Kapitel 21 - Emotionen

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Habe ich schonmal erwähnt, dass ich Staubsauger hasse? Ja? Na dann. Ich hasse sie.

Einmal will man unter seinem Bett saugen und fünf Minuten später hat man fünf Latten in der Hand. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass ich keine Zeit mehr habe, weil ich mich mit Jule und Sam zum Eislaufen verabredet habe. Also lasse ich das Holz in meiner Hand fallen, aber nicht ohne einen bösen Blick.
Ich beschließe, mir eine schwarze Leggins und ein weißes, weites Shirt anzuziehen. Beim Eislaufen werde ich es mir vielleicht noch zusammenknoten, um mehr Freiheit zu haben. Keine drei Sekunden später, klingelt es auch schon an meiner Tür. Auf dem Weg nach unten packe ich noch schnell die wichtigsten Dinge in meine kleine Handtasche, zum wichtigsten Teil Tampons, da ich gerade mitten in der Erdbeerwoche bin. Am Eingangsbereich fische ich noch Kuschelsocken und meine Schlittschuhe aus meinem Wäschekorb und Wandschrank, ehe ich voller Vorfreude die Tür öffne und einem frisch gestyltem Julian entgegengrinse und ihm voller Euphorie eine herzliche Umarmung schenke.
,,Mein Auto steht da vorne, kommst du?"
,,Japp, los komm! Ich will aufs Eis!",drängel ich ihm wie ein kleines Kind.,,Ich freu mich so! Weißt du, früher war ich immer Papas kleine Eisprinzessin."
,,Echt? Also kannst du diese ganzen Drehungen und Sprünge?"
,,Japp. Das Springen muss ich nur mal wieder probieren. Ich habe es ja seit fünf Jahren nicht mehr gemacht.", erwiedere ich etwas betroffen. Nach ein paar Schritten sind wir auch schon beim Auto angekommen und als ich den hinteren Sitz berühre, fällt mir Kai auf, der ebenfalls im Auto sitzt. Sam sitzt vorne mit einem breitem Lächeln im Gesicht. Von beiden werde ich nett gegrüßt, jedoch kann ich mit keinen von beiden ein Gespräch anfangen. Also mit Kai ja so oder so nicht, aber mit Sam wäre es möglich gewesen. Aber Jule funkt dazwischen und quetscht mich weiter aus.
,,Und warum hast du aufgehört?"
,,Naja also zum einen habe ich zu der Zeit angefangen, mich mehr auf die Schule zu konzentrieren, da ich in die zehnte Klasse gekommen bin und zum anderen hat mir meine Oma damals versprochen mir ein Kostüm zu nähen, für einen europaweiten Wettkampf, aber sie konnte es leider nicht fertigstellen und somit habe ich den Juroren abgesagt, weil ich diese Kür, wenn nur mit dem Kleid meiner Oma machen wollte. Naja und dann ging der ganze Stess bei mir los und ich hatte schlichtweg keine Zeit mehr."
Nach meinem kleinen Vortrag ist es erstmal still im Auto und Julian konzentriert sich kurz auf die etwas komplizierte Lage im Staßenverkehr.
,,Warst du Eiskunstläuferin?"
Sams Frage quittiere ich mit einem kurzen Nicken.
Die restliche Fahrt ist es recht still im Auto und als wir angekommen sind, stürme ich fast schon zum Eingang. Madeleine, die nette Besitzerin der Eishalle, steht wie schon damals hinter den Tresen.
,,Liv? Ach Gottchen! Willst du wieder alle verzaubern? Ach warte, sieh dich doch mal an. So erwachsen und hübsch."
Die recht große, mitte 60 alte Frau betrachtet mich mit einem liebevollem Lächeln.
,,Ja, ich habe jetzt ja die Möglichkeit dazu zu fahren. Und dankeschön. Wie geht es dir?"
Im Hintergrund bekomme ich mit, wie die Jungs den Eingangsbereich kichernd betreten.
,,Mir geht es sehr gut Herzchen. Sind das deine Begleitpersonen? Und was hast du bis jetzt so gemacht?"
,,Ja sind sie und ich bin jetzt Physiotherapeutin bei Bayer Leverkusen also dem Fußballverein. Ich habe ja in Amerika studiert."
,,Ach Herzchen, ich wusste, dass du einmal erfolgreich wirst, aber jetzt hopphopp aufs Eis! Ich suche dir ein passendes Lied heraus, ja?"
Mein Blick schwankt zu Kai, Jule und Sam, die mich wie Madeleine schon dazu drängen mir meine Schuhe anzuziehen. Die Jungs leihen sich währenddessen welche aus und begleiten mich nachher noch mit normalen Schuhen zur Eisfläche.
Wie ich diesen frischen und kalten Geruch, dieses Gefühl vermisst habe. Da wir die Eishalle für uns gebucht haben, ist sie leer und wir, beziehungsweise ich habe genug Bewegungsfreiheit.
,,Los, jetzt geh schon und tu, was du tun willst.", werde ich von Sam gedrängelt.
Erst fahre ich mich ein paar Runden warm, bis die Klänge eines Streichinstrumentes zu hören sind.
Aus den Lautsprechern ertönt in einer lauten, jedoch sehr angemessenen Lautstärke der Anfang von dem wunderschönem Lied Beautiful mess. Ich lege mich am Anfang hin und lasse mich nach ein paar Sekunden schon von der Musik leiten. Durch das Eis untermeinen Füßen, der eisigen Luft um mich herum und der Leere in meinem Kopf, kann ich mich der Melodie komplett hingeben und meinen ganzen Emotionen, Gefühlen, Träumen und meiner Leidenschaft freien Lauf lassen. Sprünge sind bei meiner Freiheit, die ich verspüre nicht notwendig. Bei jedem Schritt spüre ich, wie ich alles um mich rum vergesse und mich dem Eis hingebe. Die Kufen flitzen schon fast alleine über das frische und glatte Eis. Manche Teile des Klanges veranlassen mich dazu, meinen Tanz kurzzeitig im Stehen fortzuführen, um sofort wieder mit dem Eis in zarten, aber ausdrucksstarken Bewegungen zu verschmelzen. In meinen Drehungen fühle ich mich wie ein freier Vogel, der durch die Lüfte schwebt. Meine Hände und Arme passen sich automatisch der Musik an, während mein Kopf frei von allen Problemen und jeglichen Gefühlen wird. Am liebsten würde ich nie wieder aufhören förmlich hochzuheben und das ganze in freier Höhe fortzuführen. Es fühlt sich an, wie ein Sprung aus dem Flugzeug, voller Adrenalin, obwohl die Musik einen gedanklich wieder auf ein niedrigeres Level bringt. Am Ende lasse ich noch einmal alle meine Gefühle raus. Meine Liebe, meine Trauer, meine Wut. Alles, was ich in diesen fünf Jahren nicht herauslassen konnte, lasse ich aus meinem Kopf fliehen und frei. Als der instrumentale Abspann des Liedes ertönt, drehe ich mich noch einmal gefühlvoll aus, um anschließend im sicheren Stand vor allen zu Stehen.
Vor mir erstreckt sich eine Reihe von drei Personen, die mich mit offenen Mündern anstarren. Sam ist der erste, der sich aus seiner Starre löst und mit wackeligen Beinen zu mir herüberfährt.
,,Das",er deutet auf die Eisfläche.,,War der absolute Hammer!"
,,Danke"
Auch Julian und Kai kommen auf uns zu. Während der Blondschopf auf mich zu rast, scheint Kai noch in seinen eigenen Gedanken gefangen zu sein.

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Uff, dieser Teil von der Kür hat mich so philosophisch gemacht und war so anstrengend
Wie fandet ihr es?

P.S. Eigentlich habe ich keine Ahnung von Eiskunstlauf 😂

Uuuuund das von mir genannte Lied ist absolut underrated. Es ist einfach so wunderschööön und I love it! Nehmt euch die drei Minuten und hört es euch an.😇❤️

ASO UND BTW 200 VOTES! ❤️❤️

Habt noch einen schönen Sonntag! ❤️

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