„Weißt … du eigentlich, wie spät es ist …?“
Normalerweise hätte er sich diese Frage sparen können, aber dennoch stellte er sie immer und immer wieder, bis er nicht einmal mehr darüber nachdachte. War sie doch im Laufe der Jahre zu ihrer eigenen kleinen Begrüßungsfloskel geworden. Zumindest, wenn er mitten in der Nacht aus dem Schlaf geklingelt wurde. Doch trotz allem fehlte den Worten die übliche Schärfe.
Am anderen Ende der Leitung blieb es still. Verschlafen blinzelte Iwaizumi gegen die von dunkeln Schatten bemalte Decke seines Zimmers, das Handy lag ihm schwer in den müden Fingern. Noch immer war kein weiteres Wort zwischen ihnen gefallen, sodass er schon glaubte, seine Fantasie habe ihm einen Streich gespielt.
„… Iwa-chan …“
Dann konnte er ihn hören. Den schweren, leicht abgehakten Atem seines Freundes, Liebhabers und ehemaligen Captains. Der Klang seiner Stimme fraß sich direkt in Iwaizumis Hirn. Nackt, farblos, ohne die aufgesetzte, trügerische Heiterkeit. Kein Lachen, kein Kichern. Nur er selbst. Nur Oikawa, wie er ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte.
„Was …“, presste Iwaizumi mühsam hervor. Die Müdigkeit war von einer Sekunde auf die nächste verschwunden. Dafür breitete sich ein dumpfer, beinahe schmerzhafter Druck in seinem Magen aus. Irgendwas stimmte nicht, stimmte ganz und gar nicht.
„Oi-Oikawa? Tōru? Was ist los? Mach den Mund auf!“, blaffte er regelrecht ins Handy. Ohne es zu bemerken, hatte er sich im Bett aufgesetzt, presste das schmale Plastikgehäuse des Telefons nun so fest er konnte an sein Ohr. Ein eiskalter Schauer lief dem Sportler den Rücken hinunter, während er den hallenden, nun hektischen Atemzügen Oikawas lauschte.
„Ich … wollte euch … nur viel … Glück für das Spiel heute wünschen …“, trällerte ihm sein Kindheitsfreund nach einigen Sekunden zu, doch klang es eher kraftlos und bei weitem nicht so frech und provokant, wie man es erwarten würde.
Das Spiel. Die Landesmeisterschaft. Eigentlich grenzte es an ein Wunder, dass sie es ohne ihn so weit geschafft hatten. Ihr Team war außerordentlich gut, hervorragend. Unschlagbar hatte man ihnen gesagt. Aber ohne Oikawa war es nicht das Selbe.
„Ich … versteh nicht. Und dafür klingelst du mich aus dem Bett, Shittykawa? Na warte, das bekommst du morgen zurück …“, antwortete Iwaizumi so gelassen wie möglich. Dabei war er alles andere als ruhig. Das Herz schlug ihm bis zum Hals. Etwas unkoordiniert schälte er sich aus der Decke, angelte gleichzeitig mit der freien Hand nach seiner Hose.
Durch das Telefon hörte er Oikawa lachen. Ein raues, nachsichtiges Krächzen. „… Iwa-chan … lass es … bleib da …“
Iwaizumi erstarrte mitten in der Bewegung. Es knackte unangenehm, als sich seine Finger fester um das Handy schlossen.
„Was … meinst du …? Woher …?“
„… Iwa-chan … selbst … wenn ich wollte … hätte ich nicht mehr … genug Kraft … um dir aufzumachen … bleib einfach bei mir … bis ich …“
Mit jeder weiteren Silbe wurde seine Stimme immer leiser, schwächer. Iwaizumi erblasste. Übelkeit, Panik bemächtigte sich seiner. Das konnte nicht, das konnte er doch wirklich …
Was bin ich denn noch ohne Volleyball, Iwa-chan?
„Tōru? Jetzt lass den Scheiß! Sag mir jetzt sofort, wo du bist? Hörst du mich? Hey, du egoistisches Arschloch?!“, schrie Iwaizumi. Seine Stimme drohte zu kippen, Verzweiflung schwang unüberhörbar darin mit. Mittlerweile hatte er es aus dem Bett geschafft, doch sein Puls hämmerte so laut in den Schläfen, dass er Oikawas letzte Worte fast nicht verstanden hätte.
„… lass … mich … doch … Iwa … chan …“, flüsterte Tōru hauchzart. „... ich ... liebe … dich …“
Ende ....?
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Stay with me
FanfictionWas war Oikawa noch ohne seinen geliebten Volleyball? Anscheinend nicht genug, um zu leben. ★ Iwaizumi♥︎Oikawa ★ ★ Oneshot, Liebe, Angst, Verlust, Tod★