Aus der Reserve locken

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"Ich hasse dich", flüsterte ich Chloe ins Ohr, während wir den kurzen Weg zum Strand entlanggingen. Meine Worte klangen wie Gift. Das wollte ich ihr echt heimzahlen.

Doch sie ignorierte es und stieß mir mit dem Ellbogen in die Rippen, was mich leise aufjaulen ließ. Ich denke, ich sollte sie mal zum Boxen begleiten. Vielleicht wäre das ja der perfekte Sport für mich, jetzt, wo ich das Surfen ans Brett genagelt hatte. Mason schaute mich beim Gehen an, also hatte er mich wohl gehört.

"Was ist?", fragte er nur monoton.

Ich wollte gerade meinen Mund öffnen, als Chloe mir das Wort abschnitt : "Gar nichts", und ihn breit angrinste.

Mason zog seine Augenbrauen hoch, schaute dann aber doch wieder auf den Weg und ließ das Thema auf sich beruhen. Wir kamen an unser Ziel und zogen uns die Schuhe aus. Vorsichtig stapften wir zu dritt durch den weichen, warmen Sand.

"Also Mason, du bist Lukes großer Bruder...", fing Chloe an, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.

"Das bin ich wohl", gab er lässig zurück.

""Und hast du mal was von einem Mädchen gehört, mit dem Luke gerade viel zu tun hat?", hakte sie nach, wofür ich ihr einen Hieb in die Seite verpasste, was ihr jedoch keine großen Schmerzen bereitete, wie ich ernüchternd feststellen musste.

Wir erreichten das Meer und ließen uns in den Sand fallen. Mason sah zu Chloe, dann zu mir und setzte einen fragenden Blick auf.

"Naja, sowas wie eine Freundin", erzählte sie weiter.

Obwohl mir dieses Thema so gar nicht passte, war ich doch etwas gespannt, was Mason darauf antwortete. Doch anstatt etwas zu erwidern, legte er seinen Kopf in den Nacken und fing an lauthals zu lachen. Hä?

"Mein Bruder und eine Freundin? Der hatte doch noch nie eine Freundin, geschweige denn irgendwelche Gefühle, abgesehen von Erregung und Befriedigung", sagte er, als er sich etwas eingekriegt hatte.

Na toll und ich doofe Kuh war auf ihn herein gefallen. Was machte ich mir überhaupt Hoffnungen, er könnte sich irgendwie ändern? Nicht für mich, nicht für sonst irgendwen. Er war und blieb ein Arschloch, der Frauen nur für eine Nacht brauchte und ihnen das Paradies versprach, um zu bekommen, was er wollte. Und natürlich glaubte ihm das auch jede. Er interessierte sich nicht wirklich für mich. Das einzigste, was mich jetzt noch wunderte war, warum er meinen betrunkenen Zustand nicht ausgenutzt hatte, um Sex mit mir zu haben. Es wäre ihm ein Leichtes gewesen. Ich hätte jeden genommen, ohne dass er mich groß überreden hätte müssen. Und doch hat er es nicht getan. Um heraus zu finden, was ihm wirklich an mir lag, musste ich ihn also herausfordern und ich wusste auch schon genau, wie ich das am Besten anstellte...

"Kylie, bist du noch da?", Chloe fuchtelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht herum, "echt jetzt? Warst du schon wieder weg?

Ich erschrak, blinzelte dann aber kurz und schaute sie an: "Sorry, war in Gedanken"

"Passiert ihr das öfter?", fragte Mason an Chloe gerichtet.

"Hey, ich bin auch noch da!", mischte ich mich empört ein.

"Ja, ziemlich oft. Es ist, als wäre sie in ihrer eigenen kleinen Kylie-Welt", antwortete Chloe, immer noch mich ignorierend.

Ich erhob mich rasch aus dem Sand und sah auf die Beiden hinunter, die Arme vor der Brust gekreuzt.

"Was ist los?", fragte Chloe plötzlich als sei sie komplett unwissend.

"Ihr habt mich ignoriert!?", gab ich patzig zurück.

"Kylie, übertreib doch nicht immer so! Alles ist gut, setzt dich wieder hin", sagte sie.

"Sorry Chloe, aber ich muss jetzt nach Hause. Nick wollte heute kochen und ich muss ihm helfen", das war eine glatte Lüge, aber wie sollte ich sonst hier wegkommen. Dies war der perfekte Zeitpunkt, da ich genau wusste, dass sie noch in den keinen Buchladen musste und ich wollte von Mason nach Hause gefahren werden, um meinen Plan umzusetzen. Ich hatte zwar keine Ahnung, ob er das tun würde, jedoch ging ich stark davon aus.

"Ky--lie, aber ich muss doch noch in den Buchladen!", sie zog meinen Namen extra in die Länge, damit sie ihren süßen Ton aufsetzten konnte.

"Und wie komm ich jetzt wieder nach Hause?", fragte ich gespielt verzweifelt, damit Mason es mitbekam und einknickte.

"Ich bringe dich!", yes! Meinen Plan würde ich sofort einlenken können.

"Danke Mason. Das ist wirklich super nett von dir", bedankte ich mich mit meiner zuckersüßen Stimme.

"Ich lass dich doch nicht alleine, Beautiful!", meinte er daraufhin nur zwinkernd.

Zusammen verließen wir den Strand und gingen zu seinem Auto, nur wenige Meter von Chloes entfehrnt. Der Wagen überraschte mich gar nicht. Während Luke den protzigen Geländewagen fuhr, stand ich nun vor einer schnittigen Sportkarre.

"Gefällt er dir?", fragte er lächelnd, während er seine Schlüssel aus der Hosentasche fischte.

"Sehr sogar", antwortete ich ganz ehrlich. Ich kam aus dem Staunen gar nicht mehr raus. Im Sonnenlicht glänzte der Wagen in einem tiefen Schwarz, gehalten von blitzblanken Silberfelgen. Er öffnete die Türen mechanisch und wir stiegen ein. Die Sitze waren so niedrich, dass ich eher in den Wagen hineinfiel, bis ich weich landete. Er startete den Motor und fuhr los.

"Mason, ich wollte dich gerne etwas fragen", sagte ich, als wir die Hälfte der Strecke schweigend hinter uns hatten.

"Schieß los!",entgegnete er und ließ seinen Blick kurz von der Straße ab,um mich anzusehen.

Wenn ich Luke schon nicht ignorieren konnte, geschweigedenn abweisen,sobald er mir näher kam, dann musste ich ihn wenigstens aus der Reserve locken. Ich musste wissen, was es mit dieser Nacht auf sich hatte. Es konnte doch kein Zufall sein, dass er mich einfach nur in sein Bett gebracht hatte. Ich musste wissen, was ihm an mir lag, und wie sollte das besser funktionieren, als ihn eifersüchtig zu machen? Und genau das musste ich mit einer ganz bestimmten Person tun, mit dieser Person, bei der er mir ausdrücklich gesagt hatte, ich solle mich von ihm fernhalten. Also stellte ich ihm meine Frage:

"Hast du schon eine Begleitung für den Herbstball?"

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