Kapitel dreiundzwanzig | Keine Party für Schnösel

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Dienstag ging ich wieder zur Schule. Ich hatte eigentlich gar keine andere Wahl, weil mein Direktor Natalie eine Nachricht geschrieben hatte. Normalerweise tat er das nie, vor allem nicht nach nur einem Tag, aber es schien so als würde ihm seine pädagogische Verantwortung wieder bewusst werden oder so ein Dreck. Also lief Natalie mit mir zusammen bis zum Tor.

„An die Hand nehmen muss ich dich aber nicht, oder?", hatte sie mich schnaubend gefragt als wir uns auf den Weg gemacht hatten.

Tja, also stand ich vor dem Tor mit meiner großen Schwester und es gab keinen Weg zurück.

Oskar, Sofia und Leo traf ich erst drinnen. Sie begrüßten mich so wie immer und klärten mich über den neusten Tratsch auf. Nicht dass es mich wirklich interessierte, aber es war mir lieber als über gewisse andere Sachen zu reden.

So erfuhr ich, dass Cassidy Guerrero (keine Ahnung wer das ist) gestern total besoffen in die Schule gekommen ist und suspendiert wurde. Jackson Rivers, ein Junge aus meinem Französischkurs, war jetzt mit Avery Wells zusammen, die auch in meinen Kurs ging (Französisch ist wohl wortwörtlich die Sprache der Liebe). Und Blake Schaefer, der Quarterback des Schulteams, hatte sich angeblich vor seinen Freunden in der Umkleide als schwul geoutet. Er und Wyatt wären dann wahrscheinlich das perfekte Paar. Schön wie das Universum alles wieder gerade rückt.

Viel hatte ich also nicht verpasst. War ja klar, ich war schließlich nur einen Tag nicht dagewesen und nicht ein ganzes Jahr. Und selbst wenn ich viel verpasst hätte, wäre es für mich nicht schlimm gewesen. Das ist mein letztes Jahr hier. Was nützt es mir zu wissen wer mit wem Händchen hält und wer angeblich aus dem Schrank springt und bereit ist „Hurra ich bin schwul!" in die Welt hinaus zuschreien. Ich würde die Menschen sowieso nie wieder sehen.

Als erste Stunde hatte ich Mathe, was ja mal der größte Kack war, aber den musste ich wohl oder übel überstehen. Noch eine Fehlstunde und Natalie würde mich umbringen. Wortwörtlich.

○●○

In der Mittagspause machten wir uns auf den Weg nach draußen. Senoirs durften schließlich vom Schulgelände runter, also sollte man das auch voll und ganz ausnutzen.

Ich hatte schon eine Zigarette hinter meinen Ohr versteckt. Unter meinen schwarzen Locken sah man die weiße Stange nicht mehr. Nicht zum Friseur zu gehen hatte auch seine Vorteile.

Sofia und Leo waren mal wieder damit beschäftigt sich zu streiten, während Oskar auf seinem Handy herumtippte.

Reden wurde heutzutage sowieso überbewertet.

„Ey, Warholden!", rief plötzlich eine tiefe Stimme hinter uns.

Ernsthaft? Ich schloss kurz die Augen.

Dann drehten wir uns alle vier fast synchron und wie in Zeitlupe um. Leo und Sof hatten aufgehört zu streiten und Oskar sah von seinem Handy auf. Wie Superhelden in einem Action-Film widmeten wir uns dem Schurken. Wir sahen direkt in Adriel Pomeroys Gesicht.

Adriel war einer der coolsten Typen auf dieser beschissenen High-School. Ein typischer Footballspieler. Groß, muskulös, braun gebrannt und die hellen braunen Haare perfekt gestylt. So mainstream, dass es schon nicht mehr attraktiv war, aber die notgeilen Mädchen hier waren anscheinend anderer Meinung.

Hinter Adriel stand seine coole Clique aus reichen Kindern (hab' ich schon gesagt, dass er auch super reich ist?). Also auch Wyatt und seine rothaarige Freundin Madelyn Maltravers waren auch mit von der Partie.

Ich hob die Augenbrauen. Also seit wann wussten solche Typen meinen Namen? Hatte Wyatt es ihnen gesagt?

„Was?", blaffte ich. Mein Gehirn schaltete ganz automatisch den Schalter auf arrogantes Ghetto-Arschloch um. Was wollten die von mir?

„Ich hab' gehört, dass ihr wisst wo die geilen Partys auf der Eastside steigen." Adriel sah mich erwartungsvoll an, dabei hatte er mich nicht mal etwas gefragt. Was soll ich die Frage in deiner Feststellung erriechen?

Ich lachte leise und schielte zu Sofia. Sie sah mich mit einem Blick in den Augen an, der mir verriet, dass wir dasselbe dachten: der Typ wollte uns anscheinend verarschen.

Tja, erfolglos.

Meine Augenbrauen zogen sich ein bisschen zusammen. „Und was hat das jetzt mit dir zu tun?"

Dass ich seine Aussage verneinte kam gar nicht in Frage. Wir wissen wo die geilen Partys auf der Eastside steigen und das ist ein Fakt. Punkt.

Und wenn das selbst so ein arroganter Schnösel wusste, dann war das auch gut so. Ich brauchte allerdings ziemlich viel Willenskraft, um meinen Blick starr auf Adriel zu halten und nicht zu Wyatt schräg hinter ihm zu gucken. Ich weiß, das wäre definitiv ein Fehler.

Jetzt lachte der Footballspieler vor mir leise und sah Madelyn, die rothaarige, so an, als dachte er wir würden Witze reißen. Tja, tun wir leider nicht, Mr. Pomeroy. Wir sind todernst.

„Naja", er zuckte mit den Schultern und zog eine komische Grimasse, die mir so etwas wie „Ist doch klar!" ins Gesicht schrie. Oh nein. Ich ahnte schon, was er von mir wollte.

„Wir wollen natürlich hin."

Meine Augenbrauen machten ein echt hartes Workout heute, denn jetzt schossen sie wieder in die Höhe. „Ihr wollt auf eine Party?", fragte ich ungläubig. „Auf der Eastside?"

Adriel nickte so als wäre das, was er sagte, das Selbstverständlichste auf der Welt. Mittlerweile hatten sich schon ein paar andere Schüler auf dem Hof zu uns umgedreht. Na das war ja mal toll. Mit Publikum war es immer witziger.

Jetzt schalteten sich auch die anderen ein. Leo und Sofia lachten und aus dem Augenwinkel konnte ich sehen, dass Oskar (genauso wie ich) breit grinste

„Nicht euer Ernst", presste Leo lachend hervor.

Adriels Augenbrauen zuckten jetzt auch nach oben. „Doch."

Man, der Typ war ja mal ein Dickkopf. Wollte er es nicht kapieren? Die Eastside war unser Revier - unser Zuhause - dort hatten solche Scheiß-Schnösel nichts zu suchen. Basta.

„Und was ist mit euren tollen High-School-Partys?" Sofia gackerte. Wenn sie lachte klang sie manchmal echt wie ein sterbendes Huhn.

Ein Junge mit wilden dunkelblonden Locken neben Adriel, von dem ich keine Ahnung hatte wie er hieß, trat einen Schritt nach vorn. „Sagt uns doch einfach, wo so eine Party steigt", meinte er genervt. Ihm schien es gar nicht zu gefallen, dass wir uns so aufspielten.

Ich schüttelte den Kopf. „Ne." Ich zog es extra etwas in die Länge. „Bleibt ihr mal lieber bei euren High-School-Partys. Ich glaub' das ist 'ne Nummer zu groß für euch."

Und das war noch nett ausgedrückt. Wenn man eine Party im Jameson's mit einer typischen High-School-Party verglich (so mit roten Plastikbechern und allem), war einer High-School-Party wohl eher wie ein Kindergeburtstag als 'ne richtige Party. Ich war erst auf einer Party dieser Art gewesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sowas immer gleich aussah. Kotzende Teenager, billiger Alkohol, viel zu laute Pop-Musik und irgendwann klingelte sowieso die Polizei, weil sich die Nachbarn beschwerten.

Wie gesagt: Kindergeburtstag.

„Das können wir ja wohl selbst entscheiden", mischte sich jetzt auch Madelyn Maltravers ein. Dass sie eine Art Feministin der coolen Sorte war, konnte man schon riechen. Eine die immer zeigen musste, dass sie das Sagen hatte, obwohl sie in der letzten Reihe saß. Eine, die Männer hasste.

„Klar." Oskar schnaubte und verdrehte die Augen. „Und wir können auch für uns selbst entscheiden, ob wir es euch sagen wollen. Und wir entscheiden uns ganz klar dagegen." Dann drehte er sich um und lief langsam wieder los.

„Die Arschlöcher kannst du bei deiner Schicht nicht gebrauchen." Sofia hakte sich bei mir ein und zog mich mit sich.

Ich konnte nur hoffen, dass die reichen Kids das nicht gehört hatten. Denn zufällig hatte ich bei dem Date mit Wyatt (umso mehr ich drüber nachdenke, umso mehr ist dieses Treffen ein Date gewesen) erwähnt, dass ich im Jameson's ab und zu Kisten auf- und Regale einräumte.

Sofia hatte es nicht laut genug gesagt, redete ich mir ein und schob den Gedanken beiseite. Wyatt hatte sich das nicht gemerkt. Warum sollte er das auch?

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