5. Kapitel

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Kalter Wind fuhr durch Klippenfalls Pelz, als er sich mit einer Wühlmaus und einem Kaninchen im Maul einen Weg durch die Schilfrohre am Rand des Flusses bahnte. Beide Tiere waren leichte Beute gewesen, die Maus war mager und das Kaninchen hatte eine Verletzung am Bein. Klippenfall hatte Glück gehabt, die Jagd schnell beenden zu können. Bei seinem Aufbruch zur Jagd hatte Wolfsfeuer noch tief geschlafen und er wollte den anderen Krieger nicht allzu lange allein lassen.

Achtsam behielt er seine Umgebung im Auge und verfluchte in Gedanken das Rauschen des Schilfes im Wind, das die Schritte eines möglichen Verfolgers übertönen könnte. Oder eher die einer Verfolgerin.

Er wäre wohl kaum so verunsichert gewesen, wenn Wolfsfeuer und er auf ihrer Rückreise von den Bergen nicht immer und immer wieder Hinweise gefunden hätten, dass sie verfolgt wurden. Wäre es nur ein Augenpaar gewesen, das sie aus einem Strauch heraus beobachtete, oder ein Flecken von plattgetrampeltem Gras, an dem nicht einmal der Hauch eines Geruches hing, wäre Klippenfall natürlich sofort klar gewesen, dass sie es sich bei dem Beobachter lediglich um die Geisterkatze handelte. Das alles kannte er schließlich schon von der Reise zu seiner eigenen Kriegerprüfung.

Aber diesmal war es anders.
Einmal war Wolfsfeuer beim Versuch, ein Eichhörnchen zu fangen, in einen Weißdornstrauch gesprungen und hatte sich an einem spitzen Ast einen tiefen Kratzer im Gesicht zugezogen, weshalb er darauf bestanden hatte, Kräuter gegen eine drohende Entzündung zu suchen. Sie waren ein Stück zurück zu provisorischen Lager der letzten Nacht gegangen, denn Klippenfall hatte sich daran erinnert, dass dort ein Büschel Ringelblume wuchs - eines der Kräuter, die Wolfsfeuer auf Hagelsturms schmerzende Pfote aufgetragen hatte, bevor sich ihre Wege getrennt hatten.
Dort angekommen, hatten sie jedoch feststellen müssen, dass die Ringelblume nicht mehr am Rand des Lagers stand. Wo sie gestanden hatte, war nur noch aufgewühlte Erde und einige dünne Wurzeln, die an die Oberfläche ragten. Das Heilkraut entdeckten sie ein paar Fuchslängen weiter unter dem Zweigen eines umgestürzten Naselbaumes, wo Klippenfall und Wolfsfeuer in der Nacht geschlafen hatten. Zu ihren zwei alten Nestern war nun noch ein weiteres dazugekommen, eines, das aus kreuz und quer übereinandergeworfenen Ringelblumen und Farnwedeln geschaffen worden war. Und das, obwohl sie diesen Ort erst vor kurzer Zeit verlassen hatten. Trotzdem gab es inmitten des Pflanzenhaufens eine kleine Mulde als hätte eine Katze darin geschlafen.

Das dritte Nest war jedoch noch längst nicht alles. Neben den Überresten von Wolfsfeuers und Klippenfalls Beute, die irgendjemand wieder ausgegraben hatte, lagen nun auch noch die Reste einer Drossel. Den Vogel hatte bestimmt keiner der beiden NachtClan-Krieger gefangen. Über all dem hing der Geruch einer Kätzin, doch ein leichter Nieselregen hatte ihn bereits so weit abgeschwächt, dass Klippenfall nicht mehr hatte sagen können, ob er ihn irgendwoher kannte…

Es war ihm vorgekommen, als hätte hier eine Katze versucht, den Anschein zu erwecken, dass sie nicht zu zweit, sondern zu dritt unterwegs wären. Wozu das gut sein sollte, war ihm jedoch ein Rätsel. Nur eines wusste Klippenfall sicher: Ihr Verfolger war diesmal nicht der Geisterkater.

Zwar war ihnen seit ganzen drei Sonnenaufgängen kein Hinweis auf die Verfolgerin mehr aufgefallen, doch das musste nicht bedeuten, dass sie das Interesse an den NachtClan-Katern verloren hatte.
Vielleicht, dachte sich Kilppenfall, hat sie auch einfach dazu gelernt… Solange er keine Gewissheit hatte, würden sie mit allem rechnen und vorsichtig sein müssen.

Klippenfall kroch unter dem Stamm einer umgekippten Weide hindurch und betrat die kleine Lichtung, die er und Wolfsfeuer bei Sonnenuntergang zu ihrem Lager erklärt hatten. Es war die letzte Möglichkeit dafür gewesen, bevor sie die Zweibeinerfelder überqueren und die Clans erreichen würden. Schließlich wollten sie nicht unter freiem Himmel schlafen, denn das taten nur FederClan-Katzen.
Zwischen einigen flachen Felsen hatten sie sich ihre Nester gebaut und Wolfsfeuer schlummerte noch immer in einem von ihnen. Dahinter, halb vom dichten Unterholz verdeckt, war die Stelle zu sehen, an der Hagelsturm vor einigen Monden fast in die Schlucht gestürzt wäre.

Verworrene Pfade ~ Finstere Sterne // Band 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt