Ein Willkommen mit Bedinungen

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Deine Seele ist uns Willkommen

Montag, 10.08.2020

Raylyn:

Vor meinem Apartmentkomplex parkten, zwischen den Autos meiner Nachbarn, der edle Rolls Royce von heute Morgen und der beige Peugeot meiner Mutter. Ich zitterte leicht, als ich über den Parkplatz humpelte. Mein Magen hatte den gesamten Weg bis hier hin noch verrückt gespielt. Meine Handinnenflächen waren schwitzig.

„Also, wollen wir rein?", nahm mich Mrs. Finkelman nahe dem Auto stehend in Empfang. Mr. Finkelman saß neben ihr im Rollstuhl. Seine Hände bereits geduldig gefaltet. Er würde hier unten auf uns warten müssen, denn über einen rollstuhlgerechten Eingang verfügte mein Apartment nicht. „Klar", sagte ich, doch ich fühlte eher jede andere potentielle Antwort. „Keine Angst", fing Mrs. Finkelman meine wild flackernden Augen mit den ihren ruhigen Haselfarbenen auf. „Der richterliche Beschluss ist durch." Sie hielt mir den Screen ihres Handys unter die Nase, auf dem ein Schreibdokument geöffnet war. „In Obhutnahme der Raylyn Winters durch Mr. und Mrs. Finkelman", konnte ich flüchtig lesen, bevor die Buchstaben, durch Mrs. Finkelmans Bewegungen im Laufen verschwammen. „Gut", sagte ich. Meine Kehle schmerzte. „Sie wird uns dennoch nicht händeküssend in Empfang nehmen." „Das erwarte ich auch nicht. Ich bin gewappnet. Wir machen es so kurz und schmerzlos wie irgend möglich", versicherte mir Mrs. Finkelman, während wir die metallenen Treppenstufen zur oberen Etage emporstiegen.

Zitternd führte ich meinen Schlüssel in das Schlüsselloch ein und drehte ihn herum. Im Inneren des Schlosses klickte es und die Tür schwang nach innen auf. Meine Mutter saß am Küchentisch. Ihr Blick kalt und starr auf mich gerichtet. „Wo zum Teufel bist du gewesen?", fragte sie, die Stimme voller Entgeisterung, noch ehe ich den ersten Fuß meiner Krücke über die Türschwelle hatte setzen können. „Guten Tag, Ms. Winters", trat Mrs. Finkelman hinter mir ins Erscheinungsbild meiner Mutter. Mein Atem ging zitternd, als ich in meine Wohnung humpelte. Jacky grüßte mich wehklagend maunzend, doch verflüchtigte sich voller Verunsicherung unters Bett, als sie die Fremde erblickte. „Wer sind denn Sie?", fragte meine Mutter und erhob sich, ihre Schultern steif und aufrecht, als versuche sie sich größer zu machen, als sie war. „Mein Name ist Heather Finkelman", entgegnete Mrs. Finkelman. „Was wollen Sie hier?"

„Hast du einen Drucker, Raylyn?", fragte mich Mrs. Finkelman, die neuste Frage meiner Mutter ignorierend. Ich deutete zu meinem Schreibtisch, auf dem neben meinem zugeklappten Laptop ein in die Jahre gekommener Schwarz-Weiß-Drucker stand. Mrs. Finkelman ging entschlossen darauf zu und schaltete ihn ein. „Wer ist diese Frau, Raylyn?", fragte meine Mutter nun scharf in meine Richtung. Ich schloss die Tür hinter mir. Ein leises Piepsen durchschnitt die Stille im Raum, als sich Mrs. Finkelmans Handy per Bluetooth mit meinem Drucker verband. „Ich habe mich doch bereits vorgestellt, Ms. Winters", nahm Finkelman mir erneut das Antworten ab, wofür ich sehr dankbar war. Ich setzte mich auf die Kante meines Bettes, um das Schlottern meiner Knie unter Kontrolle zu bekommen. „Ich bin hier", fuhr Finkelman fort, doch der Drucker unterbrach sie, als er lautstark begann die Seite eines Schriftdokuments zu drucken. Finkelman wartete ab und entnahm die fertig gedruckten Seiten schließlich dem Korb unterhalb der Druckerausgabe. Sie raffte die Papiere sorgfältig und benutzte den dort liegenden Tacker um die einzelnen Seiten aneinanderzuheften. „Ich bin hier, um Ihre Tochter in die meine und die Obhut meines Mannes zu nehmen." Sie überreichte die Papiere an meine Mutter.

Das Gesicht meiner Mutter wirkte bleich und wie versteinert, als ihre Augen hektisch die Sätze des rechtssprachlichen Dokuments überflogen. „Ich...ich verstehe nicht...Raylyn?", noch immer war ihre Stimme scharf, doch wenn mich nicht alles täuschte, lag nun auch ein leichtes Zittern darin. „Was gibt es da nicht zu verstehen?", fragte Mrs. Finkelman. „Richterlicher Beschluss...Kindswohlgefährdung. Anhörung am 13. & 14.08.2020? Was hat das zu bedeuten?" „Ich denke, das erklärt sich von selbst, Ms. Winters. Auf der letzten Seite finden Sie Handlungsempfehlungen." Meine Mutter blätterte bis zur letzten Seite und schluckte dann sichtlich schwer. „Ich soll mir einen Anwalt suchen?", fragte sie, ihre Augen nun doch verwundbar und voll sichtbarem Schmerz. „Raylyn, rede mit mir. Was hat das zu bedeuten? Wer sind diese Leute? Was haben sie dir aufgeschwatzt?" „Raylyn hat sich aus freien Stücken für diesen Schritt entschieden", erwiderte Mrs. Finkelman, immer noch schützend vor mir. Meine Mutter schüttelte heftig den Kopf. „Raylyn, sprich doch verdammt! Sag etwas dazu!" Ihre Stimme war laut, doch klang kraftlos. Mrs. Finkelman setzte erneut zu einer abschmetternden Antwort an, doch ich kam ihr diesmal zuvor. „Ich will es so, Mom." „Mich anzeigen?", fragte meine Mutter. Ihre Augen verlangten eisern nach einer Erklärung. „Ich will...nicht mehr zurück ins Heim, ins betreute Wohnen." Meine Mutter verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann hättest du verdammt nochmal nicht einem erneuten Drogenexzess verfallen sollen!" Ich schluckte; ihre Worte wie ein Schlag in meine Magengrube. „Aber man zeigt doch nicht seine eigene Mutter an, aus dem Resultat heraus, dass man sich selbst falsch verhalten hat", schob sie heftig nach.

The Secret (BUCH I + 2) Als Mein Vergewaltiger Mir Blumen BrachteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt