen. Hatte sich informiert. Hatte sämtliche Werke gewälzt. Hatte jede Information, die er kriegen konnte, in sich aufgesogen.
Und in diesem Moment, als er langsam den Pfad vom Hügel Richtung Dorf hinabging, war er sich seines neuen Ziels sicher.
Er wusste, was er tun musste.
Er würde den Tod mit Tod bekämpfen.

Die Dämonin musste sterben.

Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt