Kapitel 6 - Die Strafe des Teufels

8 3 2
                                    

Theo's POV
Flach atmend betrat er das Haus, in welchem sein Vater, der Bürgermeister, lebte. Theodor war schon mit 15 Jahren von hier ausgezogen, damals hatte er sich mit seinem Vater absolut nicht verstanden. Jetzt kamen sie einigermaßen miteinander klar, doch er hatte es vorgezogen, in einem separaten Haus zu wohnen. Er schloss die dicke, hölzerne Tür hinter sich und stand nun in dem Eingangsbereich des Hauses. Die Holzlatten unter seinen Füßen knarzten noch genauso wie vor 4 Jahren. Mit einem flauen Gefühl im Bauch ließ Theodor seinen Blick durch den Raum schweifen. Die Innenwände des Steinhauses waren hell, immer wieder von dekorativ angebrachtem, dunkel glänzendem Holz durchzogen. Der Raum selbst war in warmes Kerzenlicht getaucht, welches von einem Kandelaber stammte, der auf einer alten Kommode platziert war. Von dem rechteckigen Eingangsbereich zweigten zwei Durchgänge ab, die jeweils in den Wohnbereich und in die Küche führten. Vom Wohnbereich führte außerdem eine Treppe nach oben zu den Schlafgemächern. Der junge Barde durchschritt nun den von ihm aus links gelegenen Türrahmen und fand sich in einem großen, gemütlichen Raum wieder. Dieser war komplett in Holz gekleidet, mit Ausnahme einer Wand, an der sich ein schöner Kamin befand. Davor standen einige gepolsterte Sitzbänke und Sessel. Auffällig war das große gotische Fenster, welches dem Raum einen gehobenen Charme verlieh und außerdem für ein wenig mehr Licht sorgte. An einer der Wände ragten mächtige Bücherregale empor, die allerlei uralte und auch neuere Bücher beherbergten. Vor dem Fenster stand ein Schreibtisch aus fast schwarzem Holz, auf dem einige jener Bücher lagen, teilweise aufgeschlagen. Die gesamte Architektur und Einrichtung deuteten auf den Wohlstand seiner Familie hin, obwohl es nichts war, worum sich Theodor je geschert hatte.
Auf dem ebenfalls sehr dunklen Schreibtischstuhl thronte ein großgewachsener Mann mit schütterem Haar, ein rot-blaues Gewand tragend. Dieser schaute nun von seinem Buch, in das er etwas hineingeschrieben hatte, auf und drehte sich zu
Theodor um.
Jeden anderen Menschen hätte bei dem prüfenden Blick des Bürgermeisters mit seinen eiskalten, hellgrauen Augen wohl das blanke Entsetzen gepackt, doch Theodor war die strenge, kühle Mimik seines Vaters gewohnt.

„Vater, ich muss Euch etwas berichten", begann der junge Mann.

Celo's POV
Sie schlug, bis es krachte. Die steinerne Wand vor ihr hatte bereits Risse bekommen, doch Celosia ließ nicht ab. Immer und immer wieder schnellten ihre Fäuste gegen das Gestein. Jedes Mal gab die Wand ein Ächzen von sich. Sie würde nicht mehr lange halten. Celosia's Augen glühten wie Feuer, ihre schwarzen Fingernägel stachen ihr in die eigenen Handflächen, während sie einen Schlag nach dem anderen ausführte. Ihre gedrehten Hörner, die scharf in die Luft stachen, erbebten bei jedem Schlag.

Sie konnte nicht aufhören.

Schwarzes Dämonenblut begann in düsteren Rinnsalen von ihren Händen zu tropfen, doch sie konnte nicht aufhören. Noch nicht. Ihr gesamter Körper zitterte, doch ihre Seele verzehrte sich nach dem Schmerz.
Es half ihr, sich von dem abzulenken, was Theodor getan hatte, aber gleichzeitig war es auch ein Ventil für all ihre Wut, Trauer und Enttäuschung. Also hämmerte sie weiter, obwohl sie ihre blutenden Hände kaum noch spürte. Das Gestein gab ein bedrohliches Knacksen von sich.
Irgendwann verließen Celosia die Kräfte und sie ließ die Fäuste sinken. Ein pechschwarzer Fleck aus ihrem Blut klebte an der Wand direkt vor ihr. Eine letzte Welle schrecklicher Wut ergriff die Dämonin und sie hob den gehörnten Kopf. Ihre tiefschwarzen Haare wehten, als sie ihren Kopf mit Wucht gegen die Wand krachen ließ. Das hatte sowohl dem Stein als auch Celosia den Rest gegeben. Mit einem ohrenbetäubenden Poltern stürzte die Wand ein und machte zwei separate Höhlen zu einer einzigen. Die junge Dämonin sank vor dem kleinen Trümmerhaufen nieder, ihre Haare fielen ihr ins Gesicht. An ihrer Stirn klaffte eine kleine Wunde.

Und sie begann, bittere Tränen zu weinen.
Sie weinte, weil sie den Sinn in ihrem ewigen Leben nicht mehr sah. Sie weinte, weil sie sich von allen verlassen fühlte. Sie weinte, weil ihr ehemaliger Freund sie verraten hatte. Sie weinte, obwohl man denken sollte, dass sie nicht weinen konnte.
Wie die Wand war am heutigen Septembertage auch ihre Welt eingestürzt.

Auf einmal vernahm sie Schritte. Ein anderer Dämon war an sie herangetreten, aber es war nicht irgendein Dämon. Es war Andras. Er war ein Feuerdämon, wie sie, aber mit gerade nach oben gerichteten Hörnern, und außerdem war er der einzige in der Hölle, der von ihrem Doppelleben gewusst hatte.
„Celosia", sprach er sie an, in seiner Stimme lagen Verständnis und Mitleid, andererseits hatte sie auch einen seltsamen Unterton. Sie antwortete ihm nicht, aber sie fühlte sich auch nicht in der Lage dazu. Stattdessen kniete sie weiterhin vor dem Steinhaufen und sah ihn nicht an. Andras kam zu ihr und setzte sich neben sie.
„Weißt du", begann er, „das war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Du bist ein Dämon. Du solltest theoretisch eigentlich gar nicht lieben können."
Seine Worte schmerzten, doch andererseits wusste Celosia, dass Andras verdammt nochmal recht hatte. Wie hatte es überhaupt je dazu kommen können? Vielleicht würde war sie jung, vielleicht war sie naiv. Aber als Dämon menschliche Gefühle zu hegen?!
Damit musste jetzt Schluss sein. Verbittert biss sie die Zähne zusammen und zwang ihre Tränen, nicht weiter zu fließen.
Kurz darauf sammelte sie alles an Konzentration, was sie in diesem Zustand aus sich herausholen konnte und nahm ihre Flammengestalt an. Hell lodernd verweilte sie in dieser Form, bis ihre Wunden sich weitestgehend geschlossen hatten. Als dies getan war und Celosia sich besser fühlte, manifestierte sie sich wieder.
Langsam hob sie ihren Kopf. Die Platzwunde war weg, aber ihren Augen wohnte ein dämonisches Glühen inne, das völlig anders war als bisher. In ihren Augen loderte der pure Zorn. Ihre schlitzförmigen Pupillen waren kaum mehr als feine Striche. Erneut ballte sie die Hände zu Fäusten. Dieser Typ hatte es nicht verdient, dass sie wegen ihm auch nur eine einzige Träne vergoss.

„CELOSIA!", tönte es plötzlich mit einer markerschütternden Lautstärke durch die gesamte Hölle.
Sie brauchte nicht zu raten, wer da wutentbrannt nach ihr rief. Und da stand auch schon das gewaltige Wesen in der steinigen Höhle und fixierte sie mit einem stechenden, orange-gelben Blick.
„Herr...", begann Celosia zögerlich zu sprechen.
Doch sie wurde unterbrochen.
„Wie kann es sein", wollte der Teufel wissen und man sah ihm an, dass er all seinen Zorn so gut es ging unter Kontrolle zu halten versuchte, „wie kann es sein, dass in der Oberwelt ein solcher Aufruhr herrscht, als wäre eine Dämonenarmee dort eingefallen?!"

Celosia erstarrte jäh. Wovon sprach er? Doch nicht etwa von jenem gottverdammten Dorf?!
Immernoch in Schockstarre nahmen ihre Gedanken Form an.
Was hatte dieser elende Barde getan?! Dass er sie verraten würde, war ihr fast klar gewesen, aber musste er es gleich dem ganzen Dorf erzählen?!! Ihre innere Wut wuchs nur noch, aber dann sagte der Teufel etwas, was sie nur noch mehr vor den Kopf stieß als so schon.

„Ich weiß von Eurem niedlichen kleinen Doppelleben."

Die junge Dämonin traf der Schlag. Alles klar, sie war tot. Sie war auf jeden Fall tot.
Wie hatte sie auch denken können, dass ihr Herrscher es nicht irgendwie spitzkriegen würde? Sicher hatte einer der anderen Dämonen davon erfahren und es ihm verklickert. Dass Andras sie an den Teufel verraten hatte, glaubte sie nicht. Sie waren praktisch Geschwister.
Aber jetzt...der Teufel würde sie bestrafen. Da war ihr der Tod ehrlich gesagt noch lieber.

„Also", grollte er erneut. Er bedachte sie mit einem abschätzigen, jedoch nachdenklichen Blick.
„Du hast Gefühle für einen Menschen entwickelt. Das sollte rein rassenspezifisch gar nicht möglich sein, meinst du nicht?", fuhr er fort.
„Nein, Herr", bestätigte Celosia kleinlaut.
„Was mache ich dann jetzt mit dir? Mit einer schwachen Dämonin kann ich nichts anfangen."
Sie öffnete bereits hektisch den Mund, um zu protestieren, doch er kam ihr zuvor.
„Du wirst mir beweisen müssen, dass du noch immer die bist, als die du geboren wurdest", erklärte er ihr.
„Was...was soll ich tun?", fragte sie, während sie zu ihm hochschaute.

Ein teuflisches Grinsen, buchstäblich, schoss auf des Herrschers Gesicht. „Du, Celosia", fuhr er fort, „wirst erst einmal dieses Dorf und all seine Bewohner auslöschen."
Das klang doch gar nicht so schlimm. Doch Celosia übersah dabei etwas.

Weiter grinsend fügte der Teufel noch hinzu: „Und mit „alle" meine ich wirklich alle. Du wirst diesen einen Menschen töten."

Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt