4. Eis mit Extras

1.7K 106 59
                                    

Mittwoch ist jetzt wohl Monte-Tag ;)

Weiter gehts - obwohl Mila gar keine so große Lust darauf hat, wie es scheint. Irgendwie auch nachvollziehbar, ein bisschen ungewöhnlich ist der Gute ja schon.

Übrigens beschäftige ich mich momentan ja aus gegebenem Anlass etwas mehr mit ihm und muss sagen, dass er mich durch Aussagen und Einstellungen regelmäßig positiv überrascht, meine Einschätzung ging anfangs doch eher in Milas Richtung...also erzählt mal, wie seid ihr auf ihn gekommen? Und wann?

<3

_____________________________________________

„Then I saw her face, now I'm a believer - Not a trace of doubt in my mind - I'm in love - I'm a believer, I couldn't leave her if I tried"

The Monkees - I'm a believer

„Zitrone und Stracciatella, ja? Dankeschön!"

Birgit, die Inhaberin dieser und noch einer weiteren Buchhandlung hier in der Ecke, die zwei Mal die Woche für jeweils einen halben Tag rein kam, verschwand winkend aus der Tür. Meine etwas rundliche Chefin war wirklich ein Glücksgriff - sie war nicht nur eine wirklich gute Seele, sie hielt auch wenig auf Bestsellerlisten und Mainstreamliteratur. Natürlich gab es auch bei uns die aktuellen Neuheiten, aber wir hatten auch immer viel Platz für literarische Werke und Bücher, die man nicht in jeder x-beliebigen Buchhandlung fand. Heute war es für norddeutsche Verhältnisse ungewohnt warm und Birgit war der Meinung, wir hätten uns beide ein Eis verdient, denn der Vormittag war zwar noch nicht ganz vorbei, aber wir hatten schon einige sehr beratungsintensive Kunden gehabt.

Ich stützte einen Ellenbogen auf die Ladentheke und lächelte vor mich hin. Ich liebte meinen Job, das Eintauchen in die neuen Welten zwischen den Buchdeckeln, das Herausfinden des besten und passendsten Titels für jeden Kunden, das Umräumen und Dekorieren. Ich überlegte gerade, welche nächste Lesung wir anbieten könnten, als das Glöckchen über der Ladentür zu hören war.

„Moin. Letzte Woche gabs hier Krimis im Angebot. Sind die noch da?"

Verblüfft hob ich den Blick. Das gab es doch wirklich nicht! Ich richtete mich auf und legte ungläubig den Kopf schief.

„Marcel? Hör mal, wird das jetzt zur Gewohnheit? Im Leben hast du doch die Bücher nicht schon gelesen!", begrüßte ich ihn fassungslos. Irgendwie kam ich mir...auf den Arm genommen vor.

Einmal war das ja wirklich witzig gewesen, aber auf die Dauer fand ich Marcels Verhalten beinahe...gruselig. Das war doch nicht normal! Dass er mir auf einmal dauernd hinterher stieg. Ich zog die Brauen zusammen, doch Marcel grinste nur wieder.

„Logo. Das mit dem Halsband war gut. Und dieses überraschende Ende!"

Heute trug er wieder die unvermeidbare Jogginghose, ein Feinrippunterhemd und darüber einen Camouflage-Zipper. Um den Hals die mir schon bekannte Goldkette. Eigentlich fehlte nur noch die Bierdose in der Hand. Wie konnte ein Mann so herumlaufen und dann so tun, als würde er tatsächlich französische Literatur mögen? Denn ich war mir sicher, dass er das nicht tat. Und ich mochte es nicht, wenn man mich veräppelte.

Er grinste mich aber wieder nur vergnügt an und ich meinte, auch noch eine Spur Zigarettenrauch wahrzunehmen.

„Ach ja? Wem hat Rufin das Buch gewidmet?", fragte ich also misstrauisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Wem...äh...gewidmet, ja, also...seiner..." Er ließ den Blick wandern. „Seiner Mama!"

„Falsch.", erwiderte ich. „Seinem mittlerweile verstorbenen Freund Benoit, auf dessen Großvaters Leben beruht das Buch nämlich. Also, du Bücherwurm, was machst du hier?"

Marcel schien das nicht im Mindesten peinlich zu sein, im Gegenteil. Ihm schien das alles Spaß zu machen.

„Na gut, hast mich erwischt." Immerhin hatte er den Anstand, entsprechend zerknirscht auszusehen. Er steckte die Hände in die Hosentaschen, sodass nur noch seine dicke Uhr zu sehen war, und lächelte verschmitzt. „Ich würd gerne nen Kaffee mit dir trinken gehen. Oder muss ich dir dafür noch mal was überschütten?"

„Also das ist doch - ", begann ich, doch in genau diesem Moment kam Birgit wieder herein, zwei Eisbecher in der Hand, und nickte Marcel freundlich zu.

Ich schloss den Mund wieder. Vor meiner Chefin wäre es mir unangenehm, wenn sie mitbekam, dass Marcel hier nicht einkaufen wollte.

„Ich stells dir hinten hin.", lächelte sie mir zu und hob zur Verdeutlichung mein Eis hoch. Dann verschwand sie in den hinteren Räumen.

„Was sagste?", fragte Marcel. Seine Hartnäckigkeit war bemerkenswert.

„Hör mal Marcel, sei mir nicht böse, aber ich hab wirklich kein Interesse. Ich bin hier am arbeiten, das hier ist mein Job. Du bist sicher ein total netter Kerl, aber ich fände es besser, wenn du hier nur der Bücher wegen herkommen würdest. Okay?"

Ich hatte die Hände in die Seiten gestemmt, aber Marcel kam gar nicht zum Antworten, denn wieder steckte Birgit den Kopf herein.

„Na, werden Sie fündig?", fragte sie, und legte mir eine frisch ausgedruckte Bestellung neben die Kasse.

„Leider nein.", sagte Marcel mit ernstem Blick und schüttelte noch dazu betreten den Kopf. Überrascht hielt Birgit inne.

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Nach was genau suchen Sie denn?", fragte sie und es fehlte nicht viel, dass sie sich vor Tatendrang die Hände gerieben hätte.

„Ich würde ihre Kollegin gerne auf nen Kaffee einladen. Aber sie will nicht."

Ich starrte ihn an und öffnete den Mund, bekam vor Empörung aber keinen Ton heraus. Das war ja wohl das Unverschämteste, was mir je untergekommen war! Birgit dagegen konnte ein breites Grinsen nicht unterdrücken und sah belustigt zwischen uns beiden hin und her.

„Ich möchte wirklich nicht - "

„Also, am Samstag ist sie nur bis zehn zur Inventur hier, und im Altstadtcafé haben sie seit neuestem ganz fantastische Franzbrötchen.", unterbrach Birgit mich und rückte einen Bücherstapel etwas gerade.

„Birgit!" Fassungslos sah ich meine Chefin an. Wie konnte sie mir so in den Rücken fallen?!

Sie zwinkerte Marcel aber nur zu und der verzog das Gesicht zu einem siegessicheren Grinsen.

„Dann werde ich Samstag noch mal vorbeikommen. Dann nehme ich auch die Krimis mit."

Er tippte sich kurz an die Kappe, sah mir noch einmal in die Augen und verschwand dann nach draußen. Ich sah ihm hinterher. Dann wanderte mein Blick zu Birgit.

„Das war wirklich unnötig!", sagte ich ärgerlich und machte mich daran, die Bestellung im System zu verbuchen. Dabei hämmerte ich in die Tasten, dass es ein Wunder war, dass sie mir nicht entgegen sprangen.

„Wieso denn? Mir kam er wie ein sehr netter junger Mann vor.", erwiderte Birgit in aller Seelenruhe.

„Netter junger Mann...", brummte ich und schüttelte den Kopf.

„Wieso denn nicht? Er hat so höflich gefragt! Auf diese zwielichtigen Kerle aus dem Internet kannst du dich doch nicht verlassen, sowas Echtes ist viel mehr wert! Erst letztens habe ich ein Buch über Opfer von Heiratsschwindlern aus dem Web gelesen, von wem war das doch gleich..." Nachdenklich verzog sie das Gesicht.

„Ich muss mich auf gar keine Männer verlassen, weder echt, noch digital!", unterbrach ich ihre Überlegungen.

„Müssen musst du nicht.", stimmte Birgit mir weise zu „Aber es ist trotzdem schöner, wenn du es kannst."

Ich verdrehte die Augen. Und dann ging ich nach hinten zu meinem Eis, das mittlerweile nur noch Suppe war.

A whole new Level (MontanaBlack)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt