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„FUCK MAN! ICH SAGTE NEIN! ICH WILL DAS NICHT MEHR, LASS MICH HIER ENDLICH RAUS!", brüllte ich drei Wochen später den Arzt an. Meine Nerven lagen blank, gegessen hatte ich kaum und ich hielt es nicht mehr aus. Alles tat weh, getrennt von Samu zu sein tat unglaublich weh. Und die Nachricht noch weitere zwei Wochen hier bleiben zu sollen, machte mich endgültig fertig. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als Samu vom Flughafen abzuholen oder wenigstens an seiner oder meiner Wohnung auf ihn zu warten. Mein Herz spielte täglich verrückt, es setzte zwar nur richtig aus, doch manchmal verschluckte es sich quasi und das machte allen Sorgen. Doch mir war das vollkommen egal. Mir ging es körperlich gut, meine Muskeln wurden immer besser und ich konnte wieder einige Meter eigenständig laufen, ohne Schmerzen. Reichte das nicht? Mussten sie mich hier so festbinden und mich nicht rauslassen? Seit Wochen redeten sie auf mich ein, dass ich mich nur anstrengen musste und schon würde ich hier raus sein. Was dachten diese Menschen hier bitte, was ich die ganze Zeit tat? Dachten sie ich hätte Freude daran hier zu sitzen und Löcher in die Luft zu starren? Wohl kaum. „Herr Rajamaa beruhigen sie sich bitte. Wir müssen das beobachten und sie sind noch nicht stark genug, um wieder allein leben zu können", versuchte mich der Arzt zu beruhigen. „ICH LEBE GARNICHT ALLEINE UND ICH BIN SEHR WOHL STARK GENUG!". „Ihre Freundin wird sie nicht so stützen können, wie sie das manchmal noch brauchen werden", sagte er und blieb weiterhin die Ruhe selbst. „Wer zum Teufel hat gesagt, dass sie die einzige ist, mit der ich zusammenlebe? Denken sie ein eins neunzig Mann könnte mir helfen? Ich denke schon! Also lassen sie mich verdammt nochmal hier raus!", sagte ich energisch, jedoch ein wenig leiser als zuvor. „Überlegen sie es sich nochmal, ich komme später wieder". Und schon verschwand der Arzt aus dem Zimmer. Kurz darauf brach alles aus mir heraus. Ich konnte und wollte das alles nicht mehr. Wieso hatte ich auch ein so beschissenes Leben? Konnte es nicht einmal gut laufen? Wo war mein Glück? Ich dachte jeder Mensch würde wenigstens einmal glücklich sein. Sollte mir das etwas für immer verweht bleiben? Ich robbte aus dem Bett, stieß dabei alles um was mir in die Hände kam und ging zum Fenster. Ohne groß darüber nachzudenken riss ich es auf und schrie. Ich schrie mir meine Qualen und Leiden von der Seele. Es ging hier schon lang nicht mehr nur um die Tatsache, dass ich noch länger hier bleiben sollte. Aus mir brach einfach alles raus, ohne Ausnahme. Meine Kindheit, der Tot von Lenny, die Einsamkeit, die Magersucht, jetzt das. Mir wuchs alles über den Kopf, denn nichts davon hatte ich jemals wirklich überwunden. Keine Wunde davon war jemals richtig geheilt und vorallem die Einsamkeit holte mich wieder ein. Ängste plagten mich, es fühlte sich so an, als hätte mich jeder im Stich gelassen. Samu hatte ich seit mehr als drei Wochen nicht gesehen und er wirkte mit jedem Tag weiter weg und fremder. Als würden wir keine Beziehung führen. Denn genau das taten wir im Moment nicht. Wir beide gingen unsere eigenen Wege, allein. Wobei eigentlich nur er sein Leben weiter führte, meins hatte wieder einmal mitten drin gestoppt und man kappte mir wortwörtlich die Flügel. Meine Mama sagte früher immer zu mir ich solle ich selbst sein, meine großen Flügel ausbreiten und somit mein Leben genießen. Keiner solle mich jemals unterdrücken und ich wäre gut, so wie ich war. Doch das konnte ja nicht stimmen. Wenn ich gut so wäre, dann hätte ich doch mehr Glück in meinem Leben haben müssen. Oder wenigstens nicht ganz so viel Pech. Ein Schluchzen entfuhr mir und ich klammerte mich an dem Fensterrahmen fest. Ich hörte wie mein neues Handy vibrierte, das mir Liv besorgt hatte, doch es war mir egal. Rangehen wollte ich nicht, wer sollte das schon sein? Und in meinem Zustand wollte eh keiner mit mir reden, geschweige denn anders herum. „Wieso? Wieso?", fragte ich heiser und mit zittriger Stimme. Meine Beine fingen an zu zittern und ich kämpfte dagegen an. Sie sollten nicht so sein, sie sollten nicht so schwach sein. Dabei hatte ich garnicht mitbekommen, dass ich bereits über zwanzig Minuten da gestanden hatte und immer wieder geschrien hatte. Niemand war hineingekommen. Oder ich hatte es einfach nicht mitbekommen. Mich plagten diese Ängste allein gelassen zu werden, für immer, sich niemand mehr für mich interessiere. Liv wollte heute kommen und sie tat es nicht. Es war absurd, auch sie konnte sich verspäten und vermutlich hatte sie gerade angerufen, um mir genau das mitzuteilen. Doch trotzdem ließen mich diese Ängste innerlich zerbrechen und es hielt mich nur noch ein wenig auf den Beinen. Ein letzter verzweifelter Schrei, meine Kräfte waren aufgebraucht und ich schaffte es nur noch dem Fenster den Rücken zuzudrehen, als meine Beine nachließen. Ich sackte auf den Boden doch plötzlich fiel ich in starke Arme. Ein weiteres Schluchzen entfuhr mir, was dem an Lennys Beerdigung glich. Es fuhr mir durch alle Knochen, alles tat weh und irgendwie auch nicht. Ich hatte dennoch das Gefühl nicht mehr so allein zu sein. Der Boden hätte härter sein müssen, kälter und vorallem nicht so sanft.

Teil 1: „Blackrose" Story🥀 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt