Kapitel 8 - Livin' the best life

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1982
Celosia überstreckte den Kopf und schnappte nach Luft. Es war stickig hier drin, aber das nahm sie natürlich kaum war. Der Typ unter ihr schwitzte ganz schön, aber er war eben nur ein Mensch. Sie beugte sich wieder herab, um ihn zu küssen, er gab ein leises Stöhnen von sich. Während ihre Lippen auf seinen waren, grinste Celosia leicht und ließ ihre Hand an seinen Hals wandern. Von dort fuhr sie runter auf seine Brust. Sie fühlte es. Sie fühlte sein Herz schlagen. Wie jedes Mal versetzte dieses Gefühl sie gedanklich um Jahrhunderte zurück. Und wie immer bekam sie Gänsehaut.
Aber er war nur einer von vielen.
Nur ein weiterer wertloser Mensch, der ihr weisgemacht hatte, er würde sie lieben.
Celosia löste den Kuss und sah dem Typen in die hellblauen Augen. Sie grinste nun so breit, dass man ihre Zähne sah. Er dagegen blickte sie verdutzt an, das schwarze Haar klebte an seinen Schläfen.
Die Hand nicht von seiner Brust nehmend, näherte sie sich wieder seinem Gesicht, doch diesmal flüsterte sie: „Weißt du, als du damals sagtest, ich hätte dein Herz gestohlen..."
Er schien sich wieder zu entspannen. Doch er ahnte nichts.
Celosia fuhr fort: „...da wusstest du noch gar nicht, wie wahr diese Aussage doch ist. Wie wahr ich sie heute mache." Sie öffnete den Mund, um schallend zu lachen, während ihre Augen wieder völlig rot wurden. Der Herzschlag ihres Opfers beschleunigte sich nun spürbar und seine geweiteten Augen waren auf sie gerichtet.
„W-Was?!", stotterte der verwirrte Junge. Denn mehr war er nicht. Trotz seiner 20 Jahre konnte man nicht wirklich als Mann von ihm sprechen. Wie passend.
Die Dämonin zögerte nicht lange und bohrte die Finger tief in seine Brust. Er schrie laut auf, während sein rotes Blut sich den Weg hinaus bahnte.

Und Celosia tat, was sie schon immer getan hatte.

Niemand hatte den Schrei gehört. Sie ließ sein Herz fallen und erhob sich von dem klapprigen Bett im Jugendherbergenstil.
Seit 1401 hatte sie niemals wieder jemanden wahrhaftig geliebt. Sie hatte es sich selbst stets verboten, und immer wenn sie merkte, dass sich etwas von ihrer Seite aus anbahnte, sorgte sie für die Beseitigung des Problems. Schlug ihr eigenes Herz schneller, verlor der dafür Verantwortliche seins. So einfach war es.
Entspannt sammelte sie ihre Klamotten wieder ein und drehte das kleine Radio auf, welches im Schlafzimmer auf der Kommode stand. Gerade lief Killers von Iron Maiden.
Celosia musste schmunzeln. Es passte gerade einfach alles zu gut.
Gut gelaunt warf sie sich wieder ihr schwarzes Kleid über und wollte sich schon zum Gehen wenden, aber dann drehte sie noch mal um und ging zu dem Radio zurück. Sie besaß eine kleine Wohnung außerhalb der Stadt, aber kein Radio. Also schaltete sie es aus und klemmte es sich unter den Arm.
Sie trat aus der unscheinbaren, etwas abseits liegenden Hütte und legte dort eine Hand an die Hauswand. Binnen weniger Sekunden brannte die Behausung lichterloh und die Dämonin schlenderte mit dem Radio gemütlich davon.

Bald erreichte sie ihr Zuhause. Eine einfache Wohnung, nichts aufregendes.
Nur, dass sie alle Wände schwarz angestrichen hatte. Überall hingen Band-Poster und in ihrem großen Schlafzimmer befand sich ihr ganzer Stolz:
Eine wunderschöne, rot-schwarze E-Gitarre. Sie hatte vor etwa 6 Jahren gelernt zu spielen. Musik hatte ihr in den vergangenen Jahren ziemlich geholfen. Manchmal fühlte sie sich einsam, aber wenn sie die Wahl hatte zwischen ihrer Musik und menschlicher Nähe...

Überflüssig zu erwähnen wofür sie sich immer entschied.

Morgen war es soweit. Morgen würde sie auf das Konzert gehen.
Das Iron-Maiden-Konzert.

Man könnte meinen, dass sie seit Jahrhunderten fast wie ein Mensch lebte, und es war unglaublich ironisch, denn Celosia käme niemals auf die Idee, sich selbst mit einem dieser niederen Wesen zu vergleichen. Sie hatte lediglich angefangen, etwas sinnvolles und spaßiges aus ihrer ewigen Existenz zu machen.
Und ja, dazu gehörten auch die paar Leute, die ohne Herz den Flammentod erlitten.

Das war es, was sich verändert hatte. Die Dämonin hatte 1468 die Hölle verlassen um frei zu sein. Zu leben. All das Morden und Verbrennen hatten sie nicht gestört, im Gegenteil.
Was ihr gegen den Strich gegangen war, war die Tatsache, dass jemand ihr Befehle erteilte. Sie war dort hineingeboren worden, aber sie fühlte sich damit nicht wohl.
Daher war sie gegangen. Seit 1468 also fristete sie ihr Dasein in der Welt der Menschen, die durchaus Interessantes zu bieten hatte.

Wie eben Konzerte.

Lächelnd betrat sie ihr Zuhause und stellte ihr „neu erworbenes" Radio ins Wohnzimmer. Doch kaum war sie angekommen, klingelte es an ihrer Tür.
Wer zum Henker...

„Celosia!! Ich weiß, dass du hier bist", tönte eine kratzige Stimme von draußen. Sie blieb wie angewurzelt stehen. Verdammt, sie kannte die Stimme. Nervös prüfte sie die Seele, die vor ihrer Tür stand und erstarrte.
Es war...

Im selben Moment ertönte ein lautes Krachen und die Tür flog splitternd auf. Im Eingang stand ein scheinbar junger Mann mit schwarzem, an der Seite rasiertem Haar, einen dunklen Anzug tragend. Seine glühend roten Augen fixierten sie, als er langsamen Schrittes die Schwelle übertrat.

„A..Andras?!", fragte Celosia völlig überrumpelt. Warum war er hier? Sie hatte diesen Dämon seit Jahrhunderten nicht mehr gesehen.
Er schritt weiter auf sie zu, über die kaputte Tür, die aus den Angeln geflogen war und ließ derweil den Blick durch den Raum schweifen.

„So fristest du jetzt also dein Dasein? Als Mensch in einer Kleinstadtwohnung?", zog er sie auf und blieb schließlich vor ihr stehen. Er strahlte eine mächtige Präsenz aus, was nicht verwunderlich war, immerhin war er knapp 200 Jahre älter als sie. Bei den meisten Dämonen ihrer Welt verhielt es sich so: Je älter, desto stärker. Das war ja auch vollkommen logisch, da ältere Dämonen mehr Zeit hatten, ihre Kraft und Stärke zu trainieren.
Celosia antwortete nicht auf Andras' Spott, sondern sah ihm unverwandt in die Augen.
Dieser Dämon war einst wie ein Bruder für sie gewesen. Dass sie sich jemals so entfernen würden, war vor 500 Jahren undenkbar für Celosia gewesen.

„Warum bist du hier?", fragte sie ihn, langsam wurde sie ungeduldig.
Seine Gelassenheit machte sie außerdem nervös und sie war sich ziemlich sicher, dass er nicht nur zum Plaudern hergekommen war.

„Nun, Celosia", sprach Andras endlich, „ich bringe Kunde von zuhause."
Es gefiehl ihr nicht, dass er die Hölle als Zuhause bezeichnete, denn das war sie nicht. Es war ein Ort des Zwangs und des Gehorchens, den sie vor langer Zeit verlassen hatte. Und sie hatte gut daran getan.

Fragend blickte Celosia ihn an, auf die Nachricht wartend, die ja nun wirklich keine gute sein konnte.

„Der Herrscher will dich sprechen."

Out of Hell - Die Geschichte eines uralten DämonsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt